Traurige Strände. A.B. Exner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.B. Exner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847665212
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fehlte was. Eben wollte ich mich um meine Mails kümmern, als Pinar wieder erschien. Ich erkannte sie erst auf den dritten Blick – nein vermutlich mutmaßte ich beim dritten Blick nur, dass sie es eventuell sein könnte. Beim zweiten Hinsehen nach diesem dritten Blick war ich dann sicher. WOW. Sie trug ein sehr mageres, unten ausgefranstes Shirt. Ohne Büstenhalter. Entweder wollte sie mit ihren angenehm üppigen Brüsten einen Kerl anlocken oder einen hungrigen Säugling. Beides hätte funktioniert. Die Länge, respektive die Kürze der Jeans hätten in Teheran die Todesstrafe durch Steinigung nach sich gezogen. Aber selbst auf dem Times Square in New York wäre in diesen Klamotten die Sittlichkeit durch die Polizisten überprüft worden. Glaube ich. Bis eben hatte ich Pinar immer nur in einem Hosenanzug oder in dem Arbeitsoverall gesehen. Jetzt erst wurde mir klar, wie attraktiv diese Frau war. Sie war einen halben Kopf größer als ich, war um Einiges attraktiver und natürlich jünger. Ihre Turnschuhe, Chucks mit blauen Totenköpfen, waren nicht zugeknotet. Die Senkel hingen lose als Knotenbündel herunter. Eine lange, rote Narbe am inneren Schenkel des linken Beins wirkte nicht einmal störend. Ich war so begeistert. So warm berührt. So angenehm überrascht. So geil. Ich war plötzlich geil – na und. Natürlich hatte ich auch schon sexuelle Erlebnisse mit Frauen. Das machte mehr Spaß. Frauen wissen wie weit sie gehen dürfen, orientieren sich am Partner. Männer wissen sowas, glaube ich, nur nach mehreren Jahren mit ein und derselben Frau. Mit Männern wurde gefickt, mit Frauen hatte ich erfüllenden Sex. Mit Pinar könnte ich mir vorstellen… aber das würde jetzt wohl einiges durcheinander bringen. Ich wusste ja auch überhaupt nicht, wie sie dazu stünde. Ich räusperte mich, schluckte den Kloß in meinem Hals runter und erwartete ihre Reaktion. Glücklich sah sie nicht aus. Sie setzte sich neben mich. Die Unterlagen würden mir auf gar keinen Fall ausgehändigt. Ihre zu aufreizende Kleidung konnte ihr auch nicht helfen. Auch wenn das, wie sie mir später gestand, in abgeschwächter Form, eher schon ihr bevorzugter Privatlook war, in dem sie auch schon von dem zu becircenden Kollegen gesehen worden war. Da diesem damals die Augen raus fielen, wollte sie dessen Schrecksekunde nutzen, in der ihm das Blut in die Lenden rauschte, um die Akten einzusammeln und zu verschwinden. Blöderweise war genau dieser Kollege, den sie verwirren wollte, zu einem Arztbesuch außer Haus. Dessen dreißig Jahre ältere, noch dazu weibliche Vertretung war extrem verwirrt bei Pinars Bitte. Sie hätte jetzt behaupten können, dass es mit deren Chef so abgesprochen war. Dann hätte die Vertretung aber nur das Handy des Abteilungsleiters anrufen müssen. Das konnte Pinar nicht riskieren. Das hätte ich auch nie von ihr verlangt. Arme Pinar. Sie lag mir einfach in den Armen. Nun gut, es hatte nicht sollen sein. Dann eben etwas mehr Erholung und Urlaub als Arbeit und Studium neuer Fakten. In drei Tagen spätestens wollte ich sowieso weiter. Weiter die Schwarzmeerküste