Kosmos: Tao, Universum, geistige Welt, das Große Ganze, Göttlichkeit
Zuschreibung: Urteil, mit dem wir uns identifizieren, oder das wir wie ein Etikett einem anderen anheften. Obwohl dieses Etikett zunächst von anderen kommt, wird es fatalerweise mit der Zeit ins Selbstbild übernommen. Jede Zuschreibung trennt uns von dem, was wir wirklich sind.
Projektion: Wer bestimmte innere Anteile an sich nicht wahrhaben will, dem kommen sie von außen entgegen, in Gestalt anderer Menschen und Ereignisse. Wir projizieren unseren eigenen Schatten wie ein Dia auf die Welt und machen damit die anderen zu Sündenböcken. Etwas Ähnliches geschieht mit unbewussten Glaubenssätzen. Solange wir nicht Bescheid wissen, was wir im Innersten für wahr halten, projizieren sich diese Überzeugungen in die Wirklichkeit, zuweilen mit fatalen Konsequenzen.
Innere Anteile: Unsere Persönlichkeit ist nicht aus einem Guss. Treffender ist ein Modell, das sie als System vieler Teilpersönlichkeiten betrachtet - darunter sind männliche und weibliche, kindliche und reife innere Persönlichkeiten. Sie alle besitzen jeweils ganz unterschiedliche Anliegen, Sichtweisen und Lebensstrategien, die sich oft gegenseitig bekämpfen. Da aber jeder einzelne dieser Anteile seine Daseinsberechtigung hat, ist unser Lebensglück davon abhängig, dass wir lernen, sie miteinander auszusöhnen.
Das kollektive Ego: Die herrschende öffentliche Meinung, „man“, unser inneres Bild der Gesellschaft, Über-Ich, Wir-Denken, Alltags-Mythen, Stammeslehren, kollektive Denk- und Handlungszwänge, kulturelle Matrix, jene verinnerlichte Gedankengemeinschaft, die unsere Konformität einfordert.
Ego: Falsches Selbst. Die Illusion, wir seien vom Kosmos getrennt und stellten darin etwas Besonderes dar. Scheinbar abgegrenzte, isolierte Identität, die mit Angst und dem Gefühl, kämpfen zu müssen, einhergeht.
Selbstbild: Ein Aspekt des Ego. Das, was wir zu sein glauben. Jedes Selbstbild, egal ob positiv oder negativ, ist eine Reduzierung und Verzerrung unserer wahren Identität.
Das wahre Selbst: Die Buddhanatur, unser innerster Wesenskern, der nach wie vor im Einklang mit dem Ganzen ist. Er mag vom Ego überlagert, kann aber niemals zerstört werden.
Innere Wahrheit: Die persönliche Wirklichkeit unseres authentischen Fühlens und Empfindens, die sich oft beträchtlich von dem unterscheidet, was wir denken und für richtig halten. Sie zeigt uns, was für unseren Weg in diesem einzigartigen Moment stimmig ist. Die innere Wahrheit ist immer relativ und nicht auf andere Menschen und Situationen übertragbar.
Die Systematik der Deutungs-Texte
Ich habe meine Darstellung der Hexagramme in einer ganz bestimmten Weise aufgebaut, die ich knapp erläutern möchte:
An erster Stelle in diesem Deutungs-Gebäude finden Sie eine Reihe von Schlüsselwörtern, die assoziativ auf die Thematik des Hexagramms einstimmen. Darunter sind immer wieder auch Begriffe, die sich auf den ersten Blick gegenseitig auszuschließen scheinen. Der Widerspruch klärt sich auf, wenn wir uns klarmachen, dass die scheinbaren Gegensätze zum gleichen Bedeutungsspektrum gehören, das sich je nach Umständen so oder so äußert. Immer wenn es etwa um „Ehrlichkeit“ geht, geht es ja automatisch auch um die Möglichkeit der „Unaufrichtigkeit“ und umgekehrt.
Der Abschnitt Quintessenz ist hervorgehoben und bietet eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Ideen dieses Hexagramms. Er dient zur Orientierung und zum Überblick. So können Sie sich die inhaltlichen Schwerpunkte des Hexagramms rasch vergegenwärtigen.
Unter der Rubrik Naturbild wird zunächst die Trigrammstruktur des Zeichens aufgeschlüsselt. Diese acht Trigramme und die ihnen zugeschriebenen Naturelemente zu kennen, gehört zu den wenigen Voraussetzungen für die Anwendung des I Ging. Die beiden Trigramme, die im jeweiligen Hexagramm zusammenwirken, kreieren eine besondere innere Dynamik, die im Text zum Naturbild „ausgemalt“ wird und uns ein wenig nachvollziehen lässt, wie die chinesischen Naturphilosophen zu ihren Erkenntnissen gelangt sind. Eingangs zitiere ich jeweils die Übersetzung des Urtextes von Richard Wilhelm, anschließend folgt ein Kommentar.
