Lausige Zeiten. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737516662
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Klingt nach einer äußerst gefährlichen Waffe!«

      »Äh, keine Ahnung, das fiel mir gerade ganz spontan ein...«

      Vom Osttor rief ein Wächter: »Macht das Tor auf! Olav III. kommt!«

      Endlich sollte ich den ominösen dritten Olav kennenlernen. Ich war sehr gespannt, wer über diese Truppe das eigentliche Kommando innehatte. Schnell wurde das Osttor entriegelt. Doch statt eines Trosses, mit bis an die Zähne bewaffneter Krieger, stapfte ein mürrisch drein blickender Elchbulle durchs Tor. An seinen Geweihschaufeln hingen nasse Wasserpflanzen. Als er den Menschenauflauf sah, gab er ein genervt verächtliches Schnaufen von sich. Nicht nur mir fiel bei diesem Anblick die Kinnlade runter. Mitnichten kam Olav III. allein. Er hatte ein recht seltsames Gefolge. Mit gebleckten Zähnen, versuchte mein wölfischer Begleiter, Olav am Fortkommen zu hindern, indem er ihm am Schwanz gepackt hielt, und in die entgegengesetzte Richtung zu ziehen versuchte. Der hungrige Jerv besaß gegen den riesigen Olav nicht die geringste Chance. So bot sich uns ein Bild, wie der mies gelaunte Elch, einen hartnäckigen und nicht minder schlechtgelaunten, hungrigen Wolf mit sich zog.

      »Jerv! Aus! Da waren deine Augen eindeutig größer als dein Maul!«, schnauzte ich.

      Der dämliche Wolf sah mich mit Unschuldsmiene an und ließ nur ungern vom großen Olav ab, der ihm zum Abschied einen mächtigen Tritt mit auf den Weg gab.

      »Hier, bei Fuß! Und sitz!«, meinte ich zu Jerv, der meinem Befehl nur widerwillig nachkam. Er warf dem leckeren Elchfleisch einen letzten sehnsüchtigen Blick zu, und schlich anschließend zu mir, wo er sich brav hinsetzte. »Du bist mindestens genauso peinlich wie ich! Und ich muss sagen, du hast dich wieder einmal sehr geschickt eingeschlichen«, tätschelte ich ihm den Kopf.

      »Macht das Westtor auf! Olav III. geht!«, rief ein Wächter, der in der Nähe des Westtores stand. So schnell wie Olav auftauchte, so flott war er auch schon wieder verschwunden. Hinter ihm schloss sich krachend das Westtor und wurde rasch verriegelt. Dem Anschein nach, war ich nicht der Einzige, der sich fragte, was das gerade eben gewesen sein mochte.

      »Kein Grund zur Beunruhigung. Das war Olav III. Er durchquert zweimal täglich unser Dorf. Früher ergab das kein Problem, weil das Gelände nicht umzäunt war, doch seit wir die Wallanlage haben, müssen wir ihm das Tor öffnen. Elche haben ihre festen Pfade, von denen sie niemals abweichen. Schon sein Großvater, Olav I. nahm diesen Pfad. Tja, dann sein Vater und jetzt der dritte Olav. Wenn wir nicht das Tor öffnen, rennt dieser dämliche Elchbulle den ganzen, lieben langen Tag dagegen an. Also, erklären wir uns bereit, ihm zweimal täglich Durchlass zu gewähren«, erläuterte Thorfried grinsend. »Der ist so pünktlich, nach dem könnten wir unsere Turmuhr stellen, wenn wir eine hätten.«

      Gelächter brandete auf. Vor unseren Augen wurden Zielscheiben aus Stroh herbeigetragen und aufgestellt. »So, genug der Worte. Die Spiele können beginnen! Da nicht alle auf einmal schießen können, geht es nach den Nummern, die ihr eingangs erhalten habt. Gutes Gelingen, allerseits. Möge der Beste gewinnen!«, beendete Thorfried seine Ansprache und zog sich zurück. Als Schiedsrichter konnte er nicht fungieren, also übernahm der Kerl vom Tor, Miðill diese Funktion.

      »In Ordnung, spannt und wenn ich es sage, solltet ihr schießen«, blickte er uns eindringlich an. Da ich die Nummer 13 hatte, konnte ich beim ersten Schwung nicht dabei sein. Also beobachtete ich die Resultate.

      Miðill gab den Befehl zum Abschuss und sechs Pfeile suchten zeitgleich ihr Ziel. Wie gesagt, einige suchten. Bei Odin, so manch ein Pfeil suchte vergebens. Stattdessen konnte der unglückliche Schütze froh sein, nicht den eigenen Fuß durchbohrt zu haben. Um so besser standen die Chancen für mich. Selbstverständlich durften die obligatorischen Zuschauer nicht fehlen. Da Dorfbewohner ebenfalls an dem Wettkampf teilnahmen, wurden diese von ihren Frauen, Kindern und Bekannten, durch Jubel, Rufen und Klatschen unterstützt. Thorfried hatte recht. Gerade beim Bogenschießen trennte sich die Spreu vom Weizen. Vier Teilnehmer zogen schon mal in die weitere Runde. Der nächste Pulk Schützen nahm seine Position ein, spannte die Bögen, bzw. Armbrüste und wartete auf das Kommando. Dabei war ebenfalls der Dunkelhäutige, der allem Anschein der Sprössling Thorfrieds war. Er machte einen durchaus gut trainierten Eindruck und beherrschte seine Sache gut. Ogfried traf mitten ins Schwarze. Somit war auch er für die nächste Runde qualifiziert. Endlich kamen ich und meine Mitbewerber an die Reihe. Der stotternde Snorri reichte mir meine Armbrust und die Bolzen. Miðill gab den Befehl zum Spannen. Alles wartete gebannt auf das Kommando zum Abschuss. Ich nahm die Zielscheibe ins Visier.

