Das Kreuz im Apfel. Sabrina Schmid. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabrina Schmid
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742762290
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zu ihrem Glück nicht!«, verteidigte sich Katharina.

      »Schau an, schau an! Katharina wäre lieber ein Mann und würde gern ins Wirtshaus gehen.« Die Schwangerschaft machte Maria nicht umgänglicher.

      »Ich wäre gerne frei, das zu tun, was ich will!«, berichtigte sie. Die beiden Mägde blickten sich an. Irgendwie hatte sie recht. Den Knechten war es ohne Fragen erlaubt, wochentags nach getaner Arbeit ihren Vergnügungen nachzugehen. Sie hingegen mussten sogar an einem Sonntag erst darum bitten und man konnte es ihnen jederzeit verwehren. So stand es in der Gesindeordnung und keine von beiden hatte diese unumstößliche Tatsache jemals infrage gestellt.

      »Da musst in deinem nächsten Leben als Mann und zudem als reicher Mann auf die Welt kommen. Als Frau wirst nie mehr Freiheit haben, als dass du wählen kannst, mit welcher Naht du die Wäsche flickst«, stellte Johanna Sperl in den Raum und setzte hinzu, »auch dabei bleiben dir nicht viele Möglichkeiten.«

      Ein Stöhnen unterbrach die von Katharina entfachte Diskussion.

      »Die Geburt steht bevor«, prophezeite die Bäuerin. »Wer weiß, wie lange es noch Vorbereitungswehen sind. Das Findelhaus nimmt nur ungern Kinder auf, die nicht im Gebärhaus entbunden wurden. Mach dich morgen auf den Weg, sonst kommst noch auf der Straße nieder.« Indem sie das Wort an Katharina richtete, fuhr sie fort: »Das Ergebnis, wenn sich weibliches Gesinde mehr Freiheiten rausnimmt, kannst hier sehen«, und deutete dabei auf den Bauch Marias.

      »Lassen Sie mich Maria begleiten«, bat Katharina. Sie wusste, wie beängstigend es war, unter fremde Leute zu kommen. Einsam und ohne jeden Halt, den anderen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

      »Den Weg schaffe ich allein«, maulte Maria.

      »Ganz alleine kann sie nicht gehen, noch dazu bei dem Schnee.«

      »Katharina, was kannst du für ein Quälgeist sein! Na gut, geh von mir aus mit. Wenn du sie abgeliefert hast, kommst gleich zurück. Beide Wege an einem Tag wird dich bereuen lassen.«

      »Ich werde auf Maria warten und mich vergewissern, dass es ihr gut geht.«

      »Wie stellst dir das vor? Willst vor dem Gebärhaus auf der Straße schlafen?«

      »Eine alte Freundin wohnt am Spittelberg, das ist nicht so weit vom Gebärhaus entfernt. Ich habe ihre Adresse.«

      »Wer soll das sein?«, wollte die Bäuerin wissen.

      Katharina war darauf bedacht, den Ort ihres Kennenlernens nicht zu erwähnen. Eine Gefängnisbekanntschaft wurde nach ihrer Erfahrung nicht besonders hoch geschätzt.

      Die Sperlbäuerin erklärte sich widerwillig bereit. Das Kind würde in einem halben Jahr das vierzehnte Lebensjahr erreichen. Schon des Öfteren hatte sie über die Zukunft des Mädchens mit dem Bauern gesprochen. Johanna hatte ihrem Mann vorgeschlagen, Katharina als Magd bei ihnen zu behalten. Sie war eine fleißige Hand und kam gut mit den Kindern zurecht. Der Bauer lehnte ihren Vorschlag mit der Begründung ab, er habe keine Verwendung für eine weitere Magd. Dass sie selbst vielleicht eine helfende Hand bei der wachsenden Kinderschar benötigte, daran dachte er nicht. Johanna war sich nicht sicher, ob sie den Bauern noch überreden konnte, Katharina in Stellung zu nehmen. Ihr wäre jedenfalls leid.

      Sie konnten einen Teil des Weges auf einem Wagen mitfahren, was es nicht weniger beschwerlich machte. Häufig mussten sie von dem Gespann absteigen. Katharina zog am Zügel, während der Fuhrmann von hinten anschob. Immer wieder blickte er auf die stöhnende Maria. Man sah ihm an, dass er inständig betete, sie möge sich mit der Niederkunft Zeit lassen. Durchgefroren erreichten sie das Allgemeine Krankenhaus.

