Traurige Strände. A.B. Exner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.B. Exner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847665212
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sogar alle denkbaren Freiheiten ließ. Fakt 3: ich kannte die Frau nicht. Nummer 4? Mein Ego sagte Nein. Ein langes, lautes Ausatmen meinerseits ließ sie aufhorchen. Sie richtete sich auf. Sah mich an. Tiefblaue Augen, warme Augen. Ehrliche Augen? Ich wusste es nicht. Wieder atmete ich laut aus. Sie reagierte nicht darauf, sah mich nur an. Sie legte sich, nach einem langen Blick in meine Augen, wieder hin. Ich wollte ihre Frage nicht beantworten, ihr nicht die Einwilligung geben, dass all meine Erkenntnisse nur ihr zur Verfügung standen. Wer jetzt als Erster sprach, hatte diese wortlose Diskussion verloren. Sie lag mit geschlossenen Augen neben mir. Der Wind wehte ihr das Haar vom rechten Ohr. Fantastische Ohren.

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       EUGEN BÖTTCHER

      Mein Gott.

       Auf diese Frau aufzupassen hatte was Spezielles.

       Sie nervte, sie tappte in Fallen, war nicht beziehungsfähig und extrem von sich eingenommen – egal wie sie sich selbst zu beschreiben pflegte.

       Sie war schlau und klug. Eine Konstellation, die selten genug vorkommt.

       Jedoch reduzierte sie ihre Klugheit auf den Job und die Schläue auf ihr privates Gehabe.

       „Leben“, will ich diese ewige Suche nach dem Sinn des eigenen Daseins nicht nennen.

       Sie ließ sich immer wieder ein. Auf was auch immer.

       Ihr Gehirn signalisierte bei allem was sie tat stets zu früh Entwarnung.

       Selbst wenn sie sich direkt vor ihrer Stammkneipe mit einem Kerl prügelte, was ich wohl ein Dutzend Mal erlebt hatte, war sie immer der Meinung zu gewinnen. Sie kannte dann keine Scheu.

       Nur dann. Ob der Alkohol, von dem einiges in diese kleine Frau reinpasste, eine Rolle spielte, war nicht klar.

       Was deutlich wurde, immer wieder, war, dass sie sich nüchtern eher zurückzog, ihren Weltschmerz pflegte – auch mit Alkohol, womit dann die andere Liska Wollke wieder zum Vorschein kam.

       Ein Teufelskreis?

       Liska Jekill und Wollke Hyde?

       Ich wusste es nicht.

       Hätten die Typen, mit denen sie sich schlug, ernst gemacht, dann hätte Frau Doktor als Fleischsalat mit zu hohem Alkoholgehalt in der Pathologie geendet. Dass diese Männer aber nie ernst machten, begriff sie nicht.

       Selbst in ihrem Boxclub in der, wie sollte es anders sein, Boxhagener Straße, war sie verschrien als üble Draufgängerin, die nie sportlich fair blieb.

       Genau deshalb wurde sie dort geduldet.

       Sie war das Extrem, das Besondere, der sportlich nicht kalkulierbare Gegner.

       Dieses durch mich eher verachtete Wesen hatte ich zu überwachen. Permanent.

       Liska Wolke hatte vor Jahren einen ersten Kontakt zum Finanzamt. Damals musste sie ihre Steuern zum ersten Mal abrechnen. Was sie auf eine Art und Weise tat, wie sie alles tat.

       Sie ging mit allen Unterlagen, Verträgen, Quittungen und was sich da sonst noch so anhäuft ins Finanzamt Berlin Steglitz. Dort entleerte sie die vier Schuhkartons auf dem Tisch des Sachbearbeiters.

       Sodann kam die typische Liska Wollke Nummer.

       „Bitte helfen sie mir…“

       „Ich kenn mich doch nicht aus…“

       „Er hat mich verlassen…“

       „Mein Vater schuldet mir noch so viel Geld…“

       „Es ist das allererste Mal…“

       Weshalb Metin damals darauf ansprang, wird er nicht mehr berichten können.

       Laut den Ermittlungsakten hatten die beiden in der folgenden Nacht Sex und Liska Wollke nie wieder Probleme mit ihrer Steuererklärung.

       Die Sinnfälligkeit der offensichtlich hormonell gesteuerten Vereinbarung der Beiden passte prima in das Gesamtkonzept, sowohl in das von Liska, als auch in das von Metin.

