Weltenreise. Julia Beylouny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Beylouny
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004298
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vielleicht besser, sich etwas Seriöses anzuziehen und ihre Haare zu machen. Also lief sie die Treppe hinauf und wühlte in ihren Kleidern. Brooke hatte erwähnt, seine Leute wären auf ihrem Gebiet weltbekannte Meeresbiologen. Vermutlich hochgestochene Freak-Eltern, die in ihrer Villa hockten und staubige Bücher über den Ozean wälzten. Dabei aßen sie Sushi.

      Sie wählte die dunkelgrünen Sandaletten mit Absatz, einen knielangen beigefarbenen Rock und ein khakifarbenes Trägershirt. Wer wusste schon, worauf Meeresbiologen standen? Und wieso um alles in der Welt wollte sie ihnen gefallen? Kriemhild kannte die Leute nicht mal.

      „Nett, dass du gekommen bist.“

      Sam besaß die unfreundliche Angewohnheit, sie mit seinen Blicken zu ignorieren, während er sprach. Er ließ den Wagen an und fuhr die Straße hinab. Seine Nähe brannte auf Kriemhilds Haut wie Salzwasser, das in eine Wunde spülte.

      „Was soll das? Ich meine, was tu ich hier? Wieso will dein Vater mich sehen? Denkt er etwa, wir wären … ein Paar?“

      „Denk nicht mal an sowas, verstanden?“, fuhr er sie barsch an. „Heute Morgen kam dieser Bulle und schellte an der Tür. Mein Dad öffnete und erfuhr, dass ich wegen eines Mädchens in eine Schlägerei verwickelt war. Du hast keine Ahnung, wie er getobt hat. Jetzt will er sehen, wer es wert war, dass ich mich um sie prügel.“ Sie schaute ihn mit großen, ungläubigen Augen an.

      „Das ist nicht wahr, oder? Willst du mich auf den Arm nehmen? Wie alt bist du? Zwölf? Ich komme mir ziemlich bescheuert vor, um ehrlich zu sein!“

      „Ich habe dir gesagt, du sollst nicht fragen. Du würdest es nicht verstehen. Also belass es einfach dabei. Sei nett zu ihm, sag hallo und dann bringe ich dich wieder heim.“

      „Samuel, ich bin kein Zootier, das man sich einfach so anschaut! Das alles ist ein schlechter Witz!“

       „Das verstehst du nicht!“

      „So, wie ich nicht verstehe, wie du mich bei dem Wellengang gestern retten konntest? In 150 Metern Entfernung vom Strand? Im Dunkeln? Oder so, wie ich nicht verstehe, woher du wusstest, dass Tante Margret hinter der Wand steht und unseren Streit belauscht?“

      Er schüttelte den Kopf und lachte leise. „Ich habe einige Jahre lang als Rettungsschwimmer gearbeitet. Und dass deine Tante lauschen würde, hättest du dir selbst denken können, nachdem ein Officer in ihrem Garten aufgetaucht ist.“

       „Würdest du da vorne bitte anhalten? Ich muss Brooke benachrichtigen, bevor sie überall von meinem Verschwinden erzählt. Und dann möchte ich gern wieder nach Hause.“

       „Das ist nicht nötig. Brooke hat die Party verlassen, nachdem du mit Jason abgezogen bist. Sie war eifersüchtig. Wenn sie von dem Vorfall erfahren hat, dann sicher nicht aus erster Hand.“

      Fassungslos lauschte sie seinen Worten. „Woher willst du das alles wissen? Dass sie eifersüchtig war? Und die Party verlassen hat? Hast du mit ihr gesprochen?“

      Er schaltete einen Gang runter. Sie bogen in ein Dünental.

      „Dort drüben ist unser Haus.“

      Zum ersten Mal, seit Kriemhild im Wagen saß, schaute er ihr direkt in die Augen. Sein Blick war flehend, fast ängstlich. Und er durchdrang sie bis ins Mark. Ihre Hand umklammerte den Türgriff, um den Opalen standzuhalten.

      „Kriemhild, ich verspreche dir, dass du mich nie wiedersehen wirst, wenn du mich jetzt nicht im Stich lässt. Bitte, frag ihn nichts. Das würde alles nur noch schlimmer machen.“

      Kapitel 13

      Justus

      Es geschah einige Jahre zuvor, nachdem er mit sechzehn seinen Realschulabschluss gemacht hatte und auf das Gymnasium wechselte. Bis zu dem Tag hätte er sein Leben als durchschnittlich bezeichnet. Seine Eltern legten sehr großen Wert darauf, dass er das Abitur machte. Schließlich stellte das die besten Voraussetzungen dar, um später die Reederei seines Vaters zu übernehmen. Was sonst sollte man in Bremerhaven anfangen, wenn nicht etwas, das die Seefahrt beinhaltete?

