Traumziel Kajütboot. Thomas Stange. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Stange
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847628439
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der Motor, umso teurer ist er auch. Lass’ uns erst einmal klein anfangen. Vielleicht bekommen wir ja ein Boot, das später stärker motorisiert werden kann. Wenn wir merken, dass wir Spaß an der Sache haben und das Boot auch ausnutzen. Dann machen wir eben noch unsere Scheine.“

      Drei Tage später trugen wir dem miesen Wetter Rechnung und brachen unseren Ostsee-Urlaub ab. Wir fuhren heim, einen festen Entschluss im Gepäck.

      „Bei diesem Kopfsteinpflaster fallen einem ja die Zähne aus.“ Der Floh hielt sich krampfhaft am Haltegriff auf der Beifahrerseite fest. Unser Bus rumpelte durch die kleine Nebenstraße in der Kasseler Altstadt. Wir waren von unserem mittelhessischen Zuhause zu unseren Freunden nach Hamburg unterwegs und machten in Kassel Zwischenstation, um etwas abzuholen, etwas sehr Wichtiges. Wir hatten diesen Augenblick lange herbeigesehnt.

      Es war Mitte März. Acht Monate waren seit diesem denkwürdigen Abend im ‘Blockhaus’ auf dem Campingplatz in Schuby an der Ostsee vergangen, an dem wir den Entschluss gefasst hatten, uns ein Motor-Schlauchboot zuzulegen. Acht Monate, in denen wir viele Kilometer abgespult hatten, um immer neue Bootshändler abzuklappern, neue Angebote einzuholen, gebraucht, neu, zu groß, zu klein, zu teuer. Irgendwann waren wir dann in Kassel gelandet. Bei der Firma ‘Scheurich-Boote-Motoren-Zubehör’. Und hatten uns für ein neues Quicksilver 330 entschlossen, mit Zweizylinder Mercury 6, gedrosselt auf 3,68 kW. Dazu Fender, Leinen, Anker, Bug-Spritzschutz, kleiner Slipwagen und Rettungswesten. Alles war von uns bestellt worden und lag nun bereit zur Abholung.

      „Hoffentlich ist wirklich alles mitgekommen“ orakelte ich, als wir auf Scheurichs Parkplatz einbogen. „Ich habe keine Lust, die erste Probefahrt ohne Ausrüstung zu machen.“

      „Stell’ dich nicht so an.“ Andi sah die Sache wie immer realistisch.

      „Erstens wollen wir heute noch nach Hamburg und haben deswegen sowieso keine Zeit für eine Probefahrt. Zweitens geh’ ich bei der Kälte eh’ nicht aufs Wasser. Drittens reicht’s für die Probefahrt aus, wenn Fender und Leinen an Bord sind. Und viertens: wenn wir unseren ersten Törn vielleicht Mitte April machen, ist bestimmt alles da!“

      Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht.

      Der Inhaber, Herr Scheurich, begrüßte den Floh mit Handschlag. Andis Vater war früher schon guter Kunde bei Scheurichs gewesen. Man kannte sich also. „Gehen Sie ‘mal mit meinem Assistenten mit“ wandte sich der Chef dann an mich, „im Schuppen da drüben steht alles für Sie bereit“.

      „Sie kriegt den Handschlag und ich darf schleppen“ maulte ich leise vor mich hin. „Schleppen kann ich den Kahn später noch oft genug.“

      „Ich nehme den Motor und Sie können ja mit der Bootspacktasche nachkommen.“ Der Assistent hatte die Arbeitsteilung bereits vorgenommen. „Die Packtasche ist nicht so schwer.“

      Wir hatten uns für die Bootsversion mit herkömmlichem Holzboden entschieden. Wir hätten das Boot auch mit sogenanntem ‘Air-Deck’ bekommen können, einem sehr fest aufblasbaren Luftboden. Das hätte eine erhebliche Gewichtsersparnis bedeutet. Da wir aber planten, auch einmal in Strandnähe auf der Ostsee zu fahren, hatten wir auf anraten der Fachleute die deutlich stabilere Holzversion gewählt.

      Also frisch ans Werk. Tragegriffe der Packtasche in die linke Hand (ich bin Linkshänder) und hiiieeeev...an. Nichts passierte. Irgendwo verklemmt? Am Boden festgenagelt ? Also abwärts gebeugt, Riemen über die Schulter. Lang genug waren sie ja. Und hiiieeev... nee, so ging’s auch nicht, da streikte mein Kreuz. Also in die Hocke. Mann, war das Ding schwer! Aleeee - hopp....

      Zwei Minuten später kam ich, schwer Lage schiebend, mit hochrotem Kopf aus dem Schuppen getorkelt, den Blick auf die offene Heckklappe unseres Busses fixiert. Loswerden wollte ich das Ding, das da wie Blei an meiner Schulter hing, mit einem Seufzer der Erleichterung im Gepäckraum unseres Gefährts abstellen.

      Doch da lag, massiv wie eine Panzersperre, unser Motor, ganz zuvorderst, vom Assistenten des Hauses Scheurich liebevoll platziert. Schwankend stand ich da.

      „Erst muss die Tasche ‘rein, dann erst der Motor“ keuchte ich den Floh an.

      „Dann musst du den Motor eben nochmal ‘rausnehmen. Aber vorher stellst du die Tasche ab.“ Der Floh ist eben praktisch veranlagt.

      „Ich brauch’ jemanden zum Mit-Anfassen. Wo zum Teufel ist der Assistent?“

      „Fort!“ kam die lapidare Antwort.

      Also, Kniebeuge, um die Tasche abzustellen. Dabei Ermahnung, gefälligst vorsichtig zu sein, damit die diversen Holzteile nicht splitterten. Den unnatürlich verkrümmten Rücken wieder in aufrechte Position gebracht. Problemstellung ‘Motor aus Gepäckraum heben’ analysiert. Nützlichen Hinweis bekommen: „da is’n Tragegriff ‘dran.“ Griff gesucht und gefunden. Motor zur Laderaumkante gezogen und angehoben. Kommentar unter Zuhilfenahme der Betriebsanleitung „Gewicht des Motors...32 Kilo. Also stell’ dich nicht so an.“

      Motor auf nahegelegener Wiese abgesetzt, Kniebeuge, Tasche in Bus bugsiert, Motor nachgeschoben....

      „War’s das?“, fragte ich erschöpft.

      „Das war’s“, zeigte sich der Floh zufrieden, „wir müssen jetzt nur noch den Bootswagen holen und die Fender, den Anker, die Rettungswesten...“

      All’ diese Strapazen waren vergessen, als wir sechs Wochen später wieder bei Scheurichs vorfuhren. Wir hatten unser neues Boot in der Zwischenzeit kennengelernt, soweit dies auf dem Trockenen möglich war. Das Wetter hatte sämtliche Trockenübungen im Freien zunichte gemacht, weshalb wir das gute Stück kurzentschlossen in unserem Wohnzimmer aufbauten. Platz genug hatten wir ja. Und die ersten Erfahrungen verliefen rundum positiv. Der nutzbare Innenraum unseres Schlauchers