Gute Welt, böse Welt. Andie Cloutier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andie Cloutier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748513667
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leider sah sie im Garten, wie ihr Mann eine Leiche vergrub.

      Eric würde einer Scheidung niemals zustimmen. Er hatte jemanden bezahlt, der seine Eltern ermordete und im Anschluss daran den Mörder selbst getötet. Sophia konnte sich vorstellen, was mit ihr geschehen würde, wenn sie das Thema Scheidung auch nur ansprechen sollte.

      Endlich war ihre Haltestation erreicht. Sie war froh, als der Bus anhielt und sie aussteigen konnte. Um sich gegen den eisigen Regen zu wappnen, schlug Sophia ihren Kragen so hoch wie möglich und machte sich auf den Weg zur Apotheke. Von Dr. Brandt stärkere Tabletten zu verlangen, war Erics Wunsch gewesen, nicht ihrer. Da Erics Wunsch ihr allerdings Befehl war, hatte sie Dr. Brandt darum gebeten. Die Therapeutin war alles andere als begeistert, aber sie hatte Sophias Bitte schließlich nachgegeben. Sophia hatte das Rezept und sie holte die Tabletten auch in der Apotheke ab. Aber es bedeutete nicht, dass sie diese auch einnehmen würde. Das hatte sie nämlich auf gar keinen Fall vor. Sie war Mutter von zwei Kindern. Sie konnte und wollte ihren Kindern keine Mutter zumuten, die von Medikamenten völlig benebelt war.

      Als sie endlich ihr Zuhause erreichte, zitterte sie vor Kälte am ganzen Körper. Ihre Kleidung war bis auf die Haut durchnässt und Sophia fror erbärmlich. Den dunkelgrauen Jaguar in der Einfahrt bemerkte sie gar nicht. Sie schloss die Haustür auf und betrat das Haus. Die angenehme Wärme konnte sie nur auf dem Gesicht spüren. Alle anderen Körperteile fühlten sich taub an. Sophia ging zur Treppe, wollte hinauf in das Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Sich vielleicht kurz unter die heiße Dusche stellen, um die Kälte aus ihren Gliedern zu vertreiben.

      Erics Stimme ließ sie innehalten. „Da bist du ja endlich! Bring unserem Gast doch bitte einen heißen Kaffee. Den kann man bei diesem furchtbaren Wetter heute gut gebrauchen“, schallte es aus dem Arbeitszimmer.

      Leon starrte das vor ihm auf dem Schreibtisch liegende Handy missmutig an. Er hatte den Anruf verpasst. Warum war er auch trainieren gefahren? Ausgerechnet heute. Körperliche Fitness war wichtig, aber heute hätte er einen großen Bogen um das Studio seines besten Freundes machen müssen. Er hatte das völlig vergessen, was ein Indiz für seine momentane Unzurechnungsfähigkeit war. Eindeutiger ging es seiner Meinung nach jedenfalls nicht. Die vorwurfsvolle Stimme von Katrin, der Frau seines besten Freundes Milo, hallte immer noch in ihm nach. "Milo ist nicht da. Er ist auf der Geburtstagsfeier deines Vaters."

      Das hätte Leon wissen müssen. Als sie noch Kinder waren, lebte Milo mehr bei ihnen daheim als bei sich zu Hause. Selbstverständlich stattete Milo heute Leons Vater zum Geburtstag einen Besuch ab. Milo war eindeutig der bessere Sohn, auch wenn er gar nicht der leibliche Sohn war. Zu allem Überfluss stand Leon just in dem Moment unter der Dusche, als der Anruf einging. Er war erstaunt und höchstens ein kleines bisschen erfreut über die Nachricht auf seiner Mobilbox. Leon hatte die kurze Nachricht gleich mehrmals abgehört. Natürlich nicht, weil er ihre Stimme mochte. Das hatte rein gar nichts damit zu tun. "Hallo. Hier ist Rebecca Brandt. Ich wollte Ihnen nur kurz mitteilen, dass es mir gut geht."

      Das war eine sehr kurze Nachricht. Die wichtigste Information im Kurzformat. Er wollte zurückrufen, aber vielleicht war es besser erst etwas Zeit verstreichen zu lassen. Sonst wirkte er womöglich noch aufdringlich. Oder sie machte sich falsche Hoffnungen bezüglich seines Interesses an ihrer Person. Was selbstverständlich rein beruflicher Natur war. Wenn er sich das nur oft genug selbst sagte, glaubte er es vielleicht endlich bald selbst. Nur wie viel Zeit musste überhaupt vergehen damit es angemessen war? Sie sollte natürlich auch nicht denken, dass es ihm egal war. Ein paar Stunden? Leon sah auf seine Uhr. Zwei Stunden waren nun schon vergangen. Er könnte aber auch morgen zurückrufen.

      "Ich finde das richtig gut", erklang Dieters Stimme.

      Leon verstand den Zusammenhang nicht. "Was findest du gut?"

