Stadt ohne Licht. Ernst Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Meder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737526371
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      Der Tag, der alles verändern sollte, begann regnerisch. Seit Tagen hatte die Temperatur die Schwelle von sieben Grad nicht überschritten. Die unmittelbar nach dem Unfall ausgesprochenen Glückwünsche sowie das vertrauliche Schulterklopfen, wegen des verhinderten Diebstahls verloren sich schnell im Alltag.

      Das energische Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken, seit dem tragischen Unfall waren dreizehn Tage wie im Wind verflogen, ohne dass er viel aus seiner Umgebung wahrgenommen hatte. Manchmal wachte er nachts von Schweiß durchnässt auf, wenn er in einem Traum das Ergebnis der Verfolgung erlebte. Heute endete wieder so eine Nacht, als er noch vor fünf Uhr völlig verschwitzt aufgewacht war.

      Ja bitte, wer ist da?

      Polizei, bitte machen Sie auf, wir müssen mit Ihnen reden.

      Er betätigte den Türöffner, was wollte die Polizei von ihm. Seit dem Tag, an dem er gemeinsam mit Elisabeth ausgesagt hatte, waren beide von weiteren Fragen verschont geblieben. Nach dem Öffnen der Wohnungstür blickte er auf die beiden Beamten in Zivil, die ihm einen grünen Dienstausweis vors Gesicht hielten.

      »Können wir kurz in die Wohnung kommen, wir können drin alles Weitere klären«.

      »Sind Sie Johann Berger«?

      »Ja, wieso«?

      »Herr Berger, wir haben den Auftrag sie wegen des Tatvorwurfs der vorsätzlichen Tötung festzunehmen. Ihnen wird vorgeworfen, vorsätzlich und mit Absicht den Tod von Roger Winter herbeigeführt zu haben, Sie müssen sich jetzt zu dem Tatvorwurf nicht äußern, wenn Sie jedoch«… Den Rest der Litanei nahm er nicht mehr wahr. Es war wie ein Rauschen, das immer stärker wurde, welches die Worte des Beamten übertönte.

      »Haben sie verstanden, was ich Ihnen gesagt habe«, er hörte den dumpfen Klang, als wäre er gerade einem Flugzeug entstiegen. Was geschah gerade, sollte dies die Fortsetzung seines Albtraums werden oder spielte ihm hier jemand einen üblen Streich.

      »Wer behauptet so etwas, sie müssen sich irren, es gibt doch Zeugen«. Johann fühlte sich, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. »Das muss ein Irrtum sein, ich habe niemandem etwas getan. Wer ist dieser Roger Winter, den ich vorsätzlich getötet haben soll«.

      »Herr Berger, wir sollen Sie nur zur Vernehmung in die Dienststelle bringen, wenn Sie noch jemand informieren wollen, dann können Sie das jetzt tun, sonst müssen wir jetzt los«. Jetzt klang seine Stimme ungeduldig, offenbar hielt er die Diskussion für Verzögerungstaktik, die er so nicht hinnehmen wollte.

      »Warten Sie, ich muss Frau Schlüter noch Bescheid sagen«. Noch immer verwirrt von der Anschuldigung trat er den Weg ins Treppenhaus an, dicht gefolgt von den beiden Beamten. Sie musste in unmittelbarer Nähe zur Eingangstür gestanden haben, denn sie öffnete unmittelbar nach dem ersten Klingelton.

      »Johann was wollen die beiden von Dir«.

      »Die sind von der Polizei, die wollen mich abholen. Elisabeth, die behaupten ich hätte den Jungen umgebracht, deshalb soll ich erneut vernommen werden«.

      »So, nun haben Sie Bescheid gesagt, wir werden Sie jetzt mitnehmen«. Der ältere der beiden Beamten schob sich energisch in den Vordergrund.

      »Moment junger Mann«, Elisabeths Stimme war nun sehr bestimmt. »Als Erstes möchte ich Ihren Namen wissen, dann möchte ich wissen, wohin Sie Johann Berger zu bringen gedenken«.

      »Zur Mordkommission in die Keithstraße, mein Name ist Hauptkommissar Schneider und ich bin nicht Ihr junger Mann«. »So«, er ergriff Johann am Ellbogen, »dann wollen wir mal«.

      »Johann mache keine Aussage, ich besorge Dir einen Rechtsanwalt, der sich heute noch bei Dir meldet«. Ihre Stimme verklang, während Johann am Arm festhaltend nach unten geführt wurde.

      Im Nachhinein konnte er nicht sagen was ihn bewogen hatte sich auf sein Aussageverweigerungsrecht zu berufen, solange sein Anwalt nicht hier sei. Lag es an dem Ruf von Elisabeth oder war es die unvermittelt aufgetretene Angst, in etwas hineingezogen zu werden, was außerhalb seines Einflussbereichs lag.

      »Wer ist Ihr Rechtsanwalt, wollte der Beamte wissen, können Sie den nicht noch einmal anrufen«.

