Floria Tochter der Diva. Ursula Tintelnot. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ursula Tintelnot
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745039689
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begonnen, sich die Arien, die Christof ihr geschickt hatte, zu erarbeiten.

      Zweimal in der Woche fuhr sie in die Stadt.

      Wenn Laura nicht gewesen wäre, hätte sie aufgegeben. Die Lieder und Arien waren anspruchsvoll. Sie musste die Musik auswendig lernen, das dauerte lange und sie war nie mit sich zufrieden. Noch hatte sie mit Susan nicht darüber gesprochen. Sie wollte sicher sein, dass sie es schaffte, nicht aufzugeben, bevor sie es ihr sagte.

      So als ob Christof sein Schicksal vorausgeahnt hätte, ging es, wie in den großen Konzertarien von Haydn, Beethoven, Mozart und Mendelsohn, um Sehnsucht und Liebe, Abschied und Tod. Komm zurück, mein Liebster.

      Oft genug brach sie in Tränen aus, wenn sie die Texte las. Aber langsam brach ihr innerer Widerstand, sich der Realität seines Todes zu stellen.

      Je mehr sie sich darauf einließ, desto besser ging es ihrer Stimme.

      Dennoch, sie fiel immer wieder in tiefste Verzweiflung, was den Umgang mit ihr, weder für sie selbst, noch für ihre Umgebung, einfach machte.

      Christof hätte sich gewünscht, dass sie sang. Und nun rang sie darum, seinen letzten Wunsch zu erfüllen.

      Deine Stimme in meinem Herzen.

      Die Straße vor ihr war leer. Sie stand noch vor der Tür und blickte in die Dunkelheit, in der Julian mit Katja und Ramses längst nicht mehr zu erkennen waren. Sie würde Katja vermissen. Die Klavierstunden mit ihr. Die Begeisterung dieses kleinen Mädchens hatte sie angesteckt. Sie erinnerte sie an die Leidenschaft, mit der sie selbst sich der Musik hingegeben hatte.

      Alex und Thomas drängelten an ihr vorbei. »Gute Nacht, Floria.«

      Floria verschloss die Haustür. Sie würde alle hier vermissen, wenn sie wieder anfinge zu arbeiten.

      In der Küche hörte sie Emmas Gelächter.

      »Ja, Susan, das solltest du tun. Ich habe auch den Eindruck, dass du ein ganz klein wenig heiser klingst. Thomas ist aber kein Hals-Nasen-Ohrenarzt.«

      »Macht nichts. Ich werde mich morgen mal bei ihm anmelden.« »Brich ihm nicht das Herz.«

      »Ich werde sehr vorsichtig sein, Emma. Versprochen.«

      Ach Susan, dachte Floria. Du verliebst dich jeden Tag neu.

      Susan und Thomas

      Gegen Abend hatte Susan ihren Termin in Thomas’ Praxis.

      Floria saß mit Emma allein in der Küche. Sie hatten die Fenster weit geöffnet. Eine Amsel sang auf dem höchsten Ast des Apfelbaumes ihr Abendlied. Die Töne schraubten sich immer höher in den Himmel.

      »Wie schön.« Emma hob den Kopf und schlug ihr Buch zu. »Komm, Kind!« Sie verstanden sich ohne Worte. Arm in Arm schritten sie durch den Garten. Im hinteren Teil stand versteckt eine Gartenbank.

      »Ach, Emma, wie oft haben wir hier gesessen und der Amsel zugehört. Ob es immer noch dieselbe ist?« Sie seufzte. »Ich war in den letzten Jahren viel zu selten hier.«

      Emma drückte Florias Arm. »Du warst immer bei Alex und mir. Wir haben die Musik, die du uns geschickt hast, gehört und viel von dir gesprochen.«

      »Emma …«

      »Ich weiß, Kind, du musst wieder gehen, es ist dein Leben. Deine Karriere.«

      Floria berichtete Emma von ihren Fortschritten bei Laura und dass sie endlich Erfolg bei ihrem Stimmtrainer hatte.

