Lausige Zeiten. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737516662
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Müdigkeit und Durst zusammen.

      »Lass dein Bein verarzten!«, riet Hjálmarr seinem Kumpel.

      »Nein, ich bringe sie mit zur Unterkunft! Nicht dass du auf dumme Gedanken kommst und schon mal etwas nascht!«, erwiderte der daraufhin.

      »So ein Quatsch! Sie trat mir dermaßen in die Klöten, die werden bald so dick wie die eines Stiers sein! Los, geh schon, bevor du völlig leer geblutet bist!«

      Widerwillig trennte sich das Narbengesicht von den beiden.

      Hjálmarr war der Sympathischere der beiden Entführer. Molly schätzte ihn eher gutmütig ein. Von allein wäre er sicherlich nicht auf die Idee gekommen, ihr etwas anzutun. Sein Gesicht wirkte offen, sogar freundlich, weniger verschlagen. Eine anständige Frisur, dazu ein rasiertes Gesicht und man könnte ihn nicht mehr von jedem x-beliebigen Bewohner der Neuzeit unterscheiden. Schweigsam führte er sie zu einer Hütte.

      »Bitte, mein Fräulein. Tritt ein. Dies ist deine Unterkunft. Vorläufig jedenfalls«, ließ er mit freundlicher Geste Molly den Vortritt.

      »Gib es doch zu. Du bist kein übler Kerl!«, zögerte sie misstrauisch.

      »Du kannst von Glück sagen, so gut zu treten, ansonsten würde ich dich da drinnen sofort schänden. Nur hängen meine Glocken im Moment tiefer als das Seil. Geh jetzt, oder ich binde dir die Hände und werfe dich hinein!«

      »Aber eins sage ich dir: Instrumentalisierte Gewalt gegen Frauen ist da, wo ich herkomme, strafbar. Ist ja gut, ich glaube dir, dass du ein ganz harter Bursche bist!«, verdrehte Molly die Augen und trat in die Hütte. »Bekomme ich wenigstens meinen Beutel zurück? Ich habe Hunger und Durst!«, nervte sie weiter.

      »Später! Wir untersuchen erst einmal, was da drin ist! Dann bekommst du deinen Beutel zurück!«, schloss er die Tür hinter ihr ab.

      »Idiot!«, knurrte Molly und untersuchte skeptisch die Hütte. Groß war sie nicht gerade. Sie bestand lediglich aus einem einzigen Raum. Ein Tisch mit zwei Stühlen, dazu ein Bett. Nicht gerade das Ritz. Die kleine Kerze aus Talg spendete trübe Licht. Molly zog ihren Umhang von den Schultern, warf ihn achtlos auf den Stuhl, lief unschlüssig herum und kontrollierte anschließend die Tür, die leider Gottes abgeschlossen war. Ihre Aufmerksamkeit fiel auf einen Eimer mit Deckel. Sie hob den Deckel an und fand den Eimer mit Wasser gefüllt. Gierig trank sie daraus, schüttete sich dabei einen Teil, weil sie so hastig trank, in den Ausschnitt und erschauerte. Das Wasser war schrecklich kalt! Sichtlich müde und frierend, schlüpfte sie ins Bett und machte es sich unter den flauschigen Felldecken bequem. Obwohl sich alles in ihr sträubte, auch nur ein Auge zuzumachen, weil ihr die Situation zu riskant erschien, glitt sie in einen tiefen Schlummer.

      Erschrocken fuhr sie hoch, als die Fensterläden rappelten und jemand die Tür aufschloss. Inzwischen war die Talgkerze längst erloschen und Tageslicht strömte durch die Öffnungen. Nicht nur Licht bahnte sich einen Weg, zusätzlich eine blond bezopfte Frau, mit einem Tablett in den Händen. Noch vom Schlaf ganz wirr, kroch Molly weiter in die Ecke und lauerte abwehrend.

      »Mein Name ist Gyttha und ich bringe dir etwas zu essen und trinken. Außerdem soll ich deinen Eimer leeren.«

      Gyttha stellte das Tablett auf den Tisch und widmete sich dem Eimer. Als sie ihn anhob, erschien er ihr zu leicht, sie wirkte sogar ein wenig verdutzt.

      »Du hast doch nicht etwa aus diesem Eimer getrunken, oder? Der ist nämlich für deine Ausscheidungen!«, grinste sie.

      »Natürlich nicht! Das ist doch absurd!«, motzte Molly zurück und errötete dabei. Sie wusste nicht, ob sie lachen, oder kotzen sollte. Oh, mein Gott! Ich habe wie ein dummer Köter aus der Toilette gesoffen! Igitt! Zumindest weiß ich jetzt, wo ich meine Blase entleeren kann...

      »Na, dann ist ja gut!«, lächelte Gyttha freundlich.

