I Ging. Andrea Seidl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrea Seidl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783844263381
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      Bei unseren inneren Zwistigkeiten sieht das Bild ganz ähnlich aus: Immer wenn wir uns insgeheim unsicher fühlen, versuchen wir unser Gleichgewicht wiederherzustellen, indem wir demonstrative Entschlossenheit hervorkehren. Unser Verstand fürchtet unsere rumorenden irrationalen Bedürfnisse und möchte sie am liebsten rücksichtslos wegfegen. Doch wenn wir unsere wahren Regungen unterdrücken, warten sie nur auf einen unkontrollierten Moment, um sich explosiv zu entladen. Von daher sollten wir dieses innere Minenfeld entschärfen, indem wir uns mit erhöhter Achtsamkeit unserer Widersprüche annehmen und sie erst einmal bewusst wahrnehmen. Die größte Herausforderung ist dabei, die Mitte zu halten – doch liegt hier unsere einzige Sicherheit. Rechthaberei und Schuldzuweisung bringen uns keinen Schritt weiter – im Gegensatz zu ruhiger Gefasstheit und Vermittlungsgeschick. Die Dinge werden sich normalisieren, sobald wir uns klar machen, dass echte Stabilität erst durch Erfahrung und Reife, und nicht durch Überzeugungsarbeit entstehen kann. Die Lösung liegt also nicht auf der Ebene der äußeren Durchsetzung, sondern im Loslassen eingefahrener Denkmuster.

      Allgemein gesehen ist dieser Lebensabschnitt denkbar ungünstig, um irgendwelche Risiken einzugehen - die Lage ist viel zu unberechenbar. Wir sollten tunlichst vermeiden, das große Wasser zu durchqueren – also bindende Entscheidungen zu treffen oder wichtige Projekte in Angriff zu nehmen. Damit derlei gelingt, bedarf es unserer vereinigten Kräfte, die wir im Augenblick nicht zur Verfügung haben.

      Innere Uneinigkeit

      Jeder äußere Streit beruht auf einem inneren Konflikt: Wir sind zerrissen, weil unsere Glaubenssätze und „heiligen“ Überzeugungen nicht mit unserer innersten Wahrheit vereinbar sind. Das streitlustige Ego lenkt uns von dieser essenziellen Tatsache ab und schmeichelt uns stattdessen damit, dass wir im Recht und die anderen im Unrecht seien. Es möchte seinen Willen durchsetzen und sucht einen Sündenbock, dem es die Schuld an seiner Misere geben kann. Wenn unser falsches Selbst so aufdreht, kann die Stimme des Heiligen Geistes nicht mehr zu uns durchdringen. Früher oder später wird unsere eifernde Empörung ausbrennen, sodass wir, oft nach einem schmerzhaften Prozess, zur Demut zurückfinden. Vorerst aber macht uns unsere selbstgerechte Kampfstimmung blind dafür, dass unsere Konflikte auf einen grundlegenden Irrtum über Richtig und Falsch zurückgehen. Wir haben ja alle im Lauf unserer Biographie bestimmte kollektive Regeln und Überzeugungen als absolut gültig übernommen und fordern sie nun auch bei anderen ein. Dabei versagen auch wir selbst angesichts dieser übermenschlichen Ideale und können es uns dann selbst nicht verzeihen. Doch mit Vorwürfen und Selbstvorwürfen sind wir auf dem falschen Weg. In Wirklichkeit machen wir alle ja nur dann einen Fehler, wenn wir gegen die kosmische Ordnung und unsere innerste Wahrheit verstoßen. Dann liegt die Ursache aber nicht in einem so genannten „Bösen“, sondern in unserer von Illusionen verzerrten Sichtweise, die uns Dinge tun lässt, die unserer Natur widersprechen. Zu diesen fatalen Täuschungen gehört vor allem die fixe Idee, die Dinge sollten nach unseren Vorstellungen laufen - obwohl der Kosmos ganz andere und weisere Pläne hat. Hier verrennt sich das Ego nur allzu oft. Eine gute Lösung ist nur mit dem Beistand des Heiligen Geistes zu finden.

      Wandellinie 1

06.tif

      Wenn man die Sache nicht verewigt,

      so gibt es ein kleines Gerede.

      Am Ende kommt Heil.

      Schwamm drüber

      An dieser Stelle liegt ein erster Anreiz zum Streiten in der Luft. Unser inneres Rumoren stößt uns mit der Nase darauf, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht zweifeln wir ja an unseren eigenen Argumenten und wirken deshalb nicht so glaubwürdig, wie wir möchten. Diese untergründige Unruhe muss bewusst erforscht werden, damit sie nicht zu einem gefährlichen Stolperstein wird. Wir sollten jetzt jeden Streit vermeiden oder ihn möglichst schnell ad acta legen. Wir dürfen uns nicht von kleinlichen Sticheleien aufbringen lassen. Und selbst wenn bereits scharfe Worte gefallen sind, sollten wir die Angelegenheit möglichst rasch bereinigen. Sollten wir uns dagegen auf eine Auseinandersetzung einlassen, würden sich die Dinge destruktiv aufschaukeln - und wir könnten unser Gesicht verlieren.

