Weltenreise. Julia Beylouny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Beylouny
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004298
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die Wälder, der Zuckerahorn … Alles leuchtete Scharlachrot, Orange, Gelb und Braun.“ Margret seufzte. Vielleicht gab sie sich noch immer die Schuld daran, dass sie sich in ihrer Naivität zu so einer solchen Dummheit hatte hinreißen lassen. „Johns Vater besaß diese neue Motoryacht, eine 27` Chris Craft. Ich war ganz verrückt danach, einen Spaziergang zu unternehmen, und überredete John, mit mir hinauszufahren. Er wollte nicht. Heute bereue ich, dass ich damals nicht auf ihn gehört habe.“ „Du darfst dir keine Vorwürfe machen, Tante Margret. Das ändert den Lauf der Dinge nicht mehr.“

      „Wie Recht du hast, Liebes. John gab mir nach. Wie sooft, in so vielen Dingen. Er ist einfach zu gut für mich. Er brachte mich in den Hafen auf diese Yacht, die der ganze Stolz seines Vaters war. Er ließ den Dieselmotor an und fuhr hinaus in die Bucht. Meiner Schwäche und den Schmerzen wollte ich keinerlei Bedeutung zumessen. Heute weiß ich, dass ich noch immer gefiebert habe.“

      „Trotzdem bist du rausgefahren?“, fragte ihre Nichte.

      „Ich war kaum siebzehn … Viel zu unreif, selbst noch ein Kind. Das Leben hatte mich viel zu früh ins kalte Wasser geworfen. Irgendwann steuerte John auf einen Hafen zu, wir gingen an Land und ich konnte es kaum erwarten, in die Pinienwälder zu gelangen. Ich rannte ihm einfach davon, hinein in die bunte Herbstlandschaft. Es tat so gut, nach der langen Bettruhe an der frischen Luft zu sein.“ Sie hielt inne und schüttelte unmerklich den Kopf. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Was wäre eine weitere Woche des Liegens gewesen gegen das Leben ihres Kindes? Eine Träne stahl sich über Margrets Wange davon.

      „Du musst nicht weiterreden, Tante.“ Kriemhild entging scheinbar nicht eine einzige Geste.

      „Doch, du sollst alles erfahren“, fuhr sie fort. „Wir wanderten stundenlang durch die Wälder, bis wir eine hübsche Lichtung erreichten und ein Picknick machten. Erst als ich saß, wurden die Schmerzen stärker. Ich hatte mir nichts weiter dabei gedacht, schließlich waren noch drei Wochen Zeit bis zum Geburtstermin. John bemerkte, dass etwas nicht stimmte, und wurde ziemlich ärgerlich. Er wollte mich heimbringen, aber … Es war zu spät. Ich konnte nicht mehr aufstehen. John wollte seinen Vater holen, doch ich hielt ihn zurück. In der Angst, allein zu sein, und … weil seine Familie mich nie gewollt hatte. Ebenso wenig wie dieses Kind.“

      Margret konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Kriemhild drückte ihre Hand und lehnte sich an ihre Schulter.

      „Dann … hast du es dort im Wald bekommen?“, fragte sie zaghaft.

      Margret nickte. „Es ging vermutlich viel zu schnell für das erste Kind. John gab sein Bestes, mir beizustehen. Aber er konnte nicht wirklich helfen. Ich war so erschöpft … der Schüttelfrost, das viele Blut … und dann hielt er sie mir hin. Unsere Tochter. Wir haben sie Sue genannt. Ein so wunderhübsches kleines Mädchen …“ Margret streichelte über Kriemhilds Kopf. „Sie hatte rotes Haar. Ganz genau wie du.“

      Sie schluchzte und ihre Nichte schlang die Arme um ihren Hals. Es war, als umarme ihre eigene Tochter sie.

      „Sue … hat nicht geschrien“, fuhr Margret leise fort. „Sie … sie hat nicht mal geatmet. Ich weiß nicht, was passiert ist. Alles ging so schnell, es war so … unwirklich. John brachte uns in ein Krankenhaus. Einen Tag später kam Pastor Jonas zu mir. Der mitfühlendste, liebenswerteste Mensch, der mir je begegnet ist. Er hat sich um alles gekümmert. Um Sues Beisetzung.“

       Kriemhild reichte ihr ein Taschentuch. Jacob tapste auf die Veranda und nahm auf Margrets Zehenspitzen Platz. Der treue Freund!

