Der Traumlord. David Pawn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Pawn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847688129
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den Traumlord zu finden und zu besiegen, dieser soeben vor ihm gestanden hatte. Er hatte ihm gesagt, was es zu sagen gab. Wenn er wirklich der Richtige war, der wahre Gute Träumer, dann würde er das Rätsel um die drei Dinge lösen. Nur ein Mann, der dieses Rätsel löste, war am Ende auch wirklich fähig, dem Traumlord gegenüberzutreten, um ihn zu besiegen. Für jeden anderen war es besser, wenn er dem Traumlord niemals begegnen würde. Darum wies Stephan allen, die ihn fragten, den Weg mit diesem Rätsel. Einer würde es eines Tages bewältigen und er würde dann den Traumlord vertreiben, damit die Menschen im Reich wieder glücklich und voller Träume leben konnten.

      Der alte Mann nickte still vor sich hin, die eigenen Gedanken bekräftigend. Es war richtig, diese seltsame Antwort auf die klare Frage zu geben. Sie bedeutete Leben für den Fragesteller, ob er die drei Dinge fand oder nicht. Eine direkte Antwort hätte bei vielen, die vor diesem jungen Mann gekommen waren, Tod bedeutet.

      Während der Weise Stephan in seine Betrachtung der Lage vertieft war, schwang sich der Gute Träumer auf sein Pferd und ließ es in südliche Richtung traben. Dort, so hatte der alte Mann gesagt, sollte die große Stadt Asgood liegen, in deren Mauern Michael einen Stern finden musste, wenn er den Traumlord besiegen wollte.

      Während er Richtung Süden ritt, begann Michael, über seine Aufgabe nachzudenken. Er sollte einen Stern in einer Stadt finden. Sicherlich war damit kein wirklicher Stern, kein glühender Feuerball vom Firmament gemeint. Aber was, in drei Teufels Namen, war dann dieser rätselhafte Stern? Gab es irgendwo in Asgood eine steinerne Nachbildung eines Sterns? Das würde sich erst klären lassen, wenn er die Stadt erreichte. Also hieß die Devise: schnell nach Asgood gelangen und dann weitersehen. Aber selbst dies war kein so leichtes Unterfangen, wie es schien.

      Sicherlich war es nicht möglich, einfach stur geradeaus nach Süden zu reiten, um irgendwann einmal in Asgood anzukommen. Man musste den Wegen durch Wälder folgen, Wege, die möglicherweise verschlungen waren, sich kreuzten, ein Labyrinth bildeten. Er musste damit rechnen, dass ein Fluss seinen Weg kreuzte, so dass er gezwungen war, eine Brücke oder Furt zu finden. Nein, es war gewiss nicht so leicht, nach Asgood zu gelangen, wie der alte Mann es gesagt hatte. Einfach immer nach Süden.

      Was Michael brauchte, war eine Karte. Eine Karte des ganzen Reiches, die ihm nicht nur den Weg zur Stadt Asgood wies, sondern auch einen Weg durch die Wüste Gohan und zu dem Ort, der Nekros hieß.

      Von der Wüste Gohan hatte der Gute Träumer früher des Öfteren gehört, doch nie Gutes. Es musste eine gewaltige Ansammlung von Sand und Salz sein, die schon viele Karawanen verschlungen hatte, die sie bezwingen wollten. Stürme rasten ständig über das flache, leblose Gebiet und vernichteten alle Eindringlinge, die die Stille des Todes stören wollten. Michael schauerte ein wenig zusammen bei dem Gedanken, dass er sich allein in die Wüste wagen musste, um einen ominösen Felsen zu finden. Und wie, wenn er ihn denn fand, sollte er ihn aus der Wüste herausschleppen?

      Ja, und dann war da noch dieses Buch von Nekros. Michael wusste weder was Nekros war, noch wo es lag. Er hatte vor seinem Besuch beim Weisen Stephan nicht einmal gewusst, dass es so einen Ort im Reich geb. In Anbetracht der anderen Rätsel konnte Nekros ebenso gut eine Bibliothek sein, die Millionen von Büchern enthielt, von denen er ein einzelnes, wirklich wichtiges finden musste, wie euch eine versunkene Insel in einem unendlich tiefen Meer.

      Michael, der Gute Träumer, schüttelte ratlos den Kopf. Egal, wie es weitergehen sollte, als erstes benötigte er eine Karte des Reiches, und zwar eine gute.

      Nachdem Michael einen Tag lang in Richtung Süden geritten war, verbrachte er die Nacht in einem riesigen Maisfeld. Die Sprosse waren noch jung und ihr frisches Grün übte eine belebende Wirkung auf den müden Reiter aus. Wenn aber der Sommer vorüber sein würde, blieb hier ein unheimlicher Ort. Der Wind würde beständig in den dürren Blättern rascheln, die die geldgelben Kolben umgaben. Dann wäre es hier wie in der Wüste, nur es wäre eine Wüste aus Mais.

