Verdammt! Wenn Gyttha so sprach, fühlte sich Molly total albern. Mutlos ließ sie den Hammer sinken.
»Ihr seid ganz schön gemein! Meinst du, ich könnte diesem niedlichen Ferkel den Schädel einschlagen? Okay, ich nehme mein Bad! Aber ich entkleide mich selbst, ist das klar?«, fauchte sie wütend.
»Kein Problem. Jetzt lass das Ferkel runter, sei schön brav und komm mit! Wenn wir noch länger hier im Schweinestall herumstehen, müssen wir bald alle ein Bad nehmen«, schmunzelte sie und reichte Molly die Hand. Resigniert setzte Molly das Schweinchen ab, das sofort Schutz bei seiner Mutter suchte, und ging auf Gyttha zu.
Die Umstehenden johlten, pfiffen und riefen unverständliches Zeug. Der reinste Zirkus; fehlten nur noch die Fahrgeschäfte und Würstchenbuden. Gyttha nahm Molly an die Hand und führte sie beschützend durch die aufgebrachte Menge. Hjálmarr begab sich an die andere Seite und schirmte Molly ab.
Nebenbei fragte er sie schmollend: »Warum hast du mir den Eimer auf den Kopf geschlagen? Ich habe dir doch gar nichts getan!«
Wütend riss er das gemopste Hartlederetui, das die Tabletten enthielt, von ihrem Gürtel: »Sagte ich dir nicht, du darfst diese Pillen nicht behalten?«
Inzwischen, wieder an der Schmiede angekommen, warf er das Etui in die Glut der Esse. Nullkommanix ging alles in Rauch auf.
»So, dieses leidige Thema ist jetzt ein für allemal beendet!«
Dieser Hjálmarr kitzelte immer wieder an Mollys Wut. Nun hatte er Ragnors Bluttabletten vernichtet. Der ganze Stress, den sie deswegen veranstaltet hatte, erwies sich als umsonst.
»Und ich sagte: Ich trete dich nicht mehr, wenn du mir nichts tust. Aber vom Schlagen war nicht die Rede. Außerdem entschuldigte ich mich bei dir, nachdem ich dich niederschlug«, meinte Molly verschnupft und reichte dem herumstehenden Schmied den Hammer zurück.
»Hier, Balti, hast du deinen Hammer wieder, denn ich stehe zu meinem Wort!«
*
Glücklich ist, wer das, was er liebt, auch wagt, mit Mut zu beschützen.
(Ovid)
Zweifelsohne besaß das Mädchen mehr Eier... äh, Courage, als manch ein Kerl. Der Tumult brach los, als gerade ein alter, blinder Mann, der uns als Dorfältester vorgestellt wurde, mit seiner Ansprache beginnen wollte. Ihm schien das Leben jedenfalls nicht gerade reich beschenkt zu haben. Über seine linke Gesichtshälfte zog sich ein tiefer Schmiss, der ihm beinahe ein Auge gekostet hätte. Wieso konnte ich nicht sagen, aber er kam mir bekannt vor. Krampfhaft versuchte mein Hirn eine Verbindung herzustellen. Leider vergebens.
Alle Teilnehmer, außer dem Blinden, begaben sich auf die besten Positionen, um ordentlich gaffen zu können. Und da sah ich das Mädchen, wie sie mit einem Hammer in den Schweinestall stürmte. Komisch, war sie denn etwa geschrumpft? In meiner Erinnerung erschien sie mir bei weitem größer. Die Geiselnahme war für uns alle eine äußerst amüsante Einlage. Obwohl das Ferkel-Napping eine echte Lachnummer war, sah ich in den Augen des Mädchens, eine Entschlossenheit, die mir unglaublich imponierte. Sie schien wirklich zu allem bereit. Dann kam eine andere Frau dazu und nannte das Mädchen Måne. Wie schön. Sie heißt also Mond. Kaum hatten wir ihren Namen vernommen, begann ein grölender Chor, ihr verzweifelt anmutendes Treiben zu untermalen. Leider kam ich nicht ganz durch bis vorn an die Tür, die von den Einheimischen Häschern bereits blockiert wurde. Also rief auch ich ihren Namen. Nur war ich mir überhaupt nicht sicher, ob sie wirklich so hieß. Ja, es war schon etwas mit M, aber mir fiel der wahre Name von ihr nicht ein. Mein schlechtes Namensgedächtnis musste schon vorher legendär gewesen sein.
… Zumindest reagierte mein Körper heftig auf den Anblick dieser hübschen Person Måne. Ihr wisst schon, was ich meine, oder muss ich noch deutlicher werden?...
Die andere Frau, sie hieß Gyttha, sprach beruhigend auf die Geiselnehmerin ein, die daraufhin ihren Hammer sinken ließ und von ihr beschützend abgeschirmt wurde.