entlang. Prioritätenliste erstellen. Prüfen. Sinnfälligkeitsgegencheck und LOS. Priorität Eins: Pinar eindeutig zeigen, dass ich nicht enttäuscht war. Prio zwei: Opa Beyers Mail. Prio drei: Die anderen Anrufe – ja, da war Wichtiges dabei. Dann Vorbereitung der kommenden Reiseziele. Prüfung? Den Check schenkte ich mir genauso wie die Prüfung. Also LOS. Pinar sah ein, dass sie selbst sich weiter aus dem Fenster gelehnt hatte, als ich erwartet hatte. Ich hatte ja nichts vorausgesetzt. Ich war eben davon ausgegangen, dass es offizielle Studien auch zur offiziellen Einsicht gab. So saßen wir auf der Wiese im Park und beruhigten uns gegenseitig. Es war ein Samstag am späten Nachmittag. Klar war, dass ich weiter wollte, allerdings erst am morgigen Abend. Oder spätestens übermorgen. Ankara, die türkische Hauptstadt sollte schon noch einige interessante Ecken haben, die mich zum Verweilen bewegen hätten können. Ich entschied mich gegen das Verweilen und für das Wiederkommen. Später. Ich würde dann noch einen letzten Versuchsballon bei Nezahat starten. Sie war mir ja sowohl von Hatice als auch von Tülin empfohlen worden. Die Frau aus dem Innenministerium. Pinar verstand mich. Begriff, dass ich auf einem Trip war, der keine Pausen, keine Verweilen zuließ. Jetzt aber wollte die Dozentin erst einmal aus den Klamotten raus. Ich fand es äußerst anregend und wirklich sexy – was ich ihr sagte. Ihr rundes, wundervoll offenes Antlitz lief puterrot an. Pinar senkte den Blick und ließ sich zu keiner Reaktion verleiten. Wie es so meine Art war, legte ich nach. Ohne Plüschhandschuhe, mit Respekt, doch ohne Rücksicht. Ich sah sie an und beschrieb ihr meine Empfindungen. Die Modulation meiner Stimme drückte dabei wie immer das aus, was ich meinte. Meine Worte dagegen, ich hatte es nie anders gelernt, waren die blanke Zerstörung. Verbale Schrapnelle. Sie setzte sich zu mir und hinterfragte. Unsere Blicke trafen sich – unsere Hände auch. Sie verstand, dass ich nicht irgendwelche pubertären, maskulinen Mustersätze zelebrierte um sie ins Bett zu bekommen, sondern das meine Aussagen einfach nur meine ehrliche, wenn auch ungehobelte Meinung darstellten. Nach einigen Minuten wurde aus meinem Vortrag ein ungemein ehrlicher Dialog. Der Nachmittag auf dieser Wiese, mitten in der türkischen Hauptstadt, endete in einem langen, lächelnden Blick in wundervolle braune Augen. Bis der blöde Teeverkäufer sein, glücklicherweise nicht kochendes, Wasser über meine Beine ergoss. Eine laue Unterbrechung – mehr nicht. Ich spendierte Pinar ein monumentales Abendessen. Vor dem viel zu süßen Nachtisch, ganz plötzlich, wusste ich was mir am Tag im Park auf der Wiese als fehlend aufgefallen war. Die Nervtante. Elenea Plitechna hatte sich nicht auf meiner Mailbox verewigt. Auch bei den Nummern, die unverrichteter Dinge wieder aufgelegt hatten, war die Nummer der Verlagstante nicht vertreten. Was mich wunderte. Sehr. Pinar war an diesem Abend extrem offen zu mir. Sie offenbarte mir ihre Lust. Sie hatte Lust. Und ja, wir verbrachten die Nacht miteinander – ohne Männer. Obwohl, nach meiner ersten Eroberung, dem Sportstudenten Nikolaus Demir, war ich ja nur noch einen Mann von einem knackigen Dreier entfernt. Das ist auch so ein Thema. Für später. Wollte