Weltenreise. Julia Beylouny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Beylouny
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004298
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      Kapitel 14

      Kriemhild

      Das Haus, das sich vor ihr in den Dünen auftat, verschlug ihr fast die Sprache. Wenn Brooke es coole Villa genannt hatte, war das mehr als untertrieben gewesen. Die Sandberge, in denen es lag, machten es noch widersprüchlicher. Das Haus passte einfach nicht dorthin. Riesige weiße Balkone wechselten sich mit Glasfronten und grauen Holzbalken ab. Im rechten Obergeschoß prangte ein Türmchen, gedeckt mit roten Schieferpfannen. Eine Garage öffnete sich wie von Geisterhand, als der Jeep vorfuhr. Das Tor war mindestens halb so groß wie die Villa selbst.

      Kriemhild kam aus dem Staunen nicht heraus, während Samuels Worte in ihr nachhallten.

      Plötzlich hatte sie Mitleid mit ihm. Er hatte ihr gleich zwei Mal an einem einzigen Tag geholfen. Sie war es ihm schuldig, ihm in der Sache mit seinem Vater beizustehen.

      Der Wagen stoppte und Sam zog den Schlüssel aus der Zündung.

      „Danke.“ Wieder blieb sein Blick nach vorn gerichtet.

      „Wofür?“

      „Dafür, dass du hier bist. Jede andere hätte mich für verrückt erklärt.“

       „Wer sagt dir, dass ich das nicht auch tue?“

      Er stieg aus und sie folgte ihm. In den Dünen kreischten Möwen und die Brandung klang so nah, dass Kriemhild irritiert nach den Wellen suchte.

      „Du kannst sie nicht sehen. Gleich hinter diesem Hügel ist eine Klippe. Dort nisten Lummen. Es geht ziemlich steil runter, sehr reizvoll zum Klippenspringen. Hast du das schon mal gemacht?“

      Sie pfiff verächtlich durch die Lippen und schaute weg.

      „Sorry, ich hab ganz vergessen, dass du Nichtschwimmerin bist. Das … meine ich nicht böse, versteh mich nicht falsch.“

       „Vergiss es einfach.“

       Jedes Mal, wenn er das aussprach, lief der grauenvolle Film vor ihren Augen ab. Als wollte das Meer sie daran erinnern, wieso sie es hasste.

      Er steckte den Schlüssel in das Türschloss, als ihm von drinnen jemand zuvor kam.

      Es war ein Mann mittleren Alters, der ebenfalls erstaunlich gut aussah, und fast so gut durchtrainiert war wie Sam. Der einzige Unterschied war die kühle Arroganz, die von ihm ausging, und etwas wie … Macht. Er begrüßte Kriemhild mit blitzenden Zähnen und sie konnte nicht sagen, worüber sie mehr staunte; über seine akzentfreie Anrede in Deutsch oder darüber, dass er ihren Nachnamen kannte.

      „Herzlich willkommen, Frau Bergmann.“ Die blauen Augen durchdrangen sie, als schaute er auf den Grund eines Wasserglases.

      „Guten Tag, Mister Dawson. Sie kennen meinen Namen?“

      „Samuel erwähnte ihn mal, nehme ich an.“

      „Samuel kennt meinen Nachnamen nicht.“

       Er lachte und wechselte einen schnellen Blick mit seinem Sohn.

      „Kommt doch herein, ihr beiden.“

       Sie traten in eine Art Eingangshalle. Von der Mitte aus führte eine riesige Steintreppe in die erste Etage. Die Fensterfronten reichten beinahe bis hinauf zum Dach.

      An den hellen Wänden, die zur Hälfte vertäfelt waren, hingen Unterwasseraufnahmen von Fischen, Korallen, Höhlen und Delfinen. Meeresbiologen, dachte Kriemhild.

      Über der Tür, durch die Sams Vater sie ins Wohnzimmer führte, prangte ein riesiges, rundes Gebiss. Sie betrachtete im Vorbeigehen die messerscharfen Zahnreihen und ahnte, dass sie der Kreatur besser nicht lebendig begegnen wollte. Mister Dawson bemerkte Kriemhilds Gesichtsausdruck und verzog die schmalen Lippen zu einem kühlen Lächeln.

      „Das ist von einem weißen Hai. Imposant, nicht wahr?“

       „Ziemlich.“ Und gruselig, sich sowas im Haus aufzuhängen, wollte sie sagen.