      Er hatte nur mit den Schultern gezuckt, er wusste selbst nicht, wer sein Rechtsanwalt war, Elisabeth wollte ihm einen Rechtsanwalt besorgen. Wahrscheinlich war dieser in ihrem Alter, deshalb benötigte er eben etwas mehr Zeit, um hierher zu kommen. Langsam begann es in ihm zu rumoren, was der Polizist gesagt hatte, als er abgeholt wurde. Er sollte mit Absicht den Tod dieses, wie hieß der noch. Dann erinnerte er sich, Roger Winter hatte der Polizist gesagt. Er sollte den Tod dieses Roger Winter herbeigeführt haben. Was für eine geschwollene Ausdrucksweise. Man warf ihm vor, jemanden umgebracht zu haben. Wenn er den Beamten richtig verstanden hatte, gab es eine Aussage, die genau dies behauptete.

      Der junge blonde Mann, dessen Gesicht man bereits nach einmal Wegsehen vergessen hatte, erwartete ihn in einem separaten Raum und lächelte ihn an. Der Anzug, den er trug, sah teuer aus, um etwas legerer zu wirken, hatte er den Knoten seiner Krawatte gelöst. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, dass die Person doch schon das dreißigste Lebensjahr überschritten haben musste, auch wenn dieser Zeitraum noch nicht so lange zurückliegen mochte.

      »Hallo, mein Name ist Sebastian Marquard, Elisabeth hat mich gebeten zu klären, weshalb man Dich in Haft genommen hat«. »Ich darf doch Du sagen«, die Frage klang beiläufig, das leichte Nicken nahm er deshalb sogleich als Zustimmung.

      »Zuerst möchte ich Dir erklären, warum es so lange gedauert hat, bis ich hier aufgetaucht bin. Zuerst wollte ich die Version von Elisabeth hören, weshalb sie der Ansicht ist, dass die Vorwürfe unbegründet sind«.

      Johann wirkte etwas verwirrt, der Rechtsanwalt, der vor ihm saß, entsprach keineswegs dem Typus eines Rechtsanwalts, den er erwartet hatte. In welcher Beziehung stand er zu Elisabeth, da er wie selbstverständlich nur ihren Vornamen nannte. Dann war noch die Frage des Alters aber auch die Selbstverständlichkeit, mit der er diesen teuren Anzug trug. Wenn ein Rechtsanwalt mit so jungen Jahren sich so teuer einkleidete, dann entsprach das nicht seiner Preiskategorie.

      Er musste seine Skepsis gespürt haben, oder er besaß hellseherische Fähigkeiten, denn als er nun fortfuhr, war genau dies erkennbar.

      »Vielleicht sollte ich zuerst über mein Verhältnis zu Elisabeth sprechen, damit Du verstehst, weshalb Elisabeth gerade mich angerufen hat«. Er lehnte zurück an die Lehne, dabei überzog sein Gesicht ein jungenhaftes Lächeln. Er wirkte in diesem Moment, als erinnere er sich an eine besondere Zeit zurück.

      »Es war so ähnlich wie bei Dir, nachdem mein Studium sich dem Ende neigte, brauchte ich eine Möglichkeit mich zurückzuziehen, um Klausuren sowie das erste Staatsexamen zu bewältigen. In der WG, in der ich damals wohnte, war das nicht möglich, da jeder in einem anderen Studiengang studierte, dazu kam, dass alle unterschiedlich weit fortgeschritten waren«.

      »Die unteren Semester feierten lieber, als sich mit nerv tötenden Vorlesungen auseinanderzusetzen, die fortgeschrittenen Semester versuchten, in diesem Chaos einigermaßen über die Runden zu kommen. Für mich bedeutete dies, entweder ich bin zufrieden, dass mein Abschluss gerade mal so ist, oder ich gehe einen anderen Weg«.

      »Damals las ich das Inserat von Elisabeth, die eine Wohnung für Studierende anbot und deren Miete sich in dem Rahmen bewegt, den ich aufbringen konnte. Ihre Musterung muss wohl ähnlich positiv wie bei Dir verlaufen sein, denn ich erhielt die Wohnung, in der ich eineinhalb Jahre lebte«.

      »Ich war wohl einer der ersten Studenten, an den sie ihre Wohnung vermietete, nach mir folgten noch einige andere. Es war ihr gleichgültig, was man studierte oder ob man männlich oder weiblich war, für sie zählte immer nur ihr persönlicher Eindruck. Was ich damals noch nicht wusste, sie pflegt den Kontakt zu ihren ehemaligen Mietern über die Jahre hinweg. Inzwischen hat sie ein regelrechtes Netz von ehemaligen Studenten aufgebaut, die in unterschiedlichen Berufen an unterschiedlichen Stellen agieren«.

      Nachdenklich nickte er, dann fuhr er fort, »dazu gehört ein Staatssekretär im Bundestag ebenso