ich einen Orgasmus, suchte ich mir einen Kerl oder griff in mein Nachtschränkchen. Sehnte ich mich nach Erotik schlief ich mit einer Frau oder mit Metin. Der hatte meine Knospen und Rezeptoren immer im Griff. Er hatte meist gewusst wie ich es wollte, und er sah mich immer schweigend an. Keiner von uns wäre selbst beim Orgasmus je laut geworden. Wir liebten uns immer in aller Stille. Es hatte immer etwas vom Anblick einer stillen, alle Sinne erfüllenden schneebedeckten Waldlichtung wenn wir uns gleichzeitig orgiastisch entspannten. Ein stiller Genuss. Kein wildes Schreien. Kein Ficken. Ein erotisches Ergänzen. Ich vermisste ihn. Jetzt brauchte ich etwas anderes. Seit Metin hatte ich nicht mehr gevögelt. Aber gut, bei meinem Sportler Nikolaus endete jedes Betrachten einer Frau sowieso in einem Paarungsversuch. Ich war nur diejenige, bei der es zum ersten Mal geklappt hatte. Diese Information stammte nicht nur von ihm, sondern Pinar konnte bestätigen, dass er aufgrund seiner Herkunft bei allen Mädchen immer wieder abgeblitzt war. Die Schlagzeile in der BILD hätte gelautet: „Rassismus in der Türkei – Deutscher wartet Jahre auf Entjungferung – Deutsche Frau opfert sich“ Er wollte sein neu entdecktes Hobby ausleben. Mit mir. Ob ich damit eine großartige Sportlerkarriere beendete? Es war mir schnurz! Der lebte jetzt seinen pubertären Gefühlsansturm aus. Ich hatte was davon, also war es mir egal, wie es weiter gehen würde. Eine Zukunft hatten wir nicht. Keine gemeinsame Zukunft. Komischerweise war ihm das nicht klar. Er klammerte, wollte mich in den Semesterferien besuchen, mich sogar begleiten. Dem war nichts klar. Er war nicht doof. Aber auf der Waschanleitung in seinen Shorts hätte stehen müssen: „Ask your mom!“ Ihm fehlte die Weisheit der Abgeklärtheit der Menschen, die in ihrem Leben schon öfter auf der Fresse gelegen hatten. Er konnte Sport. Kannte das Leben aber noch nicht. Der war nicht verliebt, der war fixiert. Einpolig auf mich fixiert. Er klammerte. Große Scheiße. Ich versuchte alles, um einen Abend vor meiner Abreise die Situation zu klären und mich dann zurück zu ziehen. Pinar hatte mir empfohlen auf Vernunft zu setzen. Ich setzte auf Alkohol. In dieser Beziehung war ich gegen diesen Sportler austrainiert, wettkampfreif. Natürlich landeten wir im Bett, woran er sich jedoch nicht erinnern dürfte. Zumal nichts passierte. Zumindest in der Nacht. Am kommenden Morgen stand fest, dass er Alkohol nicht vertrug. Wo andere Leute eine Speiseröhre hatten, saß bei mir die Trinkröhre. Bei ihm hatte die Natur dort einen Alkohollift hinein gebaut. Nikolaus Demir hatte mit Sicherheit alles wieder erbrochen, was er getrunken hatte. Nachdem wir sein Zimmer gemeinsam geputzt hatten, seine Dusche gemeinsam benutzt hatten, das Frühstück beide hatten stehen lassen, war es Zeit sich zu verabschieden. Nach einem längeren Gespräch verabschiedeten wir uns. Dreimal. Beim dritten Mal lag ich oben und holte es mir so wie ich es brauchte. Nach einem langen Kuss ging ich erneut unter die Dusche. Nur mit einem Handtuch auf dem Kopf betrat ich ein paar Minuten später wieder das Zimmer. Ich blickte aus dem Fenster. Beton. Schlimmer als in Berlin Marzahn. Ich spürte seine Blicke auf meinem Arsch. Er fragte mich: „Hast