Traumziel Kajütboot. Thomas Stange. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Stange
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847628439
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„Nee - so früh am Morgen kann ich das noch nicht haben. Außerdem muss ich dann gleich wieder auf Toilette - gibt’s hier überhaupt ein Klo an Bord?“

      „Aber klar!“ lachte der Käpt’n. „Bei uns Männern geht das immer nach Lee, und weit über die Reling. Und für die Damens an Bord steht da hinten in der Kajüte so’n blauer Eimer.“

      Na Mahlzeit. Hätte ich mir damals doch bloß an dem Floh ein Beispiel genommen. Aber mich ritt natürlich mal wieder der Teufel. „Geben Sie mir ruhig ‘mal so eine Buddel ‘rüber“, hörte ich mich sagen.

      Das Bier war kalt, frisch und beflügelte sozusagen die Lebensgeister. Schwupp, und leer war’s. Hmmmm....

      Der Angler war zwischenzeitlich bei seiner dritten Flasche angekommen. „Na Käpt’n, ich nehme auch noch eins.“ Der Teufel hat den Schnaps gemacht....

      Unterdessen waren die beiden Inseln nähergekommen und mit ihnen auch das vergleichsweise schmale Fahrwasser dazwischen. Die Dünung wurde merklich rauer, kurze steile Seen bauten sich um uns herum auf. Unser schwerfälliger Spitzgatter begann zu stampfen. Und jetzt meldete sich auch noch das Bier. Was man oben hineinschüttet, muss unten bekanntlicher Weise wieder hinaus. Aber sich bei dem Gedümpel an die Reling stellen, das wollte ich nicht.

      „Skipper, ich geh’ mal kurz in die Kajüte.“

      „Wenn’s sein muss! Aber nimm den blauen Eimer, bloß nicht einen von den weißen, die sind für die Fische. Aber ich tät da jetzt nicht reingehen.“

      Seine Antwort bekam ich nur noch mit halbem Ohr mit, darum machte sie mich auch nicht weiter nachdenklich. Was der Käpt’n gemeint hatte, wurde mir erst klar, als ich aus der Kajüte wieder heraus kam.

      Das Stampfen hatte noch zugenommen und rollen tat der Kahn jetzt auch noch, ‘Schlingern’ nennt man wohl diese Bewegungskombination und, oooh, war mir schlecht. Vom Bröckchenhusten war ich zwar noch ein Stück entfernt, aber scheinbar war es meine Gesichtsfarbe, die den Floh mir raten ließ, erst mal ganz ruhig durchzuatmen.

      „Das hätte ich dir sagen können, dass man bei Seegang besser nicht unter Deck geht.“ Meine ehemalige Freundin sparte nicht mit guten Ratschlägen.

      „Das hilft mir jetzt auch nicht mehr“ kam meine gepresste Antwort. Zu großen Diskussionen war ich in diesem Moment nicht aufgelegt. Ich hatte das Gefühl, besser den Mund zu halten.

      „Komm, mein Jung’, lös’ mich mal am Ruder ab.“ Der Skipper schubste mich auf den Platz an der Pinne. „Ich muss dem Angler mal bei seinem Gerät helfen. Kannst du die Tonne da drüben erkennen? Das ist die Buhne H, auf die hältst du zu.“

      Oh ja, der Käpt’n Lüders, wenn der wollte, dann konnte er das Gras wachsen hören. „Wenn einer seekrank ist, dann gib ihm an Deck ‘was zu tun. Und am besten etwas, bei dem er auf den Horizont schauen kann.“ Alter Grundsatz alter Seebären.

      Bei mir jedenfalls half es. Ich fühlte mich fast sofort besser und traute mich bald auch wieder, die eine oder andere Bemerkung fallenzulassen.

      Der Angler hatte inzwischen seine Ruten klar bekommen. Ich bin nun kein Angelspezialist, konnte aber erkennen, dass an seiner langen Schnur mindestens acht bis zehn Blinker im Abstand von jeweils ca. einem Meter eingeschäkelt waren. Die Makrele ist bekanntlicherweise ein Schwarmfisch. Zehn mit einem Streich, lautete hier also das Motto.

      Unser Skipper machte uns dann auf einen Möwenschwarm aufmerksam, aus dem einzelne Vögel immer wieder auf die Wasseroberfläche herabstießen.

      „Wo die oben sind, sind unten die Makrelen. Kurs auf den Möwenschwarm !“

      Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Angeln immer als ein ruhiges Hobby gemütlicher Zeitgenossen angesehen, bei dem sich Angel und Angler längere Zeit nicht zu bewegen brauchen, bei dem nur hin und wieder etwas passiert und vielleicht sogar einmal ein Fisch an der Leine zappelt.

      Was hingegen an diesem Vormittag da draußen auf der Nordsee vor Wangerooge geschah, damit hatte ich nicht gerechnet, das war ein regelrechter Fischzug! Angel ausgeworfen, nach wenigen Augenblicken eingeholt, und an jedem Blinker hing eine Makrele. Angel wieder ausgeworfen, wieder eingeholt, wieder alles voller Makrelen.