       Er bot ihnen einen Platz auf der weichen, weißen Couch an, die sich durch den halben Raum erstreckte.

      „Darf ich Ihnen was zu Trinken anbieten? Samuel?“

       „Nein, danke.“

      „Für mich auch nichts, Dad.“

      Sie hätte viel lieber erfahren, wieso sie dort war.

      „Bestimmt fragen Sie sich, aus welchem Grund ich Sie eingeladen habe, Kriemhild? Ich darf Sie doch so nennen?“

       „Sicher.“

       Er nahm ihnen gegenüber Platz. Jede seiner Bewegungen war geschmeidig, lautlos.

      „Nun ja. Die Ereignisse der letzten Tage haben mich … nennen wir es einmal neugierig gemacht. Mein Sohn lässt sich kaum zu Hause blicken, er prügelt sich wegen eines Mädchens … ein Police Officer schellt an der Tür. Sie verstehen, dass man sich da als Vater Gedanken macht. Vor allem, wenn es mit der Polizei zu tun hat.“ Er warf seinem Sohn einen intensiven Blick zu. „Das kann Samuel sich wirklich nicht erlauben. Ihr Vater würde mir da unter diesen Umständen sicher zustimmen.“ „Mein Vater ist tot.“ Samuel sah zu ihr herüber und sie bemerkte ehrliches Mitleid in seinem Blick.

      „Oh, das wusste ich nicht.“

       „Woher auch?“

       „Es tut mir leid, Kriemhild.“ Sein Dad rieb sich verlegen die Hände.

      „Mister Dawson, ich verstehe, dass sie sich Sorgen machen. Aber die Sache mit der Schlägerei und der Polizei hat sich bereits als Missverständnis herausgestellt.“

       „Das freut mich zu hören. Was ist da noch gleich geschehen? Sie sind ins Wasser gefallen und mein Sohn hat sie herausgezogen?“

       „So in etwa war es wohl. Samuel muss ein sehr guter Schwimmer sein, um bei dem Wellengang jemanden retten zu können.“

       Für einige Sekunden herrschte berstende Stille im Raum. Die beiden wechselten einen seltsamen Blick, bis Sam schließlich den Kopf schüttelte und zu Boden sah.

      „Ein guter Schwimmer“, flüsterte Mister Dawson. „Das ist er in der Tat. Hat er Ihnen erzählt, dass er mal bei den Rettungsschwimmern war?“ „Ja, hat er.“

      Sein Dad erhob sich. Er ging an eine kleine Anrichte und nahm sich ein Glas Wasser.

      „Kriemhild, ich will ganz offen zu Ihnen sprechen. Sie sind eine überdurchschnittlich hübsche, präsente und bemerkenswert kluge junge Frau. Was auch immer meinen Sohn und Sie verbindet, es wird nicht von Dauer sein. Samuel beginnt zum Herbstsemester an der Harvard University sein Studium. Und Sie werden zu diesem Zeitpunkt – Sie verzeihen – längst wieder in Deutschland sein. Dazwischen liegt ein tiefer Ozean. Sie verstehen, worauf ich hinaus will?“

      Sie kam sich ziemlich dämlich vor. Was bildete der Typ sich ein? Kriemhild stand auf und war bereit heimzufahren, trotz des Gefühls einer seltsamen Form von … Gravitation. Alles in dem Raum hüllte sie in Wohlbehagen. Die perfekte Schönheit, die alle umgab.

      „Nun, da kann ich Sie beruhigen, Mister Dawson. Ich hege weder die Absicht, Samuel von seinem Studium abzuhalten, noch verbindet Ihren Sohn und mich irgendetwas. Wenn Sie einverstanden sind, dann würde ich jetzt gern nach Hause fahren.“

      „Dad, es reicht!“ Sam fand endlich auch mal ein Wort und wollte eben loslegen, als sein Vater ihn mit einer Geste zu schweigen bat.

      „Nein! Ich lasse nicht länger über mein Leben bestimmen! Was dieses Studium angeht, hat weder Kriemhild, noch du, oder sonst wer zu entscheiden! Und Amy, halt mal für ‘ne Sekunde deinen Mund! Ständig mischt du dich in Dinge ein, die dich nichts angehen!“

      Plötzlich schwiegen alle und sein Dad warf Sam einen tödlichen Blick zu. Kriemhild begriff nicht. „Amy?“

      Sam lachte leise und fuhr sich durch die Haare. Offenbar ein Anzeichen dafür, dass er nervös wurde.

      „Amy