Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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ich weiß zumindest woran ich bin und niemand versucht mich in seine komischen Geschichten einzubauen."

      "Du wirst dem wohl nicht entkommen, egal was es ist.", wiederholte sie. "Das ist alles, was ich dir sagen kann, aber es reicht ja wohl aus, um entscheiden zu können, dass es dann wohl doch allemal besser ist hier zu bleiben."

      "Du hast doch keine Ahnung, wie es ist!", fuhr er sie an.

      "Ich weiß aber wie es ist, wenn man es weiß, wer man ist oder sein soll. Offensichtlich macht es dann aber keinen Unterschied und damit weiß ich deutlich mehr als du.", entgegnete sie bitter und drehte sich weg. Zuvor gelang es ihr allerdings nicht, ihre aufkommenden Tränen vor Stalca zu verbergen.

      "Faith.", hielt er sie zurück. "Was ist los?"

      "Ich kann es nicht aufhalten.", schluchzte sie und als sie sich ihm wieder zuwandte, leuchteten ihre Augen in einem schwachen, gelben Licht. Fast nicht sichtbar, aber doch merklich. "Ich kann mir auch nicht aussuchen, was ich sein will und ich wünschte es mir ebenso. Auch ich will nur in mein ganz normales Leben zurück und kann es nicht, da sich sowieso nichts ändern wird. Und wenn du irgendwelche Superkräfte an mir vermutest, muss ich dich und alle anderen enttäuschen: Ich kann nur dämliche Bilder sehen, die ich nicht sehen will, aber von mir wird erwartet die Welt zu retten. Wer von uns ist also jetzt besser dran?"

      Ihre Abreise verzögerte sich, bis Faith sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Dann führte Peroth sie nach Naksa. Stalca folgte ihnen nur wortlos.

      Die Reise war phantastischer wie David nie zuvor eine erlebt hatte. Eine ganze Zeit lang führte sie ein schmaler Weg immer tiefer in den Fels hinein. Mühsam war er vor Urzeiten unter die Festung geschlagen worden. Die Decke so hoch und der Gang so breit, dass selbst ein Pferd hindurch passte. An den Wänden hingen in regelmäßigen Abständen brennende Fackeln, die ein gespenstisches Licht in den Tunneln verbreiteten. Ständig gab es hier unten Wächter, die darauf Acht gaben, dass das Licht niemals erlosch, denn Wanderer wären verloren, würde hier totale Finsternis herrschen.

      Irgendwann hörte der Weg auf sich weiter in die Tiefe zu schrauben und führte nur noch geradeaus. In der Ferne konnten sie ein schwaches, helles Licht sehen, welches nicht von den Fackeln stammte. Und je näher sie diesem Licht kamen, desto lauter wurde das Tosen des Wassers.

      Als sie endlich den Ausgang erreicht hatten waren sie noch immer in den Höhlen des Yesúw und alles um sie herum war genau so, wie Faith es beschrieben hatte. Ein unnatürliches, aber warmes Licht umgab sie, während das Wasser in einer intensiven, türkisen Farbe leuchtete. Dicht neben ihnen stürzte der Fluss sich mit einem solch ohrenbetäubenden Lärm die Klippe hinunter, dass sie kaum ein gesprochenes Wort voneinander verstehen konnten.

      David und Faith, die beide in ihrem Leben noch nie etwas Ähnliches gesehen hatten waren gleichermaßen sprachlos. Aber auch der Rest der Gruppe, der mindestens schon zum zweiten Mal hier vorbeikam hielt an und genoss den Anblick eine Weile. Das Wasser war so klar, dass man bis auf den Grund hinab sehen konnte, wo das mysteriöse Türkis noch an Intensität zunahm.

      "Das grüne Gold.", sagte Peroth während er hinunter deutete. "Hier holen sie es an das Tageslicht. Aber nur gewagte Schwimmer trauen sich hinab, denn wenn sie dem Wasserfall zu nahe kommen werden sie erschlagen."

      Ihre Begeisterung hielt nicht lange. Zu schwer lagen ihnen die vergangenen Ereignisse im Magen. Also zogen sie schon sehr bald weiter. Es war keine schöne Reise. Nicht so, wie sie begonnen hatte. Jeder hing nur seinen eigenen, düsteren Gedanken nach und sprach mit den anderen kaum ein Wort.

      Peroth war leicht gereizt, was wahrscheinlich an seinen vergeblichen Bemühungen Stalca wenigstens dazu zu bewegen ab und zu einmal mit ihnen zu reden. Nachdem sie beide in einen heftigen Streit geraten waren, indem keiner der anderen verstanden hatte worum es eigentlich ging, sahen auch sie sich nicht mehr an, sprachen kein Wort und ließen ihren Missmut an den übrigen aus.

      Sobald sie die Höhlen verlassen konnten, herrschte um sie herum absolute Dunkelheit. Es gab keinen Sturm mehr, auch keine entsetzliche Kälte, aber es war dunkel wie tief in der Nacht, obwohl es nun schon Mittagszeit sein sollte. Dies verhalf nicht unbedingt zu einer Besserung der allgemeinen Stimmung.