      »Abschuss!«, brüllte Miðill. Tja, als ich den Abzug betätigte, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Sehne meiner Armbrust war gerissen. Während die anderen ihre Pfeile schon auf den Weg schickten, fummelte ich an dem Gerät herum.

      »Hey, du! Ja, du! Gibt es Probleme? Hörst du schlecht, oder muss ich dir erst erklären, wie so eine Armbrust funktioniert?«, fragte Miðill gereizt.

      »Äh, keine Probleme! Lediglich eine Ladehemmung!«, warf ich ein.

      »Na, wenn das kein Problem ist, dann würde ich jetzt mal an deiner Stelle schießen, sonst wirst du disqualifiziert! Du müsstest doch wissen, dass jeder Krieger für den einwandfreien Zustand seiner Waffe verantwortlich ist! Du kannst nicht zu deinem Feind sagen: ›Moment, bleib mal eben stehen, ich habe eine Ladehemmung!‹ Vielleicht ist er ja so nett und leiht dir seinen Bogen!?«

      Gelächter erklang und ich fühlte mich unsagbar gedemütigt.

      ...Was sollte ich tun? Blöd rumstehen und dumm gucken? Das brachte mich nicht weiter. Ich musste unbedingt zu dem Mädchen. Also beschloss ich, meine seltsamen Kräfte zu bündeln und den Pfeil, gegebenenfalls, auch ohne Sehne auf den Weg zu schicken. Ich blickte auf die Zielscheibe, und um mir den Vorgang besser einzuprägen, noch einmal auf den Abzug. Nochmals auf die Zielscheibe, einem Huhn, das auf dem Boden nach Würmern scharrte, und den Weg zurück zu mir. So konzentriert, zog ich den Abzug. Der Bolzen trat seinen Weg an. Zugegebenermaßen auf eine recht ungewöhnliche Art und Weise...

      Das Publikum, zuerst aufgeregt schwatzend, wurde schlagartig still. Miðill trabte kopfschüttelnd auf die von mir anvisierte und getroffene Zielscheibe zu.

      »Mir ist ja klar, dass du einen offenbar recht krummen Verstand besitzt, aber so habe ich bisher noch niemanden mit einer Armbrust schießen sehen!«

      »Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Mir ist die Sehne gerissen!«, insistierte ich.

      »Du hast mir nicht erzählt, dass du beim Resandefolket, den Vaganten und Spielleuten warst. So, mal gucken, was du, außer dem armen Huhn, getroffen hast! Wenn du zu deinen Feinden genauso gnadenlos bist, wie zu Hühnern, dann mal Prost Mahlzeit«, grummelte Miðill, der das aufgespießte Geflügel ein wenig den Schaft des Bolzen hochschob, um das Ziel besser zu erkennen.

      »Voll ins Schwarze! Bullseye, trotz Huhn! So wie es aussieht, gibt es heute Brathühnchen zum Abendessen«, bemerkte er. Die Zuschauer lachten und begannen zu klatschen. Ohnehin glich der Wettbewerb eher einem Volksfest, als einem Duell der besten Kämpfer.

      »Leck mich am Arsch und schlag den Tryggvason!«, kratzte sich Miðill am Kopf. »Das Glück ist eindeutig mit den Dummen! Du bist eine Runde weiter. Aber das Huhn musst du uns bezahlen. Tote Hühner legen keine Eier, wenn du verstehst, was ich meine!«

      »Kein Problem, gib mir das Huhn«, kramte ich in meiner Geldkatze herum und drückte ihm ein paar Münzen in die Hand. Jerv leckte sich die Lefzen und machte Männchen. Schneller als ich gucken, oder sagen konnte: »Pass mit den Knochen auf!«, war das Huhn schon verschlungen!

      Statt der Zielscheiben, wurden jetzt Strohpuppen mit Holzrüstungen in etwa sechs Metern Entfernung aufgestellt. Die Dorfbewohner hatten wirklich keine Mühen gescheut, als sie diesen Wettbewerb vorbereiteten. Auf dem Brustharnisch prangte statt einer Zielscheibe, ein rot aufgemaltes Herz. Die Vorgehensweise war bekannt, und wie gehabt, kamen wir entsprechend den Nummern nach, an die Reihe. Diesmal war es Pflicht, das Ziel genaustens zu treffen.

      … Nebenbei muss ich anmerken, dass es gar nicht so einfach ist, überhaupt irgendetwas mit einer Axt zu treffen. Alles in allem, nichts für ungeschickte Leute. Zu leicht kann man sich selbst damit verletzen. Unkoordinierten