      Hier stehen wir häufig jemandem gegenüber, der sich selbstbewusst aufbläht und damit unsere eigenen Minderwertigkeitsgefühle zum Klingen bringt – das reizt uns kompensatorisch zum Streiten. Allerdings stehen die Chancen schlecht, dass wir uns hier behaupten können. Fakt ist, dass unser Gegner die schärferen Waffen besitzt - wir sollten es also lieber nicht zu einer Eskalation kommen lassen.

       Du kannst dieses Konfliktfeld verlassen, wenn du zuerst einmal in dir selbst für Klärung sorgst. Sobald du deinen Selbsttäuschungen auf die Spur kommst, wirst du auch nach außen eine neue Position finden. Überwinde deinen Ärger und deinen (gekränkten) Stolz und öffne dich für Kompromisse. Am besten ziehst du einen Strich unter die Sache.

      Tiefendynamik

      Überzogene Ansprüche machen uns das Leben schwer. Trotzdem meinen wir zuweilen, alles drehe sich um uns, wir hätten besondere Rechte und an unseren Problemen sei natürlich ein anderer schuld. Dabei sind wir es selbst, die im Kampf mit der Wirklichkeit liegen. Wir glauben, wir wüssten, wie die Dinge sein sollten, und merken gar nicht, wie sehr unsere Arroganz der Harmonie mit dem Tao im Weg steht. Wenn wir den inneren Konflikt beilegen wollen, müssen wir dem Ego deutliche Grenzen setzen, auch wenn es immer weiter diskutieren möchte.

      Wandellinie 2

06.tif

      Man kann nicht streiten, kehrt heim und weicht aus.

      Die Menschen seiner Stadt, dreihundert Häuser,

      bleiben frei von Schuld.

      Der Klügere gibt nach

      In dieser Situation brauchen wir sowohl Standvermögen wie auch Beweglichkeit, da wir es mit einem stärkeren Gegenspieler zu tun haben. Von einer schmalen Basis von nur dreihundert Häusern aus kämpft hier der Sohn (Wasser) gegen den übermächtigen Vater (Himmel).

      Wir hätten zwar gute Lust, uns mit diesem Gegner anzulegen, realisieren allerdings durchaus, dass wir in dem ungleichen Kampf den Kürzeren ziehen würden. Wir sind eindeutig im Nachteil, weil weder unsere Argumente, noch unsere Motive stark genug sind. Ließen wir uns auf einen Streit ein, müssten wir mit üblen Folgen rechnen. In der Auseinandersetzung mit einem überlegenen Widersacher ist es am vernünftigsten, rechtzeitig einen Rückzieher zu machen. Auf diese Weise wird unser Umfeld wenigstens nicht unschuldig in den Konflikt hineingezogen und den Menschen, die zu uns gehören, bleiben peinliche Unannehmlichkeiten erspart.

       Hör lieber auf, hier dagegenzuhalten. Du wirst weder durch Argumente noch durch Anschuldigungen oder Drohungen gewinnen. Zieh dich lieber unauffällig zurück und weiche aus auf ein Terrain, das nicht vom Virus des Streits verseucht ist. Da stehen dir die Türen offen.

      Tiefendynamik

      Wer versucht, seine Anliegen im Streit voranzutreiben, kann keinen Erfolg haben, da er nicht im Einklang mit dem Kosmos ist. Solange wir nach draußen schauen und unseren Willen auf die anderen richten, hat die Wahrheit keine Chance. Bremsen wir uns aber erst einmal und besinnen uns auf innere Harmonie, wird das Problem bald seine Dringlichkeit verlieren.

      Wandellinie 3

06.tif

      Von alter Tugend sich nähren, gibt Beharrlichkeit.

      Gefahr, am Ende kommt Heil.

      Folgst du etwa eines Königs Diensten, so suche nicht Werke.

      Selbstwertschätzung

      Diese Person ist in einem aufrichtigen Prozess zu wertvollen Erkenntnissen gekommen, die ihr sehr am Herzen liegen, mit denen sie aber ganz unvorhergesehen auf Widerstand stößt. So flammt ein heftiger Disput auf, der sie dermaßen in die Enge treibt, dass sie ihr Gleichgewicht verliert und in einprogrammierte Automatismen verfällt. Eine emotionale Eigendynamik dieser Art lässt immer