      „Weine nicht, Tante. Ich bin mir sicher, dass Sue darüber sehr traurig wäre.“

       „Schon gut, Liebes. Du hast Recht. Ich habe schon zu viel geweint, seitdem du hier bist.“ Sie fand ein schwaches Lachen. „Sicher habe ich dich mit meinem Geheule ein für alle Male vergrault.“

       „Unsinn! Es ist gut, dass du es mir erzählt hast. Ich danke dir. So lebt die Erinnerung an euer Kind weiter.“

      Kapitel 17

      Jason

      Die dämliche Party war der größte Flop, seit Beginn der Beachpartys überhaupt gewesen! Zum ersten Mal in seinem Leben musste er sich eingestehen, dass James Recht gehabt hatte. Er hatte gesagt, das mit dem Drink wäre keine gute Idee. Und auch nicht, die Rothaarige gleich am ersten Abend flachzulegen.

      Natürlich würde er das vor James nie zugeben. Zu allem Überfluss hatte er einen Flunken im Gesicht, der bei jeder Grimasse schmerzte. Blau und so geschwollen, dass seine Augen Mühe hatten, dran vorbeizuschauen. Nur wegen der Tussi! Er hätte jede haben können. Aber er wollte eben immer das, was nicht einfach zu haben war. Um sich selbst zu beweisen, dass er gut war. Und das war er! Er war der Beste!

      Jason zog an seiner Zigarette und versuchte, den Schmerz in seinem Gesicht mit Alkohol zu betäuben. So schnell würde er nicht aufgeben. Er wollte die Kleine noch immer. Vielleicht mehr als zuvor. Wenn doch wenigstens der Beau abgesoffen wäre! Wie um alles in der Welt hatte der es überhaupt angestellt, sie da rauszuholen? Jedenfalls standen Sams Karten nun höher bei ihr.

      Jason lachte verachtend. Weiber! Die ganze Romantikkacke von wegen Leben retten und all das! Aber er musste sich dringend einen Plan zurechtlegen. Er war unten durch bei ihr, soviel stand fest.

      Plötzlich riss James ihn aus den Gedanken. „Was meinst du, Jason, sollten wir eine Wiedergutmachungsparty am Pier steigen lassen? Mit freien Getränken für die ersten fünfzig Leute oder so?“

      „Sicher. Coole Idee, Jamie. Hast du so viel Kohle? Oder pumpst du deinen Alten an?“

       „Da geht sicher was. Also, ja oder nein? Die Saison muss jedenfalls gerettet werden.“

       Darin war James erste Sahne! Vielleicht hatte er ja eine geniale Idee auf Lager, wie er die Rothaarige wieder besänftigen konnte.

      „Klar, Mann! Du planst das schon. Sag mir, wenn es soweit ist. Aber gib meinem Zinken ein paar Tage, um zu heilen.“

      Kapitel 18

      Kriemhild

      Die Sonne ging über der Buzzards Bay unter. Kriemhild lief am Strand entlang, begleitet von Margrets Geschichte. Fast sah sie, wie Sues kleine Fußspuren sich neben ihren in den weichen Sand schmiegten. Konnte es Schlimmeres geben, als das eigene Baby sterben zu sehen?

      Ihre Wehmut wandelte sich in Sehnsucht, als sie sich dabei ertappte, wie sie immer wieder zu den Dünen hinüber blickte. Vor allem zu der Stelle, an der Samuel sonst saß. Zu ihrer Enttäuschung hielt er sein Versprechen, dass sie ihn nie wiedersehen würde, nachdem sie ihm in der Sache mit seinem Vater beigestanden hatte. Sam blieb ihr ein einziges Rätsel. Sie rief sich die Szene mit Amy in Erinnerung. Seine Schwester hatte sich ihr an dem Tag weder vorgestellt, noch irgendwas gesagt. Oder litt Sushi-Sam an Verfolgungswahn? Ein zweiter Justus?

      „Hallo, Kate!“

      Kriemhild fuhr herum. Jemand rannte auf sie zu. Barfuß – wie sie selbst. Im Dämmerlicht erkannte sie Brooke.

      „Hi!“ Kriemhild hieß die Ablenkung willkommen.

      „Wie geht es dir? Oh mein Gott, tut es gut, dich leibhaftig und lebendig wiederzusehen! Obschon ich ja zugeben muss, dass ich auf der Party am Pier mächtig eifersüchtig war und mir vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde gewünscht habe, du wärest tot, nur damit ich auch eine Chance bei den Jungs hätte. Verzeih mir, ich weiß, ich bin ein Esel!“

      „Was tust du um diese Zeit am Strand, Brooke?”

      „Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen, um ehrlich zu sein. Ich musste den ganzen Tag in der Pension meiner Eltern aushelfen. Erwähnte ich schon, dass Ferien sind? Jedenfalls habe ich mich eben aus dem Staub gemacht. Ich musste dich unbedingt sprechen. Bitte verzeih mir, dass ich dich mit Jason allein gelassen habe. Es war falsch. Ich hätte mir denken können, was er vorhat. Bitte, vergibst du mir?“

      Brooke