      "Weißt du eigentlich wie ich meine Frau kennengelernt habe?" begann Dieter zu erzählen. "Ich war überhaupt nicht auf der Suche. Hatte doch gerade erst meine Ausbildung beendet und konnte solche Komplikationen wirklich nicht gebrauchen. Zum ersten Mal traf ich sie bei einer Friedensdemo. Da dachte ich mir noch, was für eine bekloppte Friedensaktivistin sie sei. Immerhin war das einer meiner ersten Einsätze. Und die Frau war so störrisch. Bei ihrem Anblick dachte ich erst an einen vom Himmel gefallenen Engel, aber wie kann man nur so störrisch sein. Ein Wunder, dass sie nicht verhaftet worden ist. Es dauerte nicht lange, da traf ich sie wieder. Auf dem Parkplatz eines Supermarktes versuchte sie mein Auto zu klauen. Na gut, sie wollte es nicht wirklich klauen. Sie hatte das gleiche Modell, in derselben Farbe und ihr Wagen stand meinem direkt gegenüber. Was ihr aber nicht aufgefallen war. Sie hatte sich nur gewundert, warum der Schlüssel nicht passte und war drauf und dran die Scheibe mit einer Bratpfanne einzuschlagen. So kamen wir ins Gespräch. Oh Gott, das ist schon fast vierzig Jahre her." Leon runzelte irritiert die Stirn. Was versuchte Dieter ihm mitzuteilen?

      Aber Dieter wechselte bereits das Thema. "Die Frühschicht hat in dem Gruselhaus einen Toten gefunden."

      Leon sah ihn verwirrt an. "Was?"

      "Das Gruselhaus in der Bergstraße? Da wurde ein Toter gefunden", wiederholte Dieter langsam, als wäre Leon schwer von Begriff.

      Ausnahmsweise war Leon das auch. Aber wer konnte bei diesem Themenwechsel auch folgen? Allmählich begann er zu realisieren, was Dieter ihm da gerade mitteilte. Das Gruselhaus in der Bergstraße war ihm leider nur allzu bekannt. "Natürliche Todesursache?"

      "Na ja. Verdacht auf Herzinfarkt. Das kann bei einem Mann Mitte dreißig vorkommen. Mal sehen was die Obduktion ergibt." Dieter stellte ein Sparschwein vor Leon auf den Schreibtisch.

      "Wofür ist das?" wollte Leon verblüfft wissen und kratzte sich unbewusst am Kinn. Sein Dreitagebart hatte die Angewohnheit immer dann einem Juckreiz zu verfallen, wenn sich etwas Schlechtes anbahnte.

      Dieter tippte auf den mit den Worten "Scheißwand" beschrifteten Aufkleber. "Steht doch drauf."

      Leon schaute ihn verständnislos an, was Dieter zu einem tiefen Seufzer veranlasste. "Leon, wirklich. Hast du dir die Wände hier in letzter Zeit mal angesehen? Das gesamte Kollegium sammelt, um einen neuen Putz zu finanzieren."

      "Und wieso wollen wir das selbst finanzieren?" fragte Leon verwundert.

      Dieter rollte mit den Augen. "Dank der Etatkürzungen ist eine solche Kleinigkeit nicht drin. Wenn man bedenkt wie viel Zeit wir hier verbringen, sollten wir es doch zumindest ein bisschen schön haben. Und nebenbei auch verhindern, dass uns Bruchstücke auf den Kopf fallen, was diesen Wänden durchaus zuzutrauen ist."

      Leon kramte seinen Geldbeutel heraus. "Wenn wir schon eine interne Spendenaktion machen, sollten wir uns auch gleich eine neue Kaffeemaschine leisten. Die Brühe aus dem antiken Ding schmeckt lausig."

      Dieter seufzte erneut auf. "Eure Ansprüche sind einfach unglaublich. Du willst eine neue Kaffeemaschine, Theo einen neuen Streifenwagen. Darf es sonst noch etwas sein?"

      "Hey, mein Streifenwagen ist diese Woche schon zum zweiten Mal in der Werkstatt", ertönte eine Stimme aus dem Nachbarzimmer.

      "Was an deinen Fahrkünsten oder eher an deinen mangelnden Fahrkünsten liegt, Theo", rief Dieter grinsend zurück. "Und wenn dir der Kaffee hier nicht schmeckt, bring dir doch eine Thermoskanne voll von daheim mit oder steige gleich auf Tee um." Dieter wartete bis Leon einen Schein in den Schlitz des Schweins geschoben hatte und nahm das alberne rosafarbene Ding wieder an sich.

      Leon ignorierte Dieters Rat bezüglich des Kaffees, ging zur Maschine und goss sich eine Tasse ein. Sein Bart juckte heute besonders stark.

      Dieter setzte sich an seinen Schreibtisch, stellte das Schwein auf der Platte ab und warf Leon einen genervten Blick zu. "Kannst du dich bitte endlich mal rasieren? Das ist ja nicht zum Aushalten."

      Leon fuhr sich mit der Hand durch die Stoppeln. "Das bringt nichts. Es ist ein Vorzeichen."

      Dieter holte tief Luft. "Ein Vorzeichen? Wofür? Einen Serienkiller?"

      Die Sprechstundenzeit war längst vorbei. In der Anfangszeit hatte Rebecca ihre Praxis auch Freitagsnachmittags noch geöffnet. Aber mittlerweile war sie froh über Nataschas Idee, die Praxis freitags ab Mittag zu schließen. So konnte sie sich jede Woche