      Nach ungefähr zwanzig Minuten sahen Andi und ich uns von etwa vierzig Makrelen umgeben, die sich zappelnd um unsere Füße herum wanden. Als ausgesprochener Tierfreund fand ich diesen Anblick wenig erbaulich. Und als ich den Floh ansah, sprach dessen Gesichtsfarbe Bände. Was der schlingernde Spitzgatter nicht geschafft hatte, erreichten vierzig Makrelen spielend. Dem Floh wurde übel!

      „Willst du mal an’s Ruder?“

      „Nee, geht schon...“ Jetzt wusste ich auch, wie meine Stimme vorhin geklungen haben musste. Immer nach dem Motto: Bloß den Mund halten!

      Einige Zeit später war der Fang um die Ecke gebracht worden und das Cockpit wieder einigermaßen aufgeklart. Erst jetzt schaute Andi mich wieder an. Sie hatte die ganze Zeit gebannt aufs Meer hinaus gestarrt und sich so wieder hingekriegt.

      Gesegelt sind wir übrigens den ganzen Törn über nicht. Die Rückfahrt verlief ruhig. Erst in Höhe der Hafeneinfahrt löste mich der Skipper an der Ruderpinne wieder ab. Das Klarschiff-Manöver am Steg mit Wasserschlauch und Schrubber hat er uns dann auch erspart. Er wusste schon warum....

      Als wir an diesem kühlen, aber trockenen, dabei überwiegend schwachwindigen Tag in der Mittagszeit von Bord der Seenixe gingen, ahnten wir noch nicht, dass selten etwas nur einmal geschieht, dass die Duplizität der Fälle die Regel ist, kurz : dass sich zur selben Jahreszeit am selben Ort unter den selben Umständen alles wiederholen sollte.

      Ein Jahr später, spätes Frühjahr oder früher Sommer, je nach Standpunkt. Wetter kühl, windig, Sonne und Wolken wechselten sich ab, abends oft Nebel. Harlesiel, Stammlokal Fischer’s Kroog, der Floh und ich an der Theke. Und wieder standen vor Wangerooge die Makrelen gut.

      Wir saßen vor unseren Schoppen und kauten mit Käpt’n Lüders den letztjährigen Angeltörn durch.

      „Du warst zwischendurch ganz schön grün im Gesicht. Aber lass mal, das passiert den meisten Anfängern.“ Der Skipper grinste mich an. Ich suchte in seinem Blick die von mir vermutete Schadenfreude, fand aber keine.

      „Oh Mann, Skipper, ich glaube, das mache ich nie wieder. Erst Bier und dann auch noch in die Kajüte. Ich hätte nie gedacht, dass einem davon so schlecht werden kann.“

      Ich hatte beschlossen, dass Einsichtigkeit der beste Weg sein würde, die Situation für mich zu retten. Denn einen kleinen Knacks hatte mein maritimes Selbstbewusstsein schon bekommen.

      Es ist ein seltsam‘ Ding mit der menschlichen Natur. Man neigt oft dazu, eigene Fehler mit betonter Überlegenheit zu überspielen. Damit erntet man jedoch bei den Fachleuten, den Vielerfahrenen und Könnern nur ein mitleidiges Lächeln. Einsichtigkeit und das „Einen-guten-Rat-annehmen“ erzeugt hingegen Respekt. Ich jedenfalls bin mit dieser Methode beim ‘Erlernen’ des Wassersports und auch sonst gut gefahren.

      „Der Gleichgewichtssinn“, erklärte uns Käpt’n Lüders, „liegt im Mittelohr. Man muss sich das wie ein kleines Pendel vorstellen, das durch die Schaukelei an Bord aus dem Takt gerät. Dadurch werden falsche Signale ans Gehirn gesendet. Folge: dir wird schlecht! Du versuchst, die Übelkeit zu bekämpfen, konzentrierst dich automatisch darauf und erreichst das glatte Gegenteil: dir wird noch viel übler.

      Als ich dich damals ans Ruder setzte, ging es nur darum, dich erstens mit einer Aufgabe abzulenken, bei der du zweitens deine Konzentration auf einen fixen, nicht rollenden Punkt lenken musstest. Das kann auf See der Horizont, eine Tonne oder auch Landmarke sein. Manche Seekranke brauchen einfach nur eine Aufgabe, bei anderen reicht die Konzentration auf einen Fixpunkt aus, viele aber brauchen beides.“

      Das hatte mich nun neugierig gemacht.

      „Und woran liegt es, dass manche Menschen, obwohl sie noch nie auf einem Schiff waren, auch bei gröbster See nicht seekrank werden?“

      „Das hängt sozusagen mit der „Empfindlichkeit“ des kleinen Pendels im Mittelohr zusammen.