Lausige Zeiten. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737516662
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ging schon mal voraus, um ein paar Sachen für unsere weitere Wanderung zu besorgen. Also ging ich zum Jarl und forderte unseren Lohn. Der wollte aber ums Verrecken nicht zahlen, bemäkelte dies und das, sagte sogar, wir wären Betrüger und sollten uns zum Teufel scheren, sonst setzt er uns fest. Ich ließ aber nicht von unserer offenen Rechnung ab. Tja, und dann flippte er aus und verprügelte mich ganz fürchterlich, obwohl ich mich nicht einmal wehrte. Er ist doch der Jarl, der ohnehin das Sagen hat. Außerdem ist er derjenige, der über andere zu Gericht sitzt. Was dann passierte, daran kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Mein Bruder sagte, er hätte mich halbtot vor den Toren der Burg gefunden. Tja, wie du siehst, ist das überhaupt nicht lustig.«

      »Oje! Das tut mir fürchterlich leid. Gyttha sagte schon, dass dieser Kerl ein grausames Monster wäre. Und so jemand ist der oberste Richter. Was passierte dann, als dich dein Bruder fand?«

      »Ein Bauer brachte uns mit seinem Karren ins Dorf. Ein Fischer, der dort gerade seine Ware verkaufte, sagte meinem Bruder, es gäbe da eine Insel, wo die Menschen nicht mehr drangsaliert würden. Er brachte uns hier her und die Heilerin pflegte mich wieder gesund. Und während sie das tat, bat sie Odin, mich zu heilen. Tja, seitdem sind wir hier und beten wieder zu den alten Göttern unserer stolzen Ahnen.«

      »Ah, ich verstehe. Eigentlich dachte ich, ihr seid so etwas wie Strauchdiebe. Aber langsam sehe ich ein, dass ihr nur hier seid, weil man euch woanders wie Hunde behandelte. Aber nichtsdestotrotz bin ich eure Gefangene.«

      »Du wirst sehen, Sternenmädchen...«

      »Mein Name ist Molly!«, pampte sie zurück.

      »Ist egal, du bekommst sowieso einen einheimischen Namen. Du heißt jetzt Måne Regenbue«

      Für alle, die sich fragen, wie dieses A mit dem Kringel drauf ausgesprochen wird: Es spricht sich wie ein O. Also klingt Måne, wie Mone.

      »Trotzdem wirst du sehen, dass es hier auf der Insel wesentlich besser ist, als woanders. Hier herrscht Gerechtigkeit und es geht uns allen gut!«

      »Das ist ein blöder Name! Was soll der heißen? Ja, euch geht es hier gut, weil ihr andere Menschen beklaut!«

      »Gar nicht wahr, wir bestehlen nur die Reichen, die andere ausbeuten. Ansonsten versorgen wir uns selbst. Wir haben Vieh, Fische und Gemüse, das die Frauen anbauen. Wieso ist das ein blöder Name? Måne Regenbue bedeutet Mondregenbogen.«

      »Einen Mondregenbogen gibt es doch gar nicht«, behauptete Molly. »Ja, ich lebe ab jetzt in einem echten Paradies! Nur weiß ich noch nichts davon«, grinste sie sarkastisch.

      »Jetzt werde mal nicht frech!«, motzte Hjálmarr zurück. »Es gibt sehr wohl einen Mondregenbogen! Und eins will ich dir mal sagen: Woanders weißt du auch nicht genau, was dir der nächste Tag bringt, aber hier werden wir wenigstens nicht von irgendwelchen Möchtegern-Königen regiert und wie Dreck behandelt!«

      »Ja, ich habe es kapiert, du musst deshalb nicht extra laut werden. Hjálmarr? Wärst du so nett, mich einen kleinen Moment allein zu lassen?«, fragte Molly liebenswürdig. Sie wusste, wie Hjálmarr darauf reagieren würde.

      »Nein, du führst doch wieder irgendetwas im Schilde! Wenn ich die Tür aufmache, rennst du raus, oder so!«, raunzte er zurück.

      »Das stimmt nicht, meine Blase drückt.«

      »Dann setz dich auf deinen Eimer!«, nörgelte der Blonde.

      »Ich finde es äußerst entwürdigend, während deiner Anwesenheit in einen Eimer zu strullen!«

      »Na und? Was ist denn schon dabei?«, grinste er.

      »Dann dreh dich wenigstens um!«, meinte Molly verärgert.

      »Okay, ich drehe mich um. Soll ich für dich ein kleines Liedchen pfeifen, damit es dir nicht so unangenehm ist?«

      »Nein, nicht nötig, dreh dich mit dem Stuhl um! Du sollst mir nicht dabei zusehen, hörst du?!«

      »Ihr Weiber seid einfach nur gespielt schamhaft! Wir Kerle pinkeln sogar zusammen und gucken, wer es am weitesten schafft! Nun lass schon laufen und zier dich nicht.«

      »Ja, ja. Und dabei gleich noch gucken, wer den Größten hat, wie? Das ist mir völlig egal, denn ich bin kein Kerl!«, entgegnete Molly und griff sich den Eimer, während Hjálmarr brav mit dem Stuhl in die abgewandte Blickrichtung rückte.

