Vampire essen keine Pasta. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737581219
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Ausdruck an. Er ging einen Schritt beiseite und ließ uns eintreten. »Prego, si accomodi!«, sagte er, setzte sich auf seinen Platz, holte eine Thermoskanne hervor und goss sich einen Becher Kaffee ein. Uns schien er dabei völlig vergessen zu haben.

      Ich schlich mit Agnir an ihm vorbei, Malfurion spazierte kackfrech hinterher, sich nicht einmal die Mühe gebend, die Füße zu heben.

      »Hey, das war wie die Szene mit Obi-Wan Kenobi bei Star Wars. Äh, wird er uns hören und sehen?«, wollte ich wissen.

      Mein Schöpfer winkte ab. »Er wird sich nicht einmal daran erinnern, dass er uns die Tür öffnete. So, dann lasst uns mal mit unserer Besichtigungstour beginnen.«

      Agnir löste sich von meiner Hand und ging zu seinem Kumpel Ructus. Die beiden waren so dicke Freunde, dass sie sich sogar ohne viele Worte unterhalten konnten. Sie tauschten Blicke und kicherten, als sie ein paar alte Tontöpfe sahen. Weiß der Geier, was sie sich dabei dachten. So richtig interessant sah das wirklich nicht aus. Seltsamerweise blieben von vielen Zivilisationen meistens nur ein paar Tonscherben erhalten, während die Waffen, Häuser und andere Kostbarkeiten, dem Zahn der Zeit nicht standhalten konnten. Jedenfalls besaßen die Etrusker Tongefäße wie viele andere Kulturen auch.

      Dieser Besuch im Museum erinnerte mich an eine unschöne Geschichte im Louvre. Natürlich ist dieses kleine Museum nicht mit dem Louvre zu vergleichen, aber trotzdem fühlte ich mich unschön daran erinnert, wie Gemälde und Statuen urplötzlich zu leben begannen und Barbiel und mir dabei heftig zusetzten. Zum Glück gab es hier keine Gemälde, und außer einer römischen Statue, keine weiteren Machwerke dieser Sorte.

      Während die Kinder die Ausstellungsstücke betrachteten, begann ich mit Malfurion ein Gespräch: »Nun erzähle mir doch einmal, wie du die Sache mit Lord Seraphim überlebt hast. Und warum mir jeder erzählt, du seist dabei umgekommen.«

      Er sah mir tief in die Augen. »Was ich dir erzähle, wird dir garantiert nicht gefallen, aber ich kenne dich zu gut. Du würdest sowieso so lange drängen, bis ich dir alles erzählt habe.«

      »Richtig«, nickte ich.

      Inzwischen waren wir in der Ägyptischen Abteilung angekommen und die Jungs drückten sich am Glaskasten einer Mumie die Nasen platt. Ich fand das alles andere als nett. Beinahe ergriff mich Mitleid, aber nur beinahe. Jedoch las ich mal, wie sehr die alten Ägypter an ein Leben nach dem Tode glaubten. Ihr ganzes Leben war darauf geprägt und ausgerichtet, alles für ihren Tod penibel vorzubereiten, um dann nach ihrem Ableben, quasi im Nonplusultra des diesseitigen Lebens, weiterzuexistieren. Gerade weil sie so viel Wert darauf legten, fand ich es grässlich, diese Mumie hier in einem Museum ausgestellt zu sehen. Damals bedienten sich sämtliche Kolonialmächte an den Schätzen Ägyptens. Jeder schleppte davon, was er tragen konnte. So landete der Stein von Rosette in London, wo er meiner Meinung nach, überhaupt nicht hingehört. Und in vielen Städten stehen Obelisken, die dort quasi als Diebesgut abgestellt wurden. Deshalb plädiere ich, alle Kunstschätze, die nicht aus dem eigenen Land stammen, sollten an deren wahre Besitzer zurückgegeben werden. Alles andere kommt einem Ausverkauf fremder Kulturen nahe. Denn ein Volk kann nur seine wahre Identität in der Geschichte begreifen, wenn es Besitzer und Bewahrer seiner eigenen Kultur ist.

      »Kinder, geht da nicht so nah dran! Ich finde es überaus geschmacklos, die Totenruhe dieses Mannes zu stören! Und nichts anfassen!«, ermahnte ich sie.

      »Ja, Papa, ist gut!«, meinte Agnir ganz lieb und hielt Abstand.

      Ich wandte mich wieder meinem Schöpfer zu. »Ich bin ganz Ohr! Kannst beginnen«, nickte ich.

      »Dir wird nicht entgangen sein, dass wir dich damals mit Absicht bei den Michaelern einschleusten«, begann mein Schöpfer.