… Junge, Junge, warum sträubte sich das Mädchen nur so verbissen, ein Bad zu nehmen? Man kann sich aber auch mimosenhaft anstellen....
Nochmals rief ich den fremden Namen des Mädchens, doch sie sah nur kurz in die Menge, errötete, senkte den Kopf und verschwand in Begleitung der Frau und einem jüngeren Mann, in der Schmiede.
»Hey, ihr Weiberhelden! Hier spielt die Musik! Nun habt ihr, im Gegensatz zu mir, den Preis gesehen und ich kann sagen, wir haben wohl nicht zu viel versprochen, oder? Sie hat ein unglaubliches Temperament, eine richtige, kleine Wildkatze. Diese Braut bekommt nur der Beste von euch, also trabt an und verdient sie euch!«, brüllte der Blinde wild gestikulierend, der inzwischen von dem Dunkelhäutigen unterstützt wurde. Ebenfalls vor Ort war Miðill, der Kerl, der mich anfangs schon am Tor befragte.
»Kein Problem, Gyttha hat jetzt wieder alles im Griff«, tuschelte er dem Blinden zu.
Als sich der Alte endlich unserer uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher war, fuhr er fort: »So, nochmals. Mein Name ist Thorfried und bin hier der Dorfälteste, und ich kann euch sagen, sterbt lieber jung, Krieger, denn das Alter ist nichts für Weicheier! Willkommen, auf der autonomen Insel Høy Øya, ihr mutigen Recken Odins. Genauso möchte ich anmerken, dass euch unsere Siedlung gerne Asyl anbietet, falls ihr Schwierigkeiten mit dem König und seinem verfluchten Jarl haben solltet. Denn selbst wenn ihr den Wettbewerb nicht gewinnt, können wir kriegserfahrene Leute immer gebrauchen, weil unsere Feinde uns ständig im Nacken sitzen.«
»Hört, hört!«, stimmten meine Mitbewerber anerkennend zu, und spuckten verächtlich aus, als sie vom Jarl und dem König sprachen.
»Da wir alle wissen, worum es geht, schlage ich folgende Vorgehensweise vor: Zuerst widmet ihr euch den Fernwaffen; Bogen, oder Armbrust, je nachdem, was euch mehr liegt und ihr mitgebracht habt. Jeder der nicht mindestens die beiden inneren Kreise trifft, scheidet aus. Denn wer seinen Feind die Chance auf ein Herankommen lässt, kann kein guter Krieger sein. Danach gilt es, eure Fertigkeiten mit der Wurfaxt festzustellen. Also, wer nicht treffsicher genug ist, der scheidet aus. Danach geht es in den Nahkampf, Mann gegen Mann. Solange, bis nur noch die Finalisten übrig sind. Diese beiden kämpfen gegeneinander und so ermitteln wir letztendlich den Sieger, unseren ersten Krieger. So! Hat noch irgendjemand eine Frage?«
Niemand meldete sich. Für mich stand außer Frage, dass niemand anderes als ich, das Mädchen in seinen Besitz brachte. Ich musste einfach siegen.
»Gut, dann stehe uns der Kriegsgott Thor hilfreich zur Seite«, schloss Thorfried.
Wieso auch immer, hatte ich das Gefühl, mit Thor nicht ganz im Reinen zu sein. Darum entfuhr mir eine spitze Bemerkung.
»Was Thor mit seinem Hammer, bin ich am Schlagbohrer!«
Thorfried drehte seinen Kopf in meine Richtung. »Wer hat das gesagt?«, fragte er den Dunkelhäutigen. »Auch wenn ich nichts mehr sehen kann, aber eine Stimme vergesse ich nicht. Sag, Ogfried, wie sieht der Kerl aus? Ist er groß und hat dunkelrotes Haar?«
»Nein, Vater. Er ist zwar ein Riese, aber er hat hellblondes Haar.«
»Dann ist es kein Wunder, wenn der Kerl eine wahre Stentorstimme hat.«
Thorfried blickte mich kritisch an, obwohl er nichts sehen konnte. »Sag, wie ist dein Name, Krieger?«
»Hägar, Väterchen. Äh, nicht Hägar Väterchen, sondern nur Hägar.«
»Gut, Hägar. Hägar wer?«
»Nur Hägar, Väterchen.«
»Nenn mich nicht Väterchen, sonst bekommst du von mir satt in die Fresse, sodass du nur noch flüssige Nahrung zu dir nehmen kannst, ist das klar? Hägar, wer ist dein Vater? Denn der Vater gibt seinen Namen an den Sohn weiter.«
»Tut mir leid, weiß ich nicht!«, zuckte ich