Der folgende, zentrale Textabschnitt beschreibt die jeweilige Zeitqualität und wird mit dem Zitat des sogenannten „Urteils“ im Urtext eingeleitet. Er erläutert ausführlich den Bedeutungsrahmen des Hexagramms, so dass auch seine feineren Nuancen verständlich werden. Dieser Abschnitt ist zweigeteilt. Der erste Teil wählt die traditionelle Deutung als Ausgangspunkt, während der zweite neue Wege geht (hier habe ich mich von Anthony und Moog inspirieren lassen, die in ihrem Werk „Das kosmische I Ging“ hochinteressante Aspekte aufwerfen). Wir existieren ja auf zwei Seinsebenen mit jeweils völlig unterschiedlichen Weltwahrnehmungen – mal im Ego, mal im wahren Selbst. Dieser fundamental spirituelle Blickwinkel lenkt unsere Aufmerksamkeit auf besondere Aspekte des Hexagramms, die unser gewohntes Weltbild skeptisch hinterfragen. Zuweilen mag es aussehen, als ob der obere Abschnitt im Widerspruch zum unteren stünde, doch das ist eine Frage der Ebenen. Da der zweite Abschnitt noch tiefer in die Konstruktion unserer Weltwahrnehmung eindringt, konfrontiert er uns mit Wahrheiten, die über unsere Alltagsbewältigung hinausgehen. So kann gewissermaßen beides wahr sein – eine Paradoxie, ganz im Sinne der alten Chinesen.
Den letzten Abschnitt bilden die sechs Wandellinien, die wieder mit dem Zitat der Wilhelm’schen Übersetzung beginnen. Auch hier gibt es eine Unterrubrik („Tiefendynamik“) zur genaueren Beleuchtung der Egostruktur.
Die Trigramme
Kien – der Himmel
Der schöpferische Geist
Ergreife den Augenblick! Es ist Zeit, zu handeln.
Struktur
Die Trigramme Kien (Himmel) und Kun (Erde) sind ein Abbild der kosmischen Eltern. Der Himmel gilt als Vater der sechs Trigramme Donner, Wind, Feuer, Wasser, Berg und See. Da dieses Trigramm einheitlich aus festen, starken Yang-Linien aufgebaut ist, kommt die Entschlossenheit und Handlungstendenz der Yang-Energie uneingeschränkt zum Ausdruck. Damit ist die Bewegungsrichtung machtvoll aufsteigend.
Schlüsselworte
Schöpferisch / stark / kreativ / zeugend / phallisch / expansiv / Wille / Initiative / zielstrebig / entschieden / Tatkraft / mutig / aggressiv / Eroberungsdrang / durchsetzen / Antrieb / inspiriert / Autorität / führen / steuern / machtvoll / kompromisslos entschlossen / hell / klar / objektiv / wahr / eindeutiger Standpunkt / kämpferisch / überzeugt / dynamisch / bewegt / aktiv / unendlich / geordnet / andauernd / beharrlich / gegenwärtig / autonom / präsent / bewusst / Vorstellungskraft / Charisma / elitär / idealistisch / geistig / frei / Hengst / Drache / Pegasus …
Archetyp
Das Urmännliche / Gott / Vater / Herrscher / Anführer / alter Weiser
Naturbild
Wenn wir zum Himmel schauen, sind wir immer wieder überwältigt von jener grenzenlosen Weite, die in alten Zeiten als Wohnort der Götter galt. In der Nacht stehen wir ehrfürchtig staunend unter dem Sternenzelt und erahnen die unendlichen Tiefen des Weltalls, die einer von uns nicht fassbaren, höheren Ordnung gehorchen. Dagegen besticht der klare Taghimmel durch seine unbeteiligte Distanz. In seinem blendend hellen Licht spüren wir, wie unsere alltäglichen Angelegenheiten ihre Bedeutung verlieren.
Der Himmel fordert uns gewissermaßen auf, dem Nichts ins Auge zu blicken und unsere irdischen Anhaftungen als Illusionen zu durchschauen. Wenn wir Zugang zu jener Dimension „über den Wolken“ haben, gewinnen wir Abstand zu unseren Ängsten und Sorgen, dann fühlen wir uns leicht und befreit. Der Himmel hilft uns, loszulassen, die Welt zu vergessen und uns auf das Große Ganze einzuschwingen.
Charakter
Auf der