Traumziel Kajütboot. Thomas Stange. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Stange
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847628439
Скачать книгу
war sie, denn dort sprang Peter vor Lachen im Kreis und schlug sich freudig auf die Schenkel.

      Und ich paddelte da wie ein Blöder. Dabei machten wir kaum Fahrt über Grund. „Hier ist Strömung im See. Wir kommen kaum vorwärts“ raunte ich Andrea zu.

      „Quatsch, du paddelst nicht richtig“ kam als Antwort von vorne.

      „Das liegt an den Paddeln. Lass uns mal die Stechpaddel probieren.“

      „Du kannst nicht paddeln“, beharrte der Floh auf seinem Standpunkt „egal mit welchem Paddel.“

      Leider sollte Andrea Recht behalten. Nachdem sich am Ufer bereits mehrere Zuschauergruppen eingefunden hatten, entschied ich mich für einen strategischen Rückzug.

      Am Ufer waren wir dann ganz schnell und das Wasser des Sees deckte die Spuren unserer ersten Paddelversuche zu.

      Sie, lieber Leser, hätten das alles ganz anders gemacht? Erzählen Sie mir nichts. Denn mit Schlauchbooten kenn´ ich mich aus.

      Erkenntnisse über Freud und Leid des Kajütbootfahrens

      Bevor ich den Floh kennenlernte, stand ich hauptsächlich allein auf weiter maritimer Flur. Mein Interesse an nautischen Dingen im Allgemeinen und Schiffen im Besonderen war sozusagen im Wiedererwachen begriffen. Unterstützt wurde dieser Prozess durch die Tatsache, dass sich mein Onkel entschieden hatte, seinen ständigen Wohnsitz von der Domstadt am Rhein an die von ihm so geliebte See zu verlegen. Weshalb er sich im ostfriesischen Harlesiel kurzentschlossen ein Haus zulegte.

      Besser gesagt das, was später einmal ein Haus werden sollte, denn weit über den Zustand des Rohbaus hinaus war das gute Stück zu diesem Zeitpunkt noch nicht gediehen. Eine Hand voll ostfriesischer Mörtelspezialisten war unterdessen dabei, das Bauwerk in seinen Endzustand zu versetzen, immer gemäß dem Grundsatz, dass gut Ding auch entsprechende Weile braucht. Insofern war also noch nicht aller Tage Abend.

      Nicht zuletzt deswegen kam mein Onkel zu dem Schluss, dass fortan jeder Bauabschnitt einer strengen Überwachung seitens des neuen Eigentümers bedürfe. Da es sich mein Onkel zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht leisten konnte, seine zeitlichen Prioritäten von ‘Beruf’ radikal auf ‘Eigenheimbau’ zu verschieben, wurde kurzerhand die Familie aktiviert.

      Infolgedessen reiste unsere Familie aus allen Teilen Deutschlands gemäß einem strengen Wachrythmus an die Küste, um ihren Teil zu der als notwendig erachteten Bauaufsicht beizusteuern.

      Und so erwischte es auch mich. Und da das Wetter herrlich und ich seitens meines Onkels mit einem gewissen Entscheidungsspielraum ausgestattet worden war, entschied ich kurzerhand, dass der Bau eine Weile auch ohne mich stehenbleiben würde. Und entschwand in Richtung Hafen.

      Jeder, der diese kleinen ostfriesischen Fischerdörfer kennt mit ihrem geschäftigen Treiben rund um die Krabbenkutter und den meist vorgelagerten Yachthäfen, der kann sich vorstellen, wie sehr dieses Ambiente dazu angetan war, dem Wasserbazillus in mir wieder zum Vorschein zu verhelfen.

      Unter den Sportbooten dominierte Schwarz-Rot-Gold, aber auch Dänen und Niederländer lagen da in schöner Eintracht nebeneinander. Und jedes Schiff, das auslief, lief aus - ohne mich.

      Ich bin wohl einfach nicht der Typ, der hingeht und einen Skipper fragt, ob er ´mal mitfahren darf. Also blieb ich am Pier sitzen, litt still vor mich hin und den Yachten hinterher. Und dieser Leidensdruck angesichts eines aus dem Hafen auslaufenden Schiffes hat mich bis heute nicht verlassen.

      Und dann trat sie in mein Leben: meine zukünftige Ehefrau. Natürlich wusste ich das damals noch nicht. Und wie alle jungen Burschen in dem Alter versuchte ich sogleich, Eindruck zu schinden. Nichts schien besser dazu geeignet zu sein als mein sogenanntes ‘nautisches Wissen’. Alles nur ‘angelesen’, klar. Aber gut verpackt merkt das keiner, dachte ich.

      „Na, wir scheinen ja ganz gut zueinander zu passen“ zeigte sich Andrea ziemlich unbeeindruckt von meinen fachlichen Kenntnissen. „Meine Eltern hatten zuerst ein Klepper-Paddelboot, dann eine Ondo und dann einen sechs-Meter-siebzig-Kajütdampfer, eine Birchwood. Und mein Onkel hat einen neun-Meter-Kajütkreuzer, ganz aus Holz. Ich bin praktisch auf dem Wasser groß geworden.“ Autsch, da hatte ich mein Fett!

