Stadt ohne Licht. Ernst Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Meder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737526371
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entnommen hatte.

      Er betrachtete ihn genauer, sah den kahlen Schädel sowie im Nackenbereich eine Tätowierung, die er jedoch nicht erkennen konnte. Trotz der immer noch herrschenden Hitze trug er Lederjacke und Springerstiefel. Dann starrte er auf den Gegenstand, welches das Geräusch verursachte, das ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Es war ein Ordner, dieser musste ihm aus der Hand geglitten und auf den Boden gefallen sein, als er etwas darin suchte.

      Langsam spürte er, wie Wut in ihm hochstieg. Dieser kleine Wichser musste Elisabeth und ihn beobachtet haben, wie sie am Mittwoch zum Bahnhof gefahren waren. Nachdem er einen Tag gewartet hatte, ob Elisabeth eventuell wieder zurückkommen würde, hatte er sich entschlossen, in dieser Nacht einzubrechen. An der Stelle, an der er jetzt suchte, würde er nichts Wertvolles finden. Der einzig wertvolle Gegenstand der sich zu stehlen lohne, sei ihre Geige hatte Elisabeth ihm gegenüber behauptet. Allerdings nicht wegen ihres materiellen Wertes, da es keine Stradivari sei, sondern ausschließlich wegen des emotionalen Wertes. Aber das wollte sie ihm später einmal erzählen. Diese Geige lag jedoch im Schlafzimmer, da ihre Schülerinnen mit kleineren Schülergeigen spielten.

      Er wusste zwar nicht, was dieser kleine Gauner zu finden hoffte, diese Hoffnung würde er ihm jedoch nehmen. Vorsichtig schob er die nur angelehnte Balkontür auf, dann fragte er mit zornerstickter Stimme.

      »Suchen Sie etwas Bestimmtes«?

      Der Dieb erstarrte mitten in der Bewegung, dann flog sein Kopf herum zu seinem Gegner. Ein kurzer abschätzender Blick, dann entschloss er sich, das Weite zu suchen. Den Ordner auf ihn werfend, sich umzudrehen und loszulaufen geschah wie aus einer Bewegung.

      Jo Berger war kurz überrascht, aber dann reagierte auch er mit gleicher Geschwindigkeit. Von dem fliegenden Ordner überrascht, erwischte er den flüchtenden Dieb an seiner Lederjacke erst an der Wohnungstür. Mit dem Zorn des Gerechten hielt er die Lederjacke an dem Kragen fest, er würde ihn nicht entkommen lassen. Nach einem kurzen Winden sowie der Erkenntnis, heute auf einen stärkeren Gegner getroffen zu sein resignierte der Dieb. Er wand sich aus seiner Lederjacke, er würde diese zurücklassen müssen, dann jagte er mit großen Sprüngen die Treppe hinab, um zu entfliehen.

      Ehe Jo noch recht begriff, was vor sich ging, war der Vorsprung bereits so groß, dass er auf eine Verfolgung verzichtete. Da stand er nun, mit nackten Füßen und bloßem Oberkörper mit der Lederjacke des Diebes in der Hand.

      Als Nächstes untersuchte er die Beschädigung an der Wohnungstür und stellte sehr schnell fest, dass die Türe unbeschädigt war. Nachdenklich betrachtete er die Wohnungstür, er war sicher diese verschlossen zu haben, als er den Entschluss gefasst hatte, die Blumenpflege über den Weg des gemeinsamen Balkons durchzuführen. Der Dieb musste einen Schlüssel für die Wohnung besitzen, anders war es nicht möglich, so geräuschlos eine Wohnungstüre zu öffnen.

      Er verschloss die Wohnungstüre erneut, er würde gleich morgen einen neuen Schließzylinder besorgen, um ihn einzubauen. Er schüttelte immer noch verwundert mit dem Kopf, während er die Eingangstür betrachtete. Dieser Leichtsinn oder war es der Glaube an das Gute im Menschen hatten wohl dazu geführt, dass Elisabeth auf weitere Schließvorrichtungen verzichtet hatte.

      Er lächelte, als er an die Schließvorrichtungen der Großmutter seines Kommilitonen dachte. Dieser hatte ihn gebeten ihn zu begleiten, als er seine Großmutter zum Geburtstag besuchen wollte, da ein Abschied sich sonst immer über Stunden hinzog. Da sie ihn immer großzügig bedachte, waren die Besuche manchmal unumgänglich, vor allem, wenn das Monatsende nahte. Als er nun die alte Dame an deren Geburtstag als Begleiter seines Kommilitonen besuchte, benötigte diese zum Öffnen ihrer Eingangstür fast zwei Minuten. Beim Betrachten der vielfältigen Schließvorrichtungen von innen wunderte er sich, dass die amerikanische Botschaft nicht angefragt hatte, ob sie einen Teil des Goldes von Fort Knox in dieser Wohnung lagern könne.

      Ein derartiger Aufwand war sicher übertrieben, eine weitere Schließvorrichtung konnte bestimmt nicht schaden. Nachdem er den Dieb abgewehrt hatte, befand er sich in einem Dilemma, über das er ein paar Stunden überlegen musste. Sollte er Elisabeth von dem Einbruch unterrichten? Wann sollte er sie unterrichten? Sollte er die Polizei wegen des Einbruchs hinzuziehen?

