Lausige Zeiten. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737516662
Скачать книгу
eiserner Entschluss.

      »Kann ich denn nicht schon nach dem Baden das Haus besichtigen?«, fragte Molly interessiert.

      »Nein, zuerst muss Gyllen Lockes, die Frau des vorherigen Første Kriger ausziehen. Eigentlich sollte das längst passiert sein, aber, wollen wir es mal so ausdrücken: Sie war in letzter Zeit ein wenig antriebslos«, erläuterte Gyttha mitfühlend.

      »Oh, warum muss sie denn ausziehen?«, fragte die Badende mitleidig.

      »Weil sie jetzt nicht mehr die Frau des Ersten Kriegers ist«, sagte Gyttha und wusch Molly das Haar. »So ist es nun mal Brauch und Sitte bei uns. Deshalb muss sie das Haus räumen, um Platz für den nächsten Besten Krieger und seinem Weib zu machen. Als Thorfried den Posten an seinen Nachfolger abgab, war Ogfried noch sehr klein und es wäre nicht richtig gewesen, wenn er mit seinen Frauen in ein winziges Haus zieht. Das große Haus stand sowieso leer, also wurde es zum Haus des Ersten Kriegers ernannt. Es bietet genügend Platz für eine Handvoll Kinder.«

      »Aha. Und es macht Gyllen Lockes nichts aus, das Haus zu räumen?«, rieb sich Molly die Seife aus dem Auge, die unangenehm brannte. »Frauen? Er hat mehrere davon?«

      »Natürlich macht es Gyllen etwas aus! Mich würde es ebenfalls stören, mein trautes Heim zu verlassen, schon mal ihr Vater damals das Haus für seine Familie baute. Aber, es ist nun mal so, und sie kann schließlich nicht bei euch wohnen, oder? Und ja, Thorfried hatte mehrere Frauen. Ich will ja nicht tratschen, aber sie hatten ihn ganz gut im Griff. Mittlerweile lebt er nur noch mit der schwarzen Ogbawe zusammen, der Mutter seines jüngsten Sohnes Ogfried, die anderen sind längst gestorben.«

      »Was sagt denn Gyllen Lockes Vater dazu, dass sie das Haus verlassen muss?«, fragte Molly neugierig.

      »Keine Ahnung, das kannst du ihn selbst fragen, er liegt unter dem großen Runenstein! Mal sehen, ob und was er darauf antwortet«, grinste Gyttha.

      »Ja, den Hügel mit dem Runenstein habe ich schon gesehen. Oh, dann ist er also gestorben?«

      »Natürlich ist er tot, wir sind doch keine Barbaren und begraben die Leute lebendig! Sein Tod ist schon sehr lange her. Außer Thorfried und Gyllen Lockes kann sich kaum noch jemand an ihn erinnern. Die meisten die hier zu der Zeit auf der Insel lebten, sind auf´s Festland gegangen, um für uns ein ausreichendes Netz an Informanten aufzubauen. Viele gingen später in den wärmeren Süden. Dort erbte jemand ein Gut auf Sizilien, von seinen Verwandten, der es besser machte und einem reichen König diente, anstatt hier in der Kälte zu hungern. Ach ja, wo war ich. Genau, der Vater. Eigentlich soll niemand erfahren, wo sie ihn begruben. Aber Gyllen sagte es mir im Vertrauen, also erzähle es niemanden weiter, hörst du?«

      »Wem sollte ich das erzählen? Und wen interessiert das schon?«, gähnte Molly.

      »Jedenfalls hatte dieser Bursche eine Menge auf dem Kerbholz, trug man mir zu. Wirbelte damals eine Menge Staub auf. Er kam mehr oder weniger mit dem Gesetz in Konflikt. Wie eben die meisten hier«, zuckte Gyttha mit den Achseln und schüttete die letzte Kanne sauberen Wassers über Mollys Haar.

      »Hm, dein Haar fühlt sich seltsam an. Ich sollte es mit Apfelessig spülen«, bemerkte Gyttha und ging nach draußen, um welchen zu holen. Vorsorglich sperrte sie hinter sich die Tür zu. Molly lauschte dem volksfestartigen Tumult, der von draußen herein tönte.

      »Von wegen Apfelessig holen, du bist nur neugierig, Gyttha!«, brummelt sie.

      Kurze Zeit später kam die blondbezopfte Frau zurück und schloss die Tür wieder auf. Sichtlich aufgeregt, trug sie den Essigkrug wie einen Säugling an ihre Brust gedrückt. Ihre Wangen waren gerötet, wie die eines schüchternen Schulmädchens.

      »Ach, bald ist es so weit! Es treten nur noch wenige Bewerber gegeneinander an. Ogfried ist auch dabei. Der große Blonde, Hägar, mit den außergewöhnlich grünen Augen, scheint ebenfalls ein haushoher Favorit zu sein. Miðill, mein Gemahl, ist einer der Preisrichter und erzählte mir gerade eben, dass wir bald den Ersten Krieger ermittelt haben!«

      »Und sieht Hägar gut aus?«, fragte Molly weniger begeistert.