      Am nächsten Morgen brach Michael schon mit dem ersten Sonnenstrahl wieder auf und als sich die Sonne langsam dem Zenit entgegenschob, erreichte er ein Dorf, kaum größer als Ramos. Obwohl Frühling war, Zeit zu säen und auf den Feldern jetzt Sorge zu tragen, dass die Saat auch aufging, lagen die Felder um das Dorf herum in Totenruhe. Auch im Dorf selbst herrschte die Betriebsamkeit eines Friedhofes um Mitternacht. Keine Kinder liefen durch die Straßen. Fenster und Türen des Wirtshauses waren mit Brettern vernagelt. Ein einzelner Hund, hinkend und mit einem zerfetzten rechten Ohr, lief über die Straße, passierte den Guten Träumer und hob an der nächsten Straßenecke ein Bein. Nur dieser Hund und ein lauer Wind von Westen schienen noch in diesem Dorf zu Hause zu sein.

      Während er sich umsah, rechnete der Gute Träumer ständig mit einem Angriff des Traumlords. Er hatte es in Toulux mit wilden Hunden versucht. Jetzt waren wohlmöglich Geister oder Zombies an der Reihe. Wachsam sah Michael sich um, doch nichts geschah. Nur der Wind wehte beständig von Westen und trieb Papier vor sich her über die Straße.

      Nachdem er eine ganze Weile beobachtet hatte, entschloss sich der Gute Träumer weiterzureiten. Er drang weiter zur Mitte des Dorfes vor, doch auch dort herrschte nur der Wind. Das Zunftschild eines Barbiers schaukelte quietschend hin und her. Eine Ratte sprang behände in eine Abfalltonne, als sie den Reiter bemerkte.

      Dieses Dorf war verlassen. Vielleicht hatte der Traumlord seine Bewohner als Sklaven verkauft, vielleicht hatte er sie umbringen lassen, weil sie nicht ausreichend gehorsam waren, obwohl er ihre Träume genommen hatte. Vielleicht hatten sie in einem Anfall kollektiver Massenhysterie gemeinsam Selbstmord begangen. Im Reich war alles möglich, seit der Traumlord regierte.

      Michael hatte das Dorf schon fast passiert, da entdeckte er den Mann, der an der Eingangstür seines Ladens stand und offenbar auf Kunden wartete, die hier gewiss nicht sehr oft vorbeikamen. Der Laden lag in einer Nebenstraße, doch waren seine Auslagen von der Hauptstraße aus noch recht gut auszumachen.

      Die Situation war grotesk. Das es in diesem Geisterdorf einen Laden gab, der geöffnet hatte und einen Ladenbesitzer, der auf Kundschaft wartete, war so vernünftig, wie sich in einen Baum zu setzen, um im Wald zu angeln. Immer stärker roch es nach einer Falle des Traumlords, doch Michael fühlte sich gewarnt und also gewappnet. Außerdem war er neugierig. Schließlich, vielleicht war es doch keine Falle, und dieser Ladenbesitzer hatte gar eine Karte des Reiches.

      Michael lenkte sein Pferd vor die Eingangstür des Ladens. Er warf einen Blick auf die Auslagen, die ein buntes Gewimmel aus allen Branchen darstellten und stieg ab.

      „Guten Tag, was kann ich für euch tun, edler Herr“, vernahm Michael die Stimme des Ladenbesitzers, kaum dass seine Füße den Boden berührt hatten. Die Stimme war ölig und voll von falscher Höflichkeit. Es war die Stimme eines Krämers, der alle Kunden übers Ohr hauen möchte.

      Michael sah dem Ladenbesitzer ins Gesicht. Es war feist und rund und zeigte ein Lächeln, das ebenso schmierig war wie die Stimme. Das Haar war kurz geschoren und dunkel. Es stand wie die Stacheln eines Kaktus vom Kopf ab. Außerdem hatte der Mann Ohren die soweit abstanden, dass er bei Sturm gewiss nicht auf die Straße gehen durfte ohne Gefahr zu laufen, weggeweht zu werden. Das gab ihm eine lächerliche Note, doch wäre es falsch gewesen, diesen Mann für eine lächerliche Figur zu halten. Er war verschlagen, geldgierig und hinterlistig. Seine Träume waren Träume von Geld und von Kunden, die er heimtückisch ausgenommen hatte. Diese Träume waren ihm geblieben

      „Habt ihr Landkarten?“, fragte der Gute Träumer nach eingehender Musterung des Ladenbesitzers.

      „Landkarten sind selten geworden im Reich“, entgegnete der Ladenbesitzer. „Umso größer ist euer Glück, dass ihr gerade Mikos beehrt mit eurem Wunsch, denn Mikos kann fast alle Wünsche erfüllen und Landkarten habe ich viele.“

      „Ich brauche eine neue und genaue Karte des gesamten Reiches“, präzisierte Michael seinen Wunsch.

      „Sofort“, erwiderte Mikos und verschwand wieselflink in den hinteren Teil seines Ladens. Er schob seinen Körper, der ebenso rund war wie sein Gesicht, durch einen Durchgang, der mit einem roten Samtvorhang vom eigentlichen Laden abgetrennt war, und erschien kurze Zeit später mit einer Papierrolle wieder. Die Rolle war auf der für Michael sichtbaren Seite makellos weiß und wurde von einem