      Nach dem Frühstück hatte er sich zu einem teilweisen Handeln entschlossen. Er würde in jedem Fall den Zylinder sowie ein neues Schloss anbringen, deshalb musste er Elisabeth auch sagen, weshalb er dies für erforderlich hielt. Allerdings genügte es, wenn er ihr am Mittwoch Bescheid sagte, somit hatte sie wenigstens eine ungestörte Geburtstagsfeier sowie ein unbelastetes Treffen mit ihren ehemaligen Kolleginnen. Wenn er sie heute anriefe, würde sie bestimmt bitten, die nächste Verbindung nach Berlin herauszusuchen. Auf eine Anzeige bei der Polizei würde er ebenfalls verzichten, da diese meist im Sande verlief. Zudem bestand die Gefahr, dass die Polizei ihn auffordern würde, die Wohnungseigentümerin Elisabeth Schlüter zu informieren.

      Auf dem Weg in seine Wohnung stockte er, irgendetwas hatte er vergessen. Er war sicher, dass es wichtig war. Suchend glitt sein Blick im Wohnzimmer umher, dann ging er zurück in den Flur. Natürlich, die Lederjacke des Einbrechers, er musste sie unbedingt durchsuchen, vielleicht fand er einen Hinweis auf die Person. Schnell wendete er die Taschen nach außen, als ein zusammengefalteter Zettel auf den Dielenboden fiel. Er hob ihn auf, entfaltete ihn, dann blickte er verwundert auf das, was jemand mit zittriger Hand geschrieben hatte.

      Hier standen der Name und die Anschrift von Elisabeth in einer Handschrift, die ihn an seine Oma Katharina erinnerte, der Mutter seiner Mutter. Diese hatte ihm Liebesbriefe ihres späteren Ehemanns gezeigt, die er nicht lesen konnte. Daraufhin hatte sie ihn in die Geheimnisse der Sütterlinschrift eingeweiht, hatte ihm diese geheime Schrift beigebracht. Die Schrift dieses Notizzettels wies ein ähnliches Schriftbild auf, wie er es von seiner Großmutter kannte.

      Da er ausschließen konnte, dass seine Oma diese Notiz geschrieben hatte, sie war schon seit längerem tot, konnte es nur jemand geschrieben haben der sehr alt war. Weshalb sollte eine Person, die sehr alt war, einen Jugendlichen beauftragen bei Elisabeth einzusteigen, um etwas zu stehlen. Dieser Notizzettel bewies, der Einbruch erfolgte nicht zufällig, hier war jemand planvoll vorgegangen, um etwas Wichtiges zu entwenden. Dass es nicht um Wertgegenstände ging, hatte er inzwischen verstanden. Da der Dieb gezielt zwischen den Papieren gesucht hatte, ließ dies nur einen Schluss zu, es handelte sich, entweder um eine wichtige Urkunde oder ein belastendes Schreiben.

      Wer konnte ihr Böses wollen, wer fühlte sich von ihr bedroht. Er verstand nicht, was hier geschah. Die Elisabeth, die er kennen gelernt hatte, war zu keiner bösen Tat fähig. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie so schnell Vertrauen zu einer Person entwickelt wie zu Elisabeth. Entweder hatte sie ihn verhext oder sie hatte ihn verzaubert. Er glaubte beides nicht, weder fühlte er sich verwunschen noch betört, dann schon eher in den Bann gezogen von ihrer Persönlichkeit.

      Er beschloss nur in groben Zügen die Unordnung zu beseitigen, er fühlte, dass er nicht ungefragt in die Privatsphäre von Elisabeth eindringen durfte. Nach dem Wechsel des Schließzylinders sowie des Zusatzschlosses war er sicher, in diese Wohnung konnte der Einbrecher nicht so einfach wieder eindringen. Am Mittwoch, wenn er Elisabeth vom Bahnhof abholte, musste er ihr alles erzählen und die neuen Schlüssel überreichen. Außerdem wollte er sie fragen, wer eventuell noch einen Schlüssel für die Wohnung haben konnte.

      Nervös stand er am Bahnsteig, um auf Elisabeth zu warten, die in kaum zehn Minuten wieder in Berlin eintreffen sollte. Er hatte nichts von dem Einbruch erzählt, als sie angerufen hatte, um nachzufragen, ob alles in Ordnung sei und ob er sie abholen könne. Natürlich war alles in Ordnung und natürlich würde er sie am Mittwoch abholen, so das Resümee des Telefonats.

      Jetzt stand er hier am Bahnsteig und war immer noch nicht überzeugt, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, als er das nun folgende Vorgehen beschloss. Er wollte sie zu einem Kaffee hier am Bahnhof einladen, dabei wollte er ihr alles erzählen und die neuen Schlüssel übergeben. Er hoffte nur, sie würde nicht zu böse auf sein bisheriges Verhalten reagieren, da er eigentlich nur das Beste für sie gewollt hatte. Das redete er sich zumindest seit Tagen ein.

      »Schön das Du mich abholst«. Die Begrüßung fiel herzlicher aus, als er erwartet hatte,