      »Also, ich mag ihn. Miðill meinte, er wäre etwas seltsam und rede wirres Zeug, aber was heißt das schon«, gab Gyttha kichernd zu. »Der Ogfried wäre aber auch keine schlechte Partie für dich. Er ist schön dunkelhäutig und Thorfrieds Sohn. Egal, beide machen einen recht potenten Eindruck, wenn du verstehst, was ich meine.«

      »Du denkst wohl immer nur an das Eine, wie? Na, du hast es wohl echt nötig?«

      »Wieso? Die Kerle gucken doch auch hübschen Mädchen wie dir hinterher!«

      »Das ist mir völlig egal, ich werde weder den einen, noch den anderen mögen! Super Auswahl! Ein Afro-Amerikaner, äh, Amerika wurde ja noch nicht entdeckt!... Ein Afro-Norweger und ein wirr redender Blondschopf! Na toll, wenn Hägar gewinnt, habe ich morgen Früh bestimmt Blaue Flecken am Bauchnabel!«, meinte Molly, die Augen verdrehend.

      »Wieso, am Bauchnabel?«, fragte Gyttha verwirrt.

      »Ach, ihr kennt wohl keine Blondinen-Witze, wie? Warum haben Frauen manchmal Blaue Flecken am Bauchnabel? Na, ganz einfach: Es gibt schließlich auch blonde Männer!«

      »Verstehe ich nicht!«, schüttelte Gyttha den Kopf.

      »Wieso auch? Wenn dein Mann genauso blond ist, wie sein Bruder, hast du bestimmt jeden Tag Blaue Flecken am Bauchnabel, falls du ihn nicht vorher aufgeklärt hast, wo er rein muss...«

      Wenig später war Molly abgetrocknet und bereit sich zu bekleiden. Eigentlich wollte sie es selbst tun, jedoch musste sie zugeben, bei all den Bändern und Schleifen ihres Brautkleides schlichtweg überfordert zu sein. Gyttha ging ihr helfend zur Hand, frisierte anschließend Mollys Haar.

      »Du willst doch nicht diese klobigen schwarzen Stiefel zu deinem weißen Brautkleid anziehen, oder?«, fragte sie entsetzt.

      »Doch, zumindest so lange, bis ich im neuen Haus bin. Sonst werden die weißen Schuhe ganz schmutzig!«, warf Molly ein, der die weißen Brautschuhe gänzlich schnuppe waren. Sie wollte keinesfalls auf ihre robusten Treter mit den Stahlkappen verzichten. Gute Schuhe sind nur solche, in denen man jederzeit vor seinen Feinden davonlaufen konnte. Außerdem trug sie noch etwas ganz anderes, vor aller Augen verborgen, im Stiefelschaft. Das hatte sie sich von Ragnor abgeguckt. »Gehe niemals nackig raus!«, riet er ihr damals. Molly musste zugeben, dass sie diesen ungehobelten Rüpel schrecklich vermisste. Nur, wo steckte der Kerl? Sie konnte einfach nicht glauben, dass er ein Opfer des Wapplers geworden war. Opfer waren für ihn bisher immer nur die anderen. Sie glaubte nicht daran, dass er nur noch als Aschehäufchen im Krater existierte. Dann wären all die Mühen umsonst gewesen.

      »So gesehen, hast du auch wieder recht!«, nickte Gyttha, die nicht den geringsten Verdacht schöpfte, Molly könne abermals aktiv an einem Fluchtplan arbeiten.

      Sie gingen gemeinsam zum Haus des Ersten Kriegers. Dabei kam mehr Gemeinsamkeit auf, als Molly eigentlich lieb war. Hjálmarr und der Verschlafene, bildeten gemeinsam eine Eskorte, bzw. spielten so etwas wie Leibwächter. Ihre höchste Priorität lag darin, darauf aufzupassen, dass Molly ihnen nicht entwischte. Sie blickten das Sternenmädchen mit gebührenden Respekt an, oder vielleicht suchten sie lediglich nach heimtückisch verborgenen Waffen.

      »Ihr zwei Nasen hättet wenigstens ein paar hübsche Blumen mitbringen und streuen können«, kommentierte Molly diesen skurrilen Umzug.

      »Wir hatten leider nicht genug Zeit, um Disteln für dich zu finden, du Hexe! Denk nicht mal daran, Dummheiten zu machen!«, schnappte Hjálmarr noch immer beleidigt. Dabei machte er einen äußerst mitgenommenen Eindruck. Er ging nach wie vor recht breitbeinig, trug eine dicke Beule am Kopf und sah mehr als nur müde aus.

      Zumindest hatte Gyttha nicht zu viel versprochen, was das Haus betraf. Es bestand aus einer solideren Bauweise, als die restlichen Gebäude im Dorf. Dies war ein richtiges Blockhaus und keine Bretterhütte. Zwei kunstvoll geschnitzte und sich überkreuzende Drachenköpfe zierten den Dachfirst.

      Gerade, als Molly als Erste ihr neues Heim betreten sollte, kollidierte sie beinahe im Türsturz mit