      Er hörte lediglich das Rascheln ihrer Kleidungsstücke und verließ sich voll und ganz darauf, gleich die obligatorischen Pinkel-Geräusche zu vernehmen. Stattdessen traf ihn der Eimer unverhofft mit voller Wucht am Hinterkopf.

      »Autsch!«, brach der Blonde samt Stuhl zusammen, während ihm das Wasser des Eimers, kalt über Kopf und Schultern lief. Wie ein gefällter Baum blieb er liegen.

      »Tschuldigung, tut mir echt leid, das hast du nicht verdient, aber ich muss hier weg!«, sagte Molly bedauernd, grabschte die Bluttabletten vom Tisch und stürmte durch die unverschlossene Tür ihres Holzverschlags. Aus dem Augenwinkel registrierte sie, wie ein kräftiger Mann vor der Hütte saß, und sie leicht verdutzt aus schläfrigen Augen musterte. Das Bewachen der Hütte hatte ihn weitestgehend ermüdet. Völlig verdattert, sie so unerwartet zu sehen, konnte er gar nicht schnell genug in einen höheren Gang schalten.

      »Hey! Du! Hiergeblieben!«, rief er der Flüchtenden hinterher.

      »Hey, selber du! Nix da, ich bin doch nicht blöd!«, fauchte Molly und flitzte behände einer unbekannten Zukunft entgegen. Doch wohin sollte sie fliehen?

      Ein Hämmern zog ihr Interesse auf sich. Leute anrempelnd, Hühner tretend und immerzu Zickzack laufend, bahnte sie sich ihren Weg zur Schmiede. Die Hitze der Esse verschlug ihr beinahe die Luft zum Atmen. Am Feuer hämmerte der Schmied konzentriert, mit einem roten, Schweiß überströmten Gesicht, auf einem glühenden Rohling herum. Überrascht von diesem unerwarteten Besuch, hörte der Schmied abrupt mit dem Hämmern auf. Schnell griff Molly nach einem mächtigen Hammer. Leider bekam sie ihn nicht hochgehoben.

      Panisch registrierte sie, wie hinter ihr Alarmrufe und darauffolgendes, für sie unverständliches Kauderwelsch, ertönte.

      »Na, Jente? Ist der nicht ein bisschen zu groß und schwer für dich?«, fragte der Schmied belustigt, als er von seinem Tagwerk aufsah, das er zuvor mindestens genauso kritisch musterte wie seine Besucherin. »Pass auf, dass dir das Ärmchen nicht abbricht!«, lachte er gutmütig.

      »Urgh! Puh, hast du nicht einen leichteren?«, blies Molly die Backen auf.

      Der Schmied zeigte mit seinem fleischigen Daumen über die Schulter. »Jo, da hinten. Aber wieder zurückbringen, klar? Mein Name ist Balti.«

      Geschwind rannte Molly zu dem Gestell, welches verschiedene Schmiedewerkzeuge enthielt und griff nach einem kleineren Damenhammer.

      »Kein Problem, Meister!«, sagte sie - und rannte so frisch gewappnet, mit ihrer Beute davon. Leider waren alle Tore verschlossen und die Anzahl ihrer Verfolger nahm stetig zu. Ohne einen genauen Plan zu haben, wohin es eigentlich ging, flüchtete sie in einen Stall, in dem die Schweine erschrocken quiekten, als sie mit ihrem Hammer hereinstürmte. Ihre Verfolger waren ihr dicht auf den Fersen, stauten sich aber vor der Tür, durch die nicht alle gleichzeitig hindurch kommen konnten und deshalb ineinander aufliefen.

      Molly blickte zornig zum Eingang, wo die grimmigen Kerle lauerten, dazu ein paar schaulustige Damen, die aufgeregt miteinander tuschelten und natürlich Kinder, die nichts verpassen wollten. Zuletzt bahnte sich Gyttha den Weg durch die Menge, in Begleitung von Hjálmarr, der wie ein begossener Pudel aussah.

      Diese außergewöhnlichen Umstände drängten Molly zum Äußersten – sie nahm eine Geisel.

      »Wenn ihr mich nicht gehen lasst, dann schlage ich diesem süßen Ferkel den Schädel ein! Oh, guckt doch mal, wie niedlich und unschuldig es ist! Ist mir aber egal!«, drohte sie mit dem Hammer. Niemand, außer dem ängstlichen Ferkel schien sonderlich beeindruckt zu sein. Ganz im Gegenteil. Sie erntete stattdessen wildes Gelächter.

      »Ganz toll, Måne!«, lächelte Gyttha geduldig, während sie die anderen Gaffer