      »Wieso sprichst du meine Sprache?«, fragte Molly neugierig. »Bist du auch eine Sklavin?«

      »Selbstverständlich komme ich nicht von hier, die wenigsten von uns tun das. Meine Heimat war die Grafschaft York, man verschleppte mich hierher. Eine Sklavin bin ich aber nicht. Ganz unter uns: Hier geht es mir besser, als bei meinem vorherigen Herrn. Hier bin ich frei - vorher war ich nur eine rechtlose Leibeigene«, strich sie sich die Schürze glatt. »Wer sich hier zu wehren weiß, bekommt schnell den Respekt der anderen. Na ja, im Grunde genommen, wollen wir alle nur das Gleiche. Nämlich frei sein und ein selbstbestimmtes Leben führen. Außerdem machen die Jungs nur einen auf dicke Hose. Unser vorheriger Häuptling sprach sich grundsätzlich gegen Vergewaltigungen aus. Ich muss jetzt gehen!«, sagte Gyttha. »Den Eimer wieder auffüllen... Zudem habe ich den ganzen Tag noch unheimlich viel zu tun. Heute kommen eine Menge Gäste und eine Vermählung gibt es am Abend auch noch. Schluss jetzt! Eigentlich dürfte ich gar nicht mit dir reden!«

      Schleunigst verließ die blonde Frau die Hütte.

      »Warte!«, rief Molly, doch Gyttha war schon weg. »Na, du kommst wieder, schließlich brauche ich meinen Eimer, und dann musst du mir die Wahrheit erzählen!«, knurrte sie angefressen zur Tür.

      Misstrauisch beäugte Molly die Speisen. Frisches Brot, etwas Butter und eine Schüssel gefüllt mit Brei. Nach einer Löffelkontrolle (er war sauber!), tunkte Molly den Holzlöffel ein und probierte. »Hmm, Haferschleim mit Honig. Schmeckt wesentlich besser als es klingt!« Sie frühstückte und trank dazu die Milch.

      Gyttha kam mit dem Eimer zurück.

      »Na, schmeckt´s dir?«, fragte sie freundlich.

      »Ja, sehr gut, danke!«, schmatzte Molly. »Gyttha? Darf ich dich etwas fragen?«

      »Aber nur kurz, wie gesagt, ich habe viel zu tun und mir fehlt die Zeit zum Schwatzen.«

      »Habt ihr noch eine andere Frau gefunden? Sie ist kleiner und zierlicher als ich, mit braunem, lockigem Haar?«

      »Gibt es ein zweites Sternenmädchen?«, fragte Gyttha erstaunt.

      »Nein, nein... Das war nur so eine Frage. Sprich mit niemandem darüber, was ich mit dir berede. Bitte! Wo bin ich hier eigentlich?« Die Sorge um Esther trieb sie beinahe in den Wahnsinn.

      »So so, das war lediglich eine unverbindliche Frage?«, schmunzelte sie amüsiert. »In Ordnung, versprochen. Du bist bei den Vogelfreien. Wir sind frei wie die Vöglein. Das sollte dir Antwort genug sein.«

      »Aha, Gesetzlose seid ihr also. Sag mal, wer oder was ist ein Jarl?«

      »Sprich mir nicht von ihm! Er ist ein herzloses Monster! Leider auch der Königliche Bezirksverwalter. Still jetzt, wir wollen doch nicht den Teufel an die Wand malen«, beendete Gyttha das Thema.

      »Du erwähntest vorhin eine Vermählung«, tastete Molly sich vorsichtig voran. Sie wollte ihre Gesprächspartnerin nicht verärgern. »Wer heiratet denn? Ich frage nur aus reiner Neugierde, ich kenne ja niemanden von euch.«

      Gyttha lachte. »Rein zufällig kennst du die Braut. Die bist nämlich du selbst. Heute Abend wirst du mit dem besten aller Krieger vermählt.«

      »Moment mal! Habe ich da nicht ebenfalls ein Wörtchen mitzureden, wenn es schon in meinem Leben zu einem epochalen Einschnitt kommt? Eigentlich suche ich mir meinen Partner lieber selbst aus! Ich heirate doch nicht irgendeinen dahergelaufenen, lausigen Halbaffen! Außerdem liebe ich schon jemand anderen!«

      »Kindchen! Heiraten hat doch nichts mit Liebe zu tun! Guck mich an! Ich wurde Miðill zur Frau gegeben. Eigentlich konnte ich ihn überhaupt nicht leiden. Aber uns Frauen geht es hier sehr gut! Und mittlerweile stehen wir uns sehr nahe, Miðill ist nicht nur mein Ehegemahl, sondern zugleich mein bester Freund und Gefährte«, holte Gyttha einen Schlüssel aus der Tasche. »Siehst du diesen Schlüssel? Er gehört zu unserm Haus. Nicht Miðill trägt ihn, sondern ich, Gyttha. Wir Frauen tragen die wichtige Verantwortung, hier alles in Ordnung zu halten, wenn unsere Männer unterwegs sind. Ohne uns wären sie nichts! Wir sind die eigentlichen Herrinnen des Dorfes. Nur haben die Kerle es noch nicht kapiert«, lachte sie. »Wir Frauen können, im Gegensatz zu den meisten Männern, lesen und schreiben und vieles, was sie gar nicht wissen. Und wenn du deinem Mann ein paar