       Es gibt zwei Arten für Licht zu sorgen, man kann die Kerze sein, oder der Spiegel der das Licht reflektiert. Das sagte Edith Warton, die Spötterin der oberen Gesellschaftsklassen. Sie sagte dies vor etwa einhundert Jahren.

       In jedem Fall war in der Beziehung der Beiden zu Observierenden Liska die Kerze und Metin der alte Taschenspiegel.

       In seinem eigentlichen Job aber war Metin definitiv der Flakscheinwerfer.

       Und jetzt spreche ich nicht von seiner Tätigkeit im Finanzamt.

       Er hatte noch einen anderen, seinen Hauptjob.

       Er war derjenige, an dem ich mir die Zähne ausbiss.

       An einem blassen Sonntagmorgen konnte ich von meiner Wohnung aus wieder mal die wunderbaren Brüste von Liska sehen, als sie sich aus dem Fenster beugte.

       Sie hatte mich am Abend vorher, wie so oft, in der „stadtgöre“ beschimpft.

       Als Dekolletéchecker.

       Ich liebe Alkohol – aber er mich nicht.

       Somit riss ich mich, schon allein, weil ich auf Liska aufzupassen hatte, an diesem Abend wieder einmal zusammen und trank nur Radler. Ich hatte eben Bereitschaft.

       Wenige Minuten bevor die Beiden Metins Wohnung erreichten, waren meine drei Bildschirme schon warmgelaufen.

       Das was Metin dann als Sex mit Liska zelebrierte, hätte man zehn Minuten vor dem Sandmann senden können und nicht einmal aus Bayern hätten empörte Eltern angerufen. Naja…

       Die folgenden Stunden des Sonntagnachmittags waren recht ruhig.

      Am Abend dann hatte Metin den entscheidenden, sein Leben beendenden Besuch.

       Die Aufnahmen waren eindeutig. Es war ein Unfall. Noch dazu von Metin selbst verschuldet.

       Er war einfach saudumm gestürzt, wenn auch aus Angst. Etwa dreißig Minuten nachdem die Wohnungstür wie von der Kraft eines Panzers aufgebrochen wurde.

       Metins Besucher war mindestens einen Meter und fünfundneunzig hoch. Im Bereich der Schultern verfügte er über eine erstaunliche Breite. Der Typ sah einfach nur blöde aus. Als er den Mund aufmachte, gab er Bemerkungen von sich, die das Bildungsproblem unseres Landes offenbarten.

       Was auch die Tonspur des Videos bewies.

       Er war, auch nach mehrmaligem Abhören dessen was er als Audio hinterließ, ein miserabel integrierter Landsmann Metins, hätte unser Innenminister jetzt resümiert. Allerdings wusste ich es besser als der Herr Minister. Der Typ hieß Xetar Gulper und war Polizist. Er ermittelte gegen seine eigenen Leute, gegen Türken. Er war kein deutscher Polizist.

       Sofort wandte sich Xetar Gulper der Küche zu, ging zu einer an der Speisekammertür hängenden Pinnwand.

       Nach der Zerstörung der Pinnwand war er – wie soll ich es ausdrücken - sichtlich sauer.

       Er nahm sich Metin zur Brust, wollte wissen, wer seine Pinnwand habe. Metin, das belegten die Bilder aus unserer Überwachung eindeutig, flüchtete ins Schlafzimmer. Der Große war ebenso schnell. Es kam zum offensichtlichen Streit um Metins Handy. Dieses Intermezzo endete darin, dass der Besucher offensichtlich die Wahlwiederholungstaste drückte. So präzis sind unsere Kameras inzwischen. Ich amüsiere mich immer wie das Fernsehen die Zuschauer auf den Arm nimmt, wenn denen irgendwelche Grautonbilder im Tatort oder Polizeiruf 110 angeboten werden. Metin flüchtete sich aus dem Zimmer ins Klo und trat auf die Haarbürste, die Liska wohl hatte fallen lassen. Er erschrak, rutschte weg und schlug mit dem Kopf erst auf die Kante des Waschbeckens, dann auf den Rand der Duschwanne. Der Ton des Aufpralls kulminierte in einem Geräusch, welches einem erst richtig Angst einjagte, wenn man es ohne die Videobilder „genoss“. Nur Ton. Ich kannte das Geräusch, wenn ein Schädel birst. Aus eigenen Erleben. Der Große besah sich die Situation, tastete an Metins Halsschlagader herum. Offensichtlich erfolglos. Dann hob er die Bürste auf, legte diese auf den Rand des marmornen Waschbeckens und verließ die Wohnung. Da der Mann kein Mörder war, überließ ich dessen