Lausige Zeiten. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737516662
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sie ohne Hilfsmittel, lediglich mit reiner Körperkraft geworfen wird. Außerdem dreht sie sich während des Wurfs einmal um ihre eigene Längsachse. Damit der Wurf tadellos gelingt, sind ein gutes Auge, eine ruhige Hand, Kraft und Konzentration gefragt. Übung ist natürlich von Vorteil. Nur wusste ich nicht, ob ich jemals zuvor so ein Gerät in der Hand hielt...

      Als Snorri mir ein gut ausbalanciertes Beil in die Hand drückte, fühlte sie sich vertraut an und ich war zuversichtlich, schon einmal damit umgegangen zu sein. Mir kam dabei der Name »Fliegende Walküre« in den Sinn. Was es damit auf sich hatte, konnte ich mir nicht erklären. Aber zumindest musste dieser Begriff etwas mit mir zu tun haben.

      Meine Konkurrenten schlugen sich wacker. Doch von allen tat sich der dunkelhäutige Ogfried besonders hervor. Er traf das Ziel mit gekonnter Akkuratesse. Sein Wurf hatte ein Verve, als beherrsche er die Situation aus dem Effeff. Wie ich schon am Tor mitbekam, war er ziemlich umtriebig gewesen und kam aus dem Süden, wo er anscheinend in der Armee irgendeines Königs gedient hatte. Seltsamerweise erkenne ich einen Soldaten, wenn ich einen sehe, und dieser hier war hervorragend.

      Definitiv dünnten sich die Reihen der Bewerber aus. Die meisten Teilnehmer nahmen es eher gelassen, und sprachen dafür reichlich dem Met zu, nachdem sie ausschieden.

      Nach seinem tadellosen Wurf, sah mich Ogfried herausfordernd an und zwinkerte mir zu: »Tja, du kannst es lieber gleich bleiben lassen. Ich hoffe, du hast wenigstens vom Zusehen etwas gelernt!«

      »Nimm deinen Mund mal nicht so voll, mein Schoko-Prinz! Das Mädchen gehört zu mir!«, blaffte ich zurück.

      »Das werden wir ja sehen«, grinste er charmant und verbeugte sich.

      … Boah, wie ich diesen Kerl hasste!... Dafür bekam er den Stinkefinger. Mit seiner dummen Bemerkung hatte er meinen Zorn befeuert. Falls wir uns im Endkampf gegenüberstehen sollten, so schwor ich mir, würde ich ihm den Hals umdrehen. Ganz egal, was sein Papi Thorfried dazu sagte.

      Daraufhin sah mich mein Manager fragend an, sodass ich mich mit ihm umgehend beratschlagte.

      »Okay, Jerv. Bleib schön hier sitzen, ich werde das Kind schon schaukeln. Apropos Kinder... Halte dich von den Kindern hier fern. Die Dorfbewohner sehen es nicht gern, wenn ein Wolf unter ihnen ist. Zwar frage ich mich, warum die Dorfhunde das dulden, aber wahrscheinlich verstehen sie nicht, dass du dich nur als Hund getarnt hast. Also, bleib sitzen und rühre dich nicht. So, ich bin jetzt dran!« Wie jedes Mal, wenn ich mit dem Wolf sprach, kam ich mir äußerst albern vor.

      Kurz war ich versucht, statt die Strohpuppe, den Ogfried zu treffen, doch nahm ich mich zusammen und fasste das aufgemalte Herz ins Auge. Mit Schmackes ließ ich die Axt los, die ohne Umschweife direkt das Holz spaltete.

      Die Umstehenden murmelten, was Miðill dazu veranlasste, den Holzharnisch genauer zu untersuchen. »Scheiß die Wand an und schlag den Tryggvason! Mitten rein! Verdammt! Wo ist der Axtkopf geblieben?«, kratzte er sich am Kopf und betrachtete etwas ratlos den Stiel, der aus dem aufgemalten Herz ragte. Es sah aus, als hätte jemand das Herz gepfählt. Miðill hob die Holzplatte an und zog die Brauen in die Stirn.

      »Leck mich am Arsch! Das habe ich auch noch nicht gesehen. Der Axtkopf ist durch das Holz und es hat sich hinter ihm wieder geschlossen. Hm, ich glaube, ich muss meine Meinung dir gegenüber revidieren, Hägar«, gab er etwas kleinlaut zu.

      »Dddd...die... Aaa Aaxt hatttt sssi siich... nicht maaa mal ge gedrrrr gedreht!«, stotterte Snorri. ...Und ich genoss Ogfrieds verblüfftes Gesicht...

      »Bein Odin, der Kerl ist ein wahrer Berserker!«, tuschelte Miðill mit Snorri. Dann hielt er inne... »Hägar, du bist eine Runde weiter.«

      »Gut, etwas anderes wollte ich auch gar nicht hören!« Zufrieden drehte ich mich zu Jerv um. Der Anblick der sich mir bot, verschlug mir beinahe die Sprache.

