Floria Tochter der Diva. Ursula Tintelnot. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ursula Tintelnot
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745039689
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war leicht zu beruhigen.

      »Wenn der Schnee wiederkommt, bauen wir eine Schneefrau. Die zerläuft vielleicht nicht so schnell.«

      Sie nahm Florias Hand und zog sie mit sich.

      »Wir setzen sie hier in den Hof, dann kann sie Emmas Blumen nicht zerdrücken.«

      Susan beobachtete die beiden. Sie könnten Mutter und Tochter sein. Katja besaß das gleiche üppige Blondhaar wie Floria. Die großen dunklen Augen sahen erwartungsvoll zu ihr auf. Floria ging in die Hocke.

      »Ja, Katie, das könnten wir tun.«

      Die Kleine schlang ihre Arme um Florias Hals.

      »Dauert das noch lange?«

      Susan verstand nicht, was ihre Freundin erwiderte. Sie fragte sich, wo sie sein würden in ein paar Monaten.

      Wie oft haben wir zusammen auf der Bühne gestanden. Werden wir das je wieder tun?

      Floria schien hinter einem unsichtbaren Vorhang zu leben. Nicht wirklich erreichbar für ihre Umwelt. Nur Katja gelang es, den Vorhang beiseite zu schieben.

      Floria war behütet aufgewachsen, aber immer mit dem Wissen, einen Vater zu haben, der sich nicht für sie interessierte, vielleicht nicht einmal von ihr wusste, und eine Mutter, die sie nicht wollte. Emma und Alex liebten sie, aber sie waren nicht ihre Eltern.

      Floria kam Susan unendlich verloren vor. Christof Cormans Tod hatte sie noch nicht verkraftet. Susan wusste, Angst und psychische Belastungen konnten direkt zu Blockaden der Stimme führen.

      Sie fragte sich, wie sie selbst mit einem solchen Verlust umgegangen wäre.

      Auch sie war nicht frei von Ängsten. Die Anforderungen im heutigen Musikgeschäft waren hoch. Das, was Floria geschehen war, konnte jedem Sänger, jeder Sängerin passieren.

      Susan war in ärmlichsten Verhältnissen groß geworden. Ihr Vater war Zugbegleiter gewesen, ihre Mutter Putzfrau. Die Eltern liebten ihre einzige Tochter abgöttisch und als ihnen klar wurde, welche Begabung in ihr schlummerte, hatten sie alles getan, damit sie werden konnte, was sie heute war.

      Sie hatten hart gearbeitet, sehr hart. Susan hatte in Jazzkellern getingelt, um zusätzlich Geld zu verdienen. Ihre Eltern mussten auf vieles verzichten, um Ihre Ausbildung zu finanzieren. Nachdem sie ein Stipendium bekommen hatte, war es leichter geworden.

      Emma hatte Florias Ausbildung bezahlt. Als sie sich kennenlernten, hielt Susan Floria zuallererst für das verwöhnte Kind reicher Eltern.

      Als sie die Wahrheit erfuhr, hatte sie innerlich Abbitte geleistet. Sie waren Freundinnen geworden.

      Susan war schon früh am Morgen in die Stadt gefahren, um sich mit einem Kollegen treffen.

      »Das muss ein sehr interessanter Kollege sein.«

      »Wieso? Du kennst ihn.« Sie nannte den Namen eines ziemlich bekannten und ziemlich attraktiven Tenors. »Und für ihn dieser ganze Aufwand?« Floria betrachtete ihre Freundin von oben bis unten.

      Susan errötete. »Du bist so blöd.«

      Floria lachte nur und umarmte sie. »Du siehst toll aus. Viel Spaß.«

      Sobald Susan im Taxi davongefahren war, zog Floria ihre Stiefel an und ging in den Garten. Sie hatte Emma versprochen, die Gemüsebeete vorzubereiten.

      Ihre Großmutter wühlte im Kräutergarten und lockerte die Erde um die Pflanzen herum. Sie summte leise vor sich hin.

      Wie häufig hatte Floria sie in dieser Haltung gesehen. Den Hintern in die Höhe gestreckt, den Kopf dicht über der Erde, als ob sie daran schnupperte. Vermutlich tat sie das sogar. Alex und sie hatten sich oft darüber amüsiert.