      »Ich habe vor Wochen die Kopie von Christofs Liedern an einen befreundeten Dirigenten geschickt und ihn gebeten mir mitzuteilen, was er davon hält.«

      Kurt war nicht irgendein Dirigent. Mit ihm arbeiten zu dürfen, war Privileg und Herausforderung zugleich. Er hatte ihr einmal gesagt: »Du weißt, dass ich deine Stimme liebe.« Ein ungeheures Kompliment.

      Sie sprach von ihrer Hoffnung, dass Kurt die Einspielung der Lieder und Arien, die Christof Corman für sie komponiert hatte, übernehmen würde.

      »Wenn er das tut, muss ich gehen.«

      »Emma?« Alex marschierte auf sie zu. »Hier seid ihr also. Hab ich es mir doch gedacht.«

      Er ließ sich neben Emma auf die Bank fallen und seufzte.

      »Diese jungen Leute. Kein Verlass mehr. Sagt mir doch dieser junge Dachs in letzter Sekunde ab.«

      »Von wem sprichst du mein Lieber?«

      Emma legte ihre Hand auf Alex’ Arm.

      »Na, von Thomas natürlich. Wir wollten Schach spielen.«

      »Hat er dich etwa sitzen lassen, mit welcher Begründung?«

      »Er will essen gehen, mit deiner Freundin!« Alex beugte sich nach vorn und sah anklagend an Emma vorbei Floria an.

      »Weiber«, quengelte er.

      Floria und Emma prusteten gleichzeitig los. Alex schüttelte fassungslos den Kopf. »Was?«

      »Du Armer«, Emma streichelte seine Hand. »Unfassbar, dass ein gesunder junger Mann lieber mit einer schönen Frau ausgeht, als mit einem alten Kerl wie dir Schach zu spielen.«

      Floria wischte sich die Lachtränen aus den Augen und stand auf.

      »Mir wird es zu kalt, lasst uns reingehen. Wir könnten Halma spielen, so wie früher.«

      »Oder Mensch-ärgere-dich-nicht«, schlug Emma amüsiert vor.

      »Ich bemerke, wenn mich jemand nicht ernst nimmt, Emma.« Alex reichte ihr liebevoll den Arm und ging mit ihr zurück zum Haus.

      »Post.«

      Susan warf den Stapel achtlos auf den Küchentisch. Sie gähnte ausgiebig und griff nach der Kaffeekanne.

      »Spät geworden, gestern? Ich hab dich gar nicht mehr kommen hören.«

      »Ja, es war spät. Ich habe mich bemüht leise zu sein.«

      »Erzähl, wie war es? Alex hat sich beschwert, dass seine Schachpartie ausfallen musste.«

      »Thomas ist es sichtlich schwer gefallen, ihm abzusagen.«

      »Wie ich dich kenne, hast du ihm keine Wahl gelassen«, meinte Floria.

      »Nein, natürlich nicht.«

      »Armer Thomas, er hat keine Chance.«

      »Der wird schon wissen, was er tut. Alles Werbung«, murmelte Emma, während sie durch die Kuverts blätterte.

      Einen der Umschläge reichte sie Floria. »Für dich.«

      Floria sah auf den Absender. Eine flüchtige Röte überzog ihr Gesicht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Kurt handschriftlich antworten würde.

      Hoffentlich ist das kein schlechtes Zeichen, dachte sie.

      Bevor sie es verhindern konnte, hatte Susan den Umschlag an sich genommen und umgedreht.

      »Seit wann korrespondierst du mit Kurt?«

      »Das geht dich nichts an.« Sie riss ihrer Freundin den Brief aus der Hand. Susan war unglaublich neugierig, aber sie tratschte nicht. Was man ihr anvertraute, behielt sie für sich.

      »Willst du den Brief nicht lesen?« Emma sah sie über ihre Brille hinweg an.

      »Ich trau mich nicht, ihn zu öffnen.«

      »Könnt ihr mich vielleicht mal an eurem Gespräch teilhaben lassen?«

      Endlich weihte Floria Susan ein.

      »Ich wollte dir nichts sagen, bevor ich nicht sicher war, ob ich durchhalten würde.«

      »Ich sollte dir die Freundschaft kündigen. Es wäre nicht nötig gewesen, mich auszuschließen.«