      Dieses Thema traf mich immer zutiefst, denn als mich damals auf dem Schlachtfeld Dyna nicht mitnahm, sondern zurückließ, als sie nach verlorenem Kampf flüchtete, geriet ich in die Hände der Michaeler Ritter, unseren erklärten Feinden. Zuerst sollte ich vor aller Augen hingerichtet werden, doch nachdem ich mich tapfer wehrte, bekamen meine Feinde den Befehl, mich lediglich gefangenzunehmen. Sie wollten, dass ich ihnen Informationen lieferte, vor allem, was die Bewachung der Vampirfestung betraf, jedoch schwieg ich stattdessen eisern. Für meine Verstocktheit durfte ich ein paar Jahre die Architektur des Kerkergewölbes studieren. Irgendwann kamen die Michaeler auf die Idee, mir immer wieder ein paar kleine Aufgaben zukommen zu lassen. Vor allem, was das Foltern anderer betraf. Schon allein meine Gegenwart lockerte die Zungen der anderen Gefangenen, denn niemand hält sich gern mit einem Wesen in einer Zelle auf, das in der Nahrungskette über ihnen steht. Keiner sitzt gerne mit einem Haifisch in der Badewanne. Im Laufe der Zeit wurde ich immer mehr von den Michaelern akzeptiert und schließlich in ihre Dienste genommen. Nachdem ich meinem Dienstherren den Eid geschworen hatte, galt ich nicht mehr als Gefangener und durfte mich frei bewegen. Zuerst war ich für die Gefangenen zuständig, doch nach und nach arbeitete ich mich ohne Ehrgeiz nach oben. Schließlich war ich älter als alle anderen und kannte mich beinahe überall bestens aus. Und da ich ohnehin zu Malfurions Elitekämpfern zählte, durfte ich bald die Rekruten ausbilden. Mit der Zeit verdiente ich mir das Vertrauen des Lords, bekam sogar das Bürgerrecht und durfte Eigentum erwerben. Bald besaß ich sogar ein eigenes Haus.

      Dann wurde es ein wenig kompliziert, denn mein Schöpfer kontaktierte mich, er bräuchte dringend meine Hilfe. Und wieder geriet ich ungewollt zwischen die Fronten. Einerseits wollte ich mit meinem Schöpfer nichts zu tun haben, andererseits schwelte noch immer der Hass in mir, weil die Michaeler, diese religiösen Fanatiker, überhaupt an meiner gesamten Misere schuld waren. Also willigte ich ein, die direkten Söhne und Töchter Malfurions vor der Hinrichtung zu bewahren. Denn inzwischen hatte ich die Kontrolle über die vampirischen Gefangenen übertragen bekommen. Wenn jemand fragte, wo ein Gefangener abgeblieben sie, gab ich zur Antwort, ich hätte ihn umgebracht. Stattdessen war er durch einen geheimen Gang in der Kanalisation, wieder in die Freiheit geschleust worden. Ständig musste ich auf der Hut sein, nicht bei einem dieser Vorhaben erwischt zu werden und meinen eigenen Kopf zu verlieren.

      Tja, und eines Tages, lief mir die Tochter von Lord Seraphim über den Weg. Nicht dass ich sie nicht schon vorher kannte; ich hatte sie nur als dürres Mädchen, mit viel zu großen Füßen in Erinnerung. Doch das, was ich als Mala wiedererkannte, verschlug mir beinahe den Atem. Sie war wirklich außerordentlich attraktiv. Im Gegensatz zu den damaligen Damen, wollte sie eine Beschäftigung, die ihres Ranges angemessen war. Ausgerechnet bei mir, wollte sie eine Bestandsaufnahme im Kerker machen. Ich hingegen verweigerte ihr den Zutritt. Daraufhin drehte sie ganz schön an der Orgel. Und da ihr Vater ihr nie eine Bitte abschlagen konnte, bekam sie doch noch eine Besichtigungstour durch den Kerker. Die fehlenden Häftlinge störten sie nicht, stattdessen zeigte sie reges Interesse an mir und daran, dass ich auf ihrer Seite, und nicht auf der ihres Vaters stand. Jedenfalls verabredeten wir uns zu einem vielversprechenden und äußerst konspirativen Rendezvous.

      Als hätte Malfurion meine Gedanken gelesen, begann er genau dort seine Erzählung: »Und als du damals diese Mala, die Tochter des Lord Seraphim kennenlerntest, war das für uns ein wahrer Glücksfall.«

      »Hm, das ist ja nichts Neues. Nur kenne ich die Geschichte schon«, winkte ich ab.

      »Du bist immer noch so schrecklich ungeduldig!«, fuhr Malfurion dazwischen. »Wenn du die Wahrheit erfahren willst, solltest du mich nicht unterbrechen!«, ranzte er mich streng an.

      Eigentlich mochte ich es nicht, von meinem Schöpfer so auf den Rücken gedreht zu werden, doch statt mich darüber aufzuregen, sah ich mir lieber gelassen ein paar Kanopen an. Die Jungs waren immer noch ganz fasziniert von der Mumie.

      Malfurion und ich merkten nicht, wie wir uns, völlig vertieft im Gespräch, von den Kindern entfernten.

      ***

      Ructus und Agnir genossen diesen Freiraum. Agnir wirkte ein wenig bedrückt.

      »Was hast du denn?«, fragte Ructus besorgt.

      »Siehst du diese Mumie?«, gab Agnir zurück.

      »Klar, ist ja nicht zu übersehen. Na und? Was soll schon damit sein?«

      »Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl, sie spricht zu mir!«