      Jerv hatte sich zwar nicht gerührt, doch klebte ein Pulk Dorfkinder an ihm, die ihn begeistert kraulten, tätschelten und streichelten. Und der komische Wolf lag auf dem Rücken, wie eine sich anbietende Hure und ließ alles über sich ergehen, blinzelte nur und zeigte kurz die Zähne.

      »Ja, ja... Grinse nur! Du hast ja recht. Du hast dich nicht von der Stelle gerührt und kannst absolut nichts dafür, wenn du auf die Kinder so anziehend wirkst! Ich frage mich wirklich wer, oder was du bist!«

      Selbstredend blieb Jerv mir auch diesmal eine Antwort schuldig...

      *

      Tute hoc intristi, tibi omne est exedendum. Du hast es dir eingerührt; du musst es auslöffeln.

      (Terenz)

      Gyttha schrubbte Molly etwas energischer als nötig den Rücken. »Du warst sehr ungezogen! Was ist nur in dich gefahren?«

      »Wieso? Ich habe dem kleinen Schweinchen überhaupt nichts getan!«, rechtfertigte sich Molly aufgebracht.

      »Die Rede ist doch nicht von dem Schweinchen, sondern von Hjálmarr!«

      »Oh, ach so, da gibt es wohl kaum einen Unterschied. Er grunzt und stinkt genauso. Außerdem habe ich mich bei ihm entschuldigt! Er warf meine Medizin ins Feuer! Und dafür hat er nicht bei mir um Verzeihung gebeten! Die ganzen Tabletten samt Etui, sind nur noch ein Häufchen Asche!«, platschte Molly wütend mit der Hand ins Badewasser.

      »Hör bitte mit der Planscherei auf. Ich glaube kaum, dass er von deiner Entschuldigung allzu viel mitbekommen hat, als du den Eimer auf seinem Schädel zerschmettertest«, antwortete Gyttha leicht säuerlich. »Dabei musste sein armer Kopf schon genug einstecken! Nun hat er eine dicke Beule.«

      »Macht nichts! Jetzt hat er wenigstens frisch gewaschenes Haar!«, pampte Molly zurück. Sie hatte sich erst dazu bereit erklärt in die Wanne zu steigen, als sie vollkommen ausgezogen war. Gyttha durfte selbstverständlich nicht dabei anwesend sein, um sie zu entkleiden. Sie kam erst dazu, als die Jüngere schon in der Wanne saß. Die Nordfrau konnte sich zwar nicht erklären, warum das junge und hübsche Mädchen so prüde war, zeigte sich jedoch einverstanden und akzeptierte ihre Bedingungen. Ohnehin war sie froh, Molly nicht auch noch in die Wanne jagen zu müssen, so wie sie es regelmäßig mit ihrem Gatten und den Kindern veranstalten musste.

      »Was soll ich nur mit dir anstellen? Hm?«, fragte Gyttha ratlos. »Wenn du zur Hochzeitsgesellschaft kommst, wird mir angst und bange, du könntest mit dem Tranchiermesser auf die Gäste losgehen! Tja, Fräulein, das hast du dir alles selbst zuzuschreiben, aber du wirst nicht an deiner Feier teilnehmen!«

      »Was? Wieso das denn? Wo bleiben denn meine Rechte? Ich darf nicht mal an meiner eigenen Hochzeitsfeier teilnehmen, geschweige denn mitbestimmen, welchen Kerl ich heiraten will? Ihr habt mich zu nichts anderen degradiert, als zu einem rechts- und willenlosen Stück Fleisch!«, fauchte Molly aufgebracht.

      »Für ein Stück Fleisch machst du aber einen ganz schönen Wirbel! Jeder Mann weiß, dass eine Frau mehr als ein bloßes Stück Fleisch ist«, fuhr Gyttha dazwischen. »Dabei behandeln wir dich wirklich nicht schlecht, oder? Wir geben dir zu essen, baden dich und anschließend darfst du auch noch im schönsten und größten Haus des gesamten Dorfes wohnen! Will sagen: Du bist schlicht und ergreifend undankbar!«

      Molly horchte auf. »Was sagst du da? Das schönste und größte Haus?«

      »Natürlich, das steht dem besten Krieger und seinem Weibe zu. Wenn du vollständig trocken und angekleidet bist, und ich dein Haar frisiert habe, bringe ich dich in dein neues Zuhause«, erklärte Gyttha.

      Trotz der Aussicht, mit einem Mann verheiratet zu werden, den sie womöglich nicht einmal leiden konnte, und das auch noch gegen ihren Willen, musste Molly zugeben, dass sie in Bezug auf ihre neue Wohnstätte, nun doch ein bisschen neugierig wurde. Und wenn es stimmte, was Gyttha behauptete, nämlich, die Frau besaß im Hause das Sagen und die Schlüsselgewalt, winkte ihr immerhin ein gutes Stückchen Freiheit. Wenn sie allerdings Pech hatte, würde ihr Ehemann sie ins Haus sperren und falls sie nicht nett genug zu ihm war, vielleicht sogar den Schlüssel wegwerfen. Zumindest hoffte sie, den Kerl ins Haus einschließen zu können und schleunigst die Flucht anzutreten. Selbst wenn sie Ragnor und Esther nicht