      Nachdem sich nun auch Jack mit Peroth angelegt hatte, war sowieso alles vorbei und die einzigen drei, David, Tarry und Céwik, die nicht völlig von Problemen eingehüllt waren, wagten es nicht mehr den Mund aufzumachen.

      Die eigentliche Nacht verlief ähnlich schlecht. Sie machten an der nächstbesten Stelle Halt und verteilten einen Teil der mitgenommen Verpflegung. Doch sie knabberten nur lustlos darauf herum und schluckten es eigentlich nur herunter, da sie es für nötig hielten etwas Essbares zu sich nehmen zu müssen. Dabei hatten sie Brot, Käse und sogar geröstetes Fleisch. Eine wirklich gute Mahlzeit. Danach legten sie sich schlafen, jeder an einer anderen Stelle weit weg von den Anderen, jeder schien allein sein zu wollen. Doch trotzdem wollte kein Schlaf kommen. Es wurde kalt und begann erneut zu regnen. Sie waren mitten in einem Gebirge und es gab keinen Wald, der ihnen Schutz geben konnte. Das Feuer erlosch und sie konnten nicht einmal die Hand vor Augen sehen. David glaubte, dass Faith weinte und er konnte sie verstehen, denn ihm war auch nach nichts Anderem zumute. Doch seine Hilfe lehnte sie entschieden ab.

      Stattdessen versuchte er sich im Dunkeln um seinen Fuß zu kümmern, der nach den Anstrengungen des heutigen Tages wieder zu schmerzen begonnen hatte. Erkennen konnte er rein gar nichts, aber nachdem er seine neuen Stiefel ausgezogen hatte, spürte er die pulsierende Wärme und dass der Fuß wieder ein ganzes Stück angeschwollen war. Er hoffte nur, dass sich dies über Nacht bessern würde. Seufzend versuchte er sich an einer einigermaßen bequemen Stelle hinzulegen, doch egal was er versuchte, immer wieder drückte der Fels unangenehm.

      "Ich wünschte das alles hier wäre möglichst schnell vorbei.", murmelte er leise.

      "Ich auch.", hörte er Tarry dicht neben sich antworten. Sehen konnte er ihn trotzdem nicht.

      "Ich auch.", piepste Céwik, der sich schützend an seinen älteren Bruder gedrückt hatte.

      Der nächste Tag schien angenehmer zu werden. Zumindest war es heller geworden. Oder ihre Augen hatten sich einfach schon zu sehr an das Dunkel gewöhnt. Trotzdem blieb noch immer alles Grau und Schwarz um sie herum. Als hätte die Welt mit einem Mal ihre Farbe verloren.

      Die Stimmung war allerdings nicht besonders gestiegen. Auf jeden Fall stritten sich nicht mehr alle und ab und zu war sogar jemand gewillt den Mund aufzumachen. Aber noch immer schien ein dunkler Nebel über ihren Gemütern zu hängen.

      Ihr Weg führte nun immer dicht an den steilen Felswänden entlang. Mit vielen Kurven bewegten sie sich zielsicher immer weiter nach Westen. Ab und zu war der Rand zwischen Felswand und Abgrund so schmal, dass Davids Herz zwischendurch einige Aussetzer hatte, wenn er einen Blick in die bodenlose Tiefe wagte. Dennoch stiegen sie nicht ab. Also versuchte David möglichst ruhig und entspannt auf seinem Pferd sitzen zu bleiben und staunte nicht schlecht, wie sicher die Hufe ihren Weg fanden.

      Schon nach überraschend wenigen Stunden, erreichten sie den Eingang zu einer breiten Schlucht, die sich plötzlich in den Berg fraß. Ein Stück weiter hob sich ein weites Plateau über den Berg hinaus. Ein schmaler Pfad führte von dort aus hinab. Hier hielten sie an und Peroth und Jack schienen Wichtiges zu besprechen zu haben. Also rutschte auch David vorsichtig von seinem Pferd, sorgsam beachtend nicht den falschen Fuß zu belasten, und folgte Stalca, der ein Stück auf das Plateau hinaus gegangen war.

      Von dort aus bot sich ihnen ein ähnlich wunderbarer Ausblick, wie in Yesúw. Am Fuße des Berges zog sich ein dichter Wald in das Land hinein. Obwohl tiefer Herbst war, hatten viele Laubbäume noch immer nicht ihre bunten Blätter abgeworfen. Und zwischen ihnen ragte das helle Grün von mächtigen Kiefern. Die Farben waren trotz der Dunkelheit noch immer klar zu erkennen, als würde sich eine helle, schützende Wolke über die Wipfel der Bäume legen. Wie ein Märchenwald lag er vor ihnen. Undurchdringbar schien sein Dickicht zu sein und doch musste es Wege hinein geben, denn der Pfad schien direkt darauf zuzuführen. David fragte sich, ob die Bäume auch irgendwo wieder aufhörten, denn von hier aus schienen sie bis ins Unendliche zu reichen.

      "Warte nur, bis du drinnen