      „Ist der Platz noch frei?“ Er hasste seine Unsicherheit. Neue Gesichter, neue Räume, neue Schule, alle kannten sich, er war der Eindringling.

      „Nein. Der Typ, der da sitzt, wurde Opfer der letzten Chemiestunde. Er trug seine Schutzbrille nicht, als wir das Unsichtbar-Serum testeten.“

       Beinahe die gesamte Klasse lag am Boden vor Lachen. Nur sie nicht. Die Rothaarige schlug dem Fiesling vor ihr auf den Hinterkopf. „Musst du dich gleich bei dem Neuen unbeliebt machen, Frank?“

       „Hast du etwa Angst, er ruft seinen Papi, Kriemhild?“

      Sie ignorierte die Gelächter einbringenden Worte. Ihr Blick galt Justus, nur ihm. Dann das Lächeln; rein und fließend.

      „Der Platz neben mir ist noch frei“, sagte sie mit engelsgleicher Stimme.

      Frank holte zum nächsten theatralischen Schlag aus. „Kriemhild, die Edle, schwor einst ihrer Mutter ewige Keuschheit. Bis Sigfried in ihr Leben trat.“

      Wieder grölte die Klasse.

      „Frank, halt endlich die Klappe!“

      Justus nahm Platz und schaute in ihre meergrünen Augen. „Danke.“

      „Kein Thema. Frank tut alles, um seine Unterbelichtung im Kostüm des Klassenclowns zu verstecken. Du bist Justus?“

       Das war der wahre Beginn seines Lebens. Der erste Lichtstrahl jener Sonne, um die sein Planet fortan kreisen würde. Es war nicht länger nur durchschnittlich. Sie machte sein Leben außergewöhnlich.

      Kriemhild ahnte bis zur Mitte der zwölften Klasse nichts von ihrer Liebe zu ihm, das spürte er an ihrer abwehrenden Haltung. Doch Justus konnte warten. Seine Liebe wuchs mit jedem Tag. Die Art, wie Kriemhild sich bewegte, wie sie sprach, wie der Wind ihr Haar zerzauste, das alles trieb ihn fast in den Wahnsinn. Er hatte einen günstigen Moment abgepasst und ihr Parfum auf ein Stück Papier gesprüht. Sie bewahrte das Fläschchen immer in ihrem Rucksack auf. Zu Hause roch er daran. Es versetzte ihn jedes Mal in Trance.

      Er wusste, dass sie keinen Freund hatte. Obwohl die Hälfte der männlichen Mitschüler alles darum gegeben hätte, sie rumzukriegen. Doch in Wahrheit liebte sie ihn, dessen war er sich einfach sicher. Justus spürte die einzigartige Verbindung; er wusste, dass ihr das irgendwann auch klarwerden würde. Und der Tag kam.

      „Hey, Kriemhild.“ Sie saß in der Freistunde auf dem Schulhof in der Sonne. Wie gut es tat, in ihrer Nähe zu sein.

      „Was gibt’s? Ich wollte mich eigentlich etwas entspannen, bevor wir Mathe haben.“

       „Klar, schon kapiert. Hast du wen gefunden, mit dem du das Referat vorbereitest?“

      Sie schaute ihn an. Ihre smaragdgleichen Augen reflektierten das Sonnenlicht.

      „Deutsch? Nein, ich wollte Sara später fragen.“

       Sie hatte noch niemanden. Das mit Sara hatte sie nur gesagt, um ihm zu signalisieren, dass das seine letzte Chance war, zu fragen. Eine andere Erklärung ihrer Worte gab es für Justus einfach nicht. Kriemhild verstand es, in einer verschlüsselten Sprache eine Botschaft zu übermitteln, die nur Justus zu deuten wusste. Er nahm all seinen Mut zusammen.

      „Hättest du vielleicht Lust … es mit mir vorzubereiten?“

       Sie zögerte und schaute unsicher. Das tat sie, um ihn zappeln zu lassen. Und er allein war privilegiert, ihre geheimen Gesten zu verstehen.

      „Hm, keine Ahnung. Ich frage erst mal Sara, sonst hat sie nachher keinen Partner. Wir hatten fast schon abgesprochen, dass wir es machen.“

       „Ich bin sicher, Sara findet jemanden. Ich hab da so ein paar Schwierigkeiten mit dem Roman. Wenn Frank und die Jungs dann in meine Gruppe kämen … das wär sicher nicht so gut.“

       „Okay, dann komm halt zu uns. Wir machen es zu dritt, einverstanden?“