Traurige Strände. A.B. Exner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.B. Exner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847665212
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Sein Ringfinger tat Selbiges mit der Rechten.

       Sein Mittelfinger war, nennen wir es … zentral zu Gange.

       Ich hatte keinen Bock mehr. Er jedoch gab sich redlich Mühe.

       Mein Gott, dieser Kerl, Nikolaus, war elf Jahre jünger als ich, Nichtraucher, Nichttrinker, Sportstudent und geil.

       Permanent.

       Und vor wenigen Stunden noch Jungfrau.

       Petting verstand er. Bumsen lehrte ich ihn gerade.

       Und Pausen gehörten zum Bumsen.

       Ich küsste ihm seinen Scheitel, löste mich von ihm und ging unter die Dusche.

       Wie kam ein Deutscher dazu, in Ankara Sport zu studieren, um Sportpsychologe zu werden?

       Die Erklärung war simpel. Seine Eltern waren Türken. Er wollte einfach die Heimat seiner Familie kennenlernen. Die vier Jahre Studium würden ganz prima in seine Vita passen.

       Seit einem Jahr war Nikolaus Demir in Ankara. Seine Sportpsychologiedozentinnen war ein ehemalige Kommilitonin von meiner Hatice.

       Sie hieß Pinar. Der Name bedeutete „die Quelle“.

       Was zweifelsohne stimmte.

       Pinar war eine Quelle. Eine Quelle der sprudelnden Worte.

       Ich schwöre bei dem wenigen was mir lieb ist, ich kenne keinen Menschen, der in der Lage ist dreisprachig derart geschwind zu parlieren.

       Pinar versuchte sich gar nicht erst als Sprachethikerin.

       Keinesfalls wenigstens im Deutschen, dass sie leidlich sprach. Nach den Reaktionen der anderen, die des Türkischen mächtig waren, auch nicht in Ihrer Muttersprache.

       Im Englischen aber.

       Mein Gott, ich schloss die Augen, wenn sie sprach.

       Ihre wahrlich saubere Diktion hatte was Erotisches.

       Sie sprach Porno-Oxford.

       Ihre Figur versprach viel. Ob sie es hielt, konnten nur wenige Männer beurteilen. Wenn ich es richtig erfasst hatte, nur Drei.

       Darunter nicht ein Türke.

       Ich hätte sie gern nackt gesehen. Ich mag Menschen wenn sie nackt sind am liebsten. Ich stellte mir manchmal vor, wie ich in der Sauna sitze oder an einem verlassenen Strand neben einem nackten Mann im letzten Achtel seines Lebens. Und einen Tag später erfahren sie aus dem Fernsehen, dass der Kerl der Papst war? Sowas fänd ich als Erlebnis mal so richtig geil.

       Okay, einverstanden. Sorry an Dr. Liska Wollke.

       Der Begriff „geil“ im Kontext mit dem Papst… ich entschuldigte mich vor mir selbst.

       Und ich nahm die Entschuldigung an.

       Jedoch, allein schon der Gedanke.

       Pinar überzeugte durch pure Präsenz. Durch Vorhandensein. Anwesenheit.