      Andrea behauptet heute, sie hätte mich damals sofort durchschaut, was ich entschieden bestreite, denn ich hatte wirklich viel über die Schifffahrt gehört und gesehen und alles gierig in mich aufgesogen und fest verankert. Hinzu kam meine Begeisterung, und die war echt. Während mein Wissen allerdings rein theoretischer Natur war, verfügte Andrea über das, nach was ich förmlich lechzte, nämlich die praktische Erfahrung. Und getreu dem Motto, dass das, was der andere weiß, man nicht selber lernen muss, begannen wir fortan, voneinander zu profitieren.

      In der Tat sind Yachten und ganz speziell Motorkreuzer dem uralten Witz entsprechend kurz, schmal, niedrig, kalt, feucht, unbequem und, vor allen Dingen, irrwitzig teuer. Bei einer Schiffslänge von sechs Metern zahlt man heute problemlos zehntausend Mark pro Meter. Bei acht Metern ist man mit zwanzigtausend Mark der Meter dabei, und wer sich in einem Anfall von Größenwahn für einen zehn-Meter-Dampfer entscheidet, ist dreißigtausend Mark locker los. Pro Meter, versteht sich. Wenn das Schiff neu ist. Denn alt wird es von ganz alleine. Und bis dahin verschlingen Sommer- und Winterliegeplatz, Kranen, Versicherung, Kraftstoff, Wartung und Servicearbeiten wie zum Beispiel das alljährliche Aufbringen von Osmose- und Antifouling schütz weitere Unsummen. Bis der Skipper pleite ist. Oder den einzig ehrenhaften Ausweg wählt. Oder entnervt verkauft.

      Aus diesem Grund war Andrea auch erstaunt, so erzählte sie mir, als ihre Eltern damals vom Besuch der Hamburger Bootsmesse zurückkamen und sie mit den Worten begrüßten: „Wir haben ein Schiff gekauft!“ Erstaunt und skeptisch.

      Ihre Eltern hatten sich für eine englische Birchwood entschieden, die zu dieser Zeit, Anfang der siebziger Jahre, den sehr beliebten und daher weitverbreiteten Riss eines kompakten Kajütboots aufwies. Heute herrschen unter den Kajütkreuzern bekanntlich die dem italienischen und amerikanischen Yachtbau entlehnten flachen Gleitboot-Formen vor, die zwar über eine riesige Plicht verfügen, deren sogenannte Schlupfkajüten aber eher Aufbewahrungsfächer für Crewmitglieder denn Lebensraum unter Deck darstellen.

      Anders die Birchwood. Bei einer Länge von nur sechs-Meter-siebzig verfügte sie über eine erstaunlich geräumige Kajüte, die neben vier Schlafplätzen eine vollwertige Pantry sowie einen Waschraum mit Pump-Toilette aufwies. Der Steuerstand war überdacht und befand sich interessanterweise auf der Backbordseite (die besondere englische Note). Ausgerüstet mit Gleiterrumpf und einem 115 PS Volvo Penta Vierzylinder war das Boot locker für 22 Knoten gut. Leider gibt es diese Birchwood nicht mehr zu kaufen. Aber man kann sie heute noch öfters auf dem Wasser antreffen. Den meisten sieht man ihr Alter nicht an. Denn wer eine hat, der pflegt sie auch gut. Und gibt sie nicht wieder her.

      „Ich weiß noch genau,“ erzählte Andrea lachend, „wie ich damals mit meinem Vater in dem Geschäft stand, in dem es diese schicken Metallbuchstaben zum Aufkleben gab. Wir hatten vorher in der Familie eine halbe Ewigkeit an dem Namen für den Dampfer herum diskutiert und uns dann endlich geeinigt. Doch als der Verkäufer dann fragte, welche Buchstaben wir denn haben wollten, sah mich mein Vater erst verwirrt an und begann dann nervös in seinen Taschen herum zu suchen. ‘Calypso’, half ich ihm aus, ‘wir haben uns für Calypso entschieden’. Ich glaube, das war das erste und auch das letzte Mal, dass mein Vater den Namen seines Schiffes vergessen hatte.“ „Das war eine merkwürdige Fahrt damals“, meinte Andrea nach einer nachdenklichen Pause. „Wir wollten mit unserer Calypso in den Sommerferien einen Holland-Törn machen. Meine Eltern, mein kleiner Bruder und ich. Mein Vater war ein guter Skipper und hatte das Schiff und uns frühzeitig und mit entsprechender Ausdauer auf die Fahrt vorbereitet. Und trotzdem war der Wurm drin, besonders am Anfang der Reise. Aber der Reihe nach.

      Was kann es Schöneres geben: endlich Sommerferien; sechs Wochen lang keine Schule und ein vierwöchiger Bootstrip nach Holland lagen vor mir. Am Siebenschläfer-Tag hatte die Sonne geschienen (was ja angeblich Gutes verheißen soll) und die alte Bauernweisheit schien sich zu bestätigen.

      Am