      »Lacht ihr nur.« Emma blieb ungerührt. Jedes Jahr um diese Zeit säte sie Rote Rüben, Petersilie, Möhren, Spinat, Chicorée und Zwiebeln, pflanzte bis Ende des Monats Frühkohl, Kopfsalat, Steckzwiebeln und dicke Bohnen.

      Auch in diesem Jahr war sie nicht zu bremsen. Und es schien ihr gut dabei zu gehen.

      Florias Blick fiel auf den Apfelbaum. Tim hatte es nicht vergessen. Da hing sie wieder. Sie konnte nicht widerstehen, ließ die Hacke fallen und stapfte hinüber. Sie setzte sich auf ihr altes Schaukelbrett, machte ein paar kleine Schritte rückwärts und stieß sich ab.

      Sie flog. Es war Sommer. Sie war fünf Jahre alt und trug ein weißes Kleidchen. Weiß wie der Fingerhut, den Emma so liebte.

      Der Garten zeigte seine Blütenfülle, voller Farben und Formen. Und über allem wachte die giftigste der Pflanzen in Emmas Garten. Floria mochte die Form und die Eleganz, mit der sich der sahnig weiße Fingerhut präsentierte. Kerzengerade erhob er sich stolz über die anderen Bewohner des Gartens. In ihrer kindlichen Fantasie trugen die Elfen seine Blüten als Kopfbedeckung, um die Menschen zu verzaubern oder zu töten.

      Das flimmernde Sonnenlicht verwandelte das helle Tuch, das Emma sich um den Kopf geschlungen hatte. Floria kam zu sich und sprang von der Schaukel. Für einen Augenblick musste sie eingeschlafen sein. Emma als todbringende Fee?

      Sie schüttelte sich. Was war nur in sie gefahren. Sie war erwachsen und es war Ende März.

      Der Garten rief Erinnerungen und Träume hervor, die sie ängstigten. Floria beschloss zu laufen. Irgendwann landete sie vor Julians Haus.

      Ramses lag vor der Haustür. Er erhob sich wie ein zuvorkommender Hausherr und begrüßte sie mit einem gedämpften Wuff.

      »Hallo, Ramses. Wo ist Katja?«

      Der große Hund spitzte die Ohren, ging ein paar Schritte und sah sich nach ihr um. Sie folgte ihm ums Haus herum in den Garten.

      Katja saß am Rand einer Sandkiste. Sie sprang auf, als sie Floria erblickte.

      »Dad, Floria ist da!« Im Haus rührte sich nichts.

      »Spielst du mit mir?« Die Kleine nahm eine Stoffpuppe hoch und hielt sie ihr hin. »Das ist Rosa. Ich habe ihr gerade erklärt, warum sie nicht Klavierspielen darf.«

      »Erklärst du es mir auch?«

      »Du darfst ja.«

      »Und du darfst nicht?«

      »Dad will es nicht.« Katja sah ihre Puppe an. »Rosa hat es versucht und jetzt ist Dad böse.«

      Welchen Grund mochte Julian haben, seinem Kind das Klavierspiel zu verbieten?

      »Darf ich auf deinem Klavier spielen? Du kannst mir zeigen, wie das geht. Bitte, Floria.«

      »Was soll Floria dir zeigen, Katie?«, fragte Julian.

      »Wie Klavierspielen geht.«

      Julian ging nicht auf Katjas Antwort ein. Er machte eine einladende Geste. »Möchtest du nicht hereinkommen?«

      »Ich bin auf dem Heimweg. Eigentlich bin ich nur gekommen, um meine Kleider abzuholen.«

      Er starrte sie verblüfft an. »Kleider?«

      »Emmas Enkelin in der Tüte!«

      »Oh, hab ich vergessen, tut mir leid. Ich fürchte, die sind noch im Kofferraum. Meinen Wagen bekomme ich heute oder morgen wieder.«

      »Macht nichts, ich habe noch was anzuziehen.«

      »Ich bring dir die Sachen vorbei.«

      »Emma vermisst dich, Katja. Und deine Schaukel wartet auf dich.«

      »Darf ich gleich mitkommen? Dad, bitte.«

      »Meinetwegen, wenn es Floria recht ist. Ich hole dich nachher ab.«

      Katja ließ Rosa in den Sand fallen und griff nach Florias Hand. Zu dritt machten sie sich auf den Weg zu Emma. Rechts Floria, links Ramses, dazwischen hüpfte Katja.

      Julian nahm Rosa aus der Sandkiste und klopfte ihr den Sand aus den