       In der Universität kleidete sie sich, nun, ich halte angemessen, für einen flexiblen Begriff. Sie hielt sich grob an die Kleiderordnung der Universität. Hosenanzüge in jeder Farbe und jedem Schnitt. Nie Röcke, in Notfällen Kleider und auf gar keinen Fall türkische Folklore. Am Abend meiner Anreise verabredeten wir uns für den kommenden Nachmittag zu einem Ausflug. Der Dekan der Uni hatte an einem südlich von Ankara gelegenen See ein Wochenenddomizil. Einmal im Jahr wurden die Besten der Fakultäten und die Lieblinge der Studenten dorthin eingeladen. Immer mit dabei war eine Vertretung der ausländischen Studenten. Gleichzeitig war es wohl das letzte Fest, welches der Dekan austragen würde. Im Dezember würde er seinen einundachtzigsten Geburtstag begehen. Das Fest sollte in fast einer Woche steigen und Pinar war im Vorbereitungskomitee. Komitee war übertrieben. Sie organisierte, fuhr einmal täglich raus, um Wünsche der Studenten mit dem abzustimmen, was der Dekan zuließ. Es gelang ihr meist, die Differenzen auszuräumen. Ich mochte sie von der ersten Sekunde an. Pinar roch fantastisch, hatte unter den Hosenanzügen oder den Arbeitsmonturen sicherlich auch eine interessante Figur. Ihre Ohren passten in mein Akzeptanzfenster. Unser erstes längeres Gespräch fand auf dem Weg zwischen dem Strand, dem Grill der Küche und dem Parkplatz statt. Immer unterbrochen von irgendwelchen Anweisungen in ihrer Muttersprache, die ich nicht mal ansatzweise zu deuten vermochte. Immer aber reagierten die Studenten sofort und wirbelten mit einer nicht zu übersehenden Euphorie. Sie gehorchten Pinar gern und sogleich. Dann stand dieser Typ an dem Transporter. Nikolaus Demir. Er lud Kisten aus, hatte sein Hemd abgelegt. Der Wagen stand im Schatten einer Pinie. Gegen das Licht konnte ich nur den fantastischen Oberkörper eines Turners sehen. Als Pinar ihn rief, zog er den Kopf aus dem Laderaum des Fahrzeugs. Er hatte nahezu perfekte Ohrmuscheln. Ich bot mich an, hier zu helfen. Pinar grinste, verstand und verschwand. Eine Stunde später war ich fertig. Die Kisten waren einfach zu schwer. Mein besinnliches, sportfreies, deutsches Wohlstandsleben hatte Spuren hinterlassen. Der Bengel neben mir schwitzte eine, zugegebenermaßen wundervolle, Spannung aus. Ich wollte ihn, was er nicht wusste. Hoffentlich. Ein Abendbrot und ein nächtliches Schwimmen später wusste ich es besser. Er war ein guter Sportler, ein fleißiger Schüler. Punkt. Mehr nicht. Er hatte keinerlei Lebenserfahrung. Nikolaus Demir fehlte dieses Quäntchen an Abgeklärtheit Er hatte die Weisheit mit der Gabel gegessen. Nicht mit dem Löffel. Nein, auch kein Löffelchen. Wenn es bei ihm um Löffelchen ging, dann war das eine Pause zwischen zwei Orgasmen. Seinen Orgasmen. Meine waren da schon erledigt. Und doch war es schön. Ich würde es zulassen, mich vergnügen und mich bald von ihm verabschieden. In ein paar Tagen. Ziel meiner Reise war ja kein Erotikon von der Türkei zu erstellen, sondern meiner Arbeit, somit meinem Hobby zu frönen. In der Nacht durfte er bei mir schlafen. Schon am nächsten Morgen war folgendes klar: Er war wie ein leerer Hörsaal, er hatte keine Klasse. Bezogen auf seinen Horizont, sein Verständnis, seine Toleranz und Akzeptanz. Dennoch war Nikolaus auch in der kommenden Nacht mein Gast. Pinar nahm das alles sehr gelassen. Am zweiten Tag der Vorbereitungen zum Fest des Dekans brachte ich ohne Umschweife das Gespräch auf diesen jungen Kerl. Sie wusste, dass ich nur den Spaß suchte und akzeptierte das. Nach weniger als einer Stunde mussten wir, Pinar und ich, zurück zur Universität. Mehr war hier jetzt auch nicht zu tun. Im Auto unterhielten wir uns über die versprochenen Kriminalstatistiken. Die Psychologen hatten offiziell den Dekan angefragt, ob ich die Unterlagen einsehen dürfe. Scheiße. Sie hatte anfragen müssen. Der entsprechende Abteilungsleiter war Pinar gewogen. Das wollte sie mir zuliebe nutzen. Die Ankara Üniversitesi hatte eine ähnliche Genehmigungsstruktur wie eine ebenbürtige deutsche Lehreinrichtung. Zu Zeiten des Kaisers. Pinar wollte mir helfen. Sie warf mich am Kurtulus Park aus dem Auto und bat mich um Geduld. Mir ging es nicht gut. Bekam sie Ärger? Ich suchte mir eine Bank und entschied mich dann doch für einen schattigen Wiesenplatz. Ich nahm mir vor, Kontakt in die Heimat zu suchen. Mein Telefonino hatte ich seit fast einer Woche nicht in der Hand gehabt. Ich schaltete es ein und war nach der Pineingabe sofort geschockt. Heidi hatte achtmal angerufen. Siebzehn unbekannte Nummern. Zwei Rufnummern aus der heimatlichen Uni. Die Polizeinummern hatte ich mir alle abgespeichert. Die Dienststelle in meinem Heimatbezirk führte mit sechs Versuchen vor denen, die den Überfall in meinem Büro bearbeiteten. Opa Beyer hatte es zweimal versucht. Dann hörte ich von der Mailbox, dass die Polizei mich doch nochmal sehr gern sehen würde. Nähere Erläuterungen waren von keinem der Beamten zu hören. Heidi war erbost, sauer, konsterniert, verdattert, verwirrt, traurig, besorgt und klagend – jeder Spruch in meiner Box unter einem anderen emotionalen Stern. Sie hatte ja Recht. Ich hatte sie einfach ignoriert, hatte Heidi verraten. Ja, ich war meinem ureigenen Egoismus erlegen. Wieder einmal. Naja, immerhin war hier ein Sportstudent in den vergangenen Tagen und zugegebenermaßen auch in den Nächten mehrfach bemüht mich zu erfreuen und mir das Kleinhirn aus dem Schädel zu vögeln. „Verzeih mir Heidi“, murmelte ich. Zwei der unbekannten Nummern waren angeblich Journalisten die Näheres zu meiner Arbeit wissen wollten. Zwei weitere, eher Reporter als Journalisten interessierte nur mein Verhältnis zu Metin. Mein Professor informierte mich, dass die Promotionsurkunde auf postalischem Weg zu mir sei. Eine Kollegin wollte was Dienstliches – die konnte mich mal. Metins Testamentsvollstreckungsanwalt – der konnte mich dito. Opa Beyer klang sehr besorgt. Ich solle dringend meine Mails checken und auf die Sachen achten, die nicht in der Mail stünden. Und dann rief mich meine Bank an. Es gäbe da ein Problem mit einem Dauerauftrag