      Nachdem der Pförtner die ärmliche Erscheinung der Frau und des Mädchens erfasst hatte, erklärte er ihnen den Weg durch die zahlreichen Höfe zum Haupteingang der Gebärklinik im östlichsten Trakt des Areals. Es war augenscheinlich, dass sich diese Schwangere den Zutritt durch das Schwangerentor nicht leisten konnte, welches von außen in das Gebärhaus führte und in einem versteckten Winkel der Rotenhaus Gasse lag. Den tausenden Frauen, die jährlich die Gratisabteilung des Allgemeinen Krankenhauses in Anspruch nahmen, standen nur etwa hundert Frauen in der Zahlklasse gegenüber.

      »Welcher Hof war es?«, stöhnte Maria.

      »Einfach den roten Laternen nach. Es ist bestimmt nicht mehr weit«, ermunterte Katharina die keuchende Schwangere neben sich.

      Unter einiger Mühsal zog sie Maria die letzten Stufen zum Eingang der Gebärabteilung hinauf. Unschlüssig blieben sie für einen Moment stehen. Klopfen oder einfach hineingehen? Ihre Frage erübrigte sich in dem Augenblick, als sich das Tor öffnete und ihnen die Aufseherin entgegenblickte.

      »Bist du über die Aufnahmebedingungen unterrichtet?«

      Maria öffnete den Mund, blieb aber stumm. In gebotener Eile eröffnete die Aufseherin ihren Redeschwall.

      »Grundsätzlich sind Schwangere dazu angehalten, verschiedene Arbeiten im Haus zu verrichten. Außerdem wird erwartet, dass sie sich für den geburtshilflichen Unterricht für die Ausbildung von Hebammen und Geburtshelfern zu Verfügung stellen. Für die unentgeltliche Aufnahme des Kindes verpflichten sie sich außerdem, bei Bedarf einen viermonatigen Ammendienst im Findelhaus zu leisten. Verstanden? Dann wollen wir mal.« Mit diesen Worten schickte sich die Frau an, den Weg in den Saal der Gratisklasse anzutreten. Katharina wollte den beiden Frauen folgen, wurde aber schnell von ihrem Vorhaben abgehalten. Katharina merkte, dass Widerspruch sinnlos war. Sie drückte Maria die Hand und versprach ihr, sie zu besuchen. Zu einer Pflegerin gewandt sagte die Aufseherin: »Die zweite Abteilung ist voll. Bring sie in die erste.«

      Es war mittlerweile Nachmittag geworden und Katharina war hungrig. Das Brot, das ihr die Bäuerin mitgegeben hatte, musste sie wohl oder übel im Gehen essen. In drei Stunden wäre es stockdunkel und sie hatte noch keinen Schlafplatz.

      8

       Spittelberg

      Misstrauisch wurde Katharina von der Frau beäugt, die sich mit ihrer rußigen Hand am Türrahmen abstützte.

      »Was willst du?«

      »Guten Abend, mein Name ist Katharina. Ich möchte bitte zu Mila, ähm, Milleta.«

      »Ach, möchtest du das? Wie nett«, sagte sie mit gesüßter Stimme und keifte gleich darauf: »Verschwinde!«

      Bevor die unfreundliche Gestalt ihr die Tür vor der Nase zuschlagen konnte, schob Katharina ihren Fuß zwischen Tür und Rahmen. Erstaunt über die Frechheit der Kleinen, baute sie sich erneut im Eingang auf.

      »Mila ist eine Freundin und …«

      »Willst mich verarschen?« unterbrach sie die Frau.

      »Ich muss sie dringend sprechen«, vervollständigte Katharina unsicher ihren Satz.

      »Sie ist nicht hier. Ist bei der Arbeit.«

      »Ich habe sie vor drei Jahren im Gefängnis kennengelernt und sie hat mir diesen Zettel mit ihrer Adresse gegeben und gemeint, ich kann mich an sie wenden, wenn ich Hilfe brauche.«

      »Ist ja interessant.« Nun war sie wirklich interessiert, was das Gör mit Mila zu schaffen hatte. »Hätte ich dir nicht zugetraut, so pippifein wie du daherredest«, spöttelte die Frau. »Ich hoffe, du sitzt nicht schon wieder mit halbem Arsch im Gefängnis und willst dich verstecken. Probleme haben wir hier genug, das kannst mir glauben.«

      »Ich habe nichts angestellt, weder heute noch damals. Ich habe jemanden ins Gebärhaus begleitet und suche einen Schlafplatz. Ich dachte …«

      Die Frau, die bis dahin unbeweglich im Türrahmen ausgeharrt hatte, trat einen Schritt zurück.

      »Mila würde mir meinen knochigen Arsch aufreißen, wenn ich ihre Gefängniskameradin in der Gosse liegen lassen würde.« Erleichtert betrat Katharina das heruntergekommene Gebäude. «Wir müssen rauf ins Dachgeschoss. Du kannst heute Nacht auf Milas Plätzchen schlafen. Sie arbeitet sowieso bis zum Morgen«, erklärte sie um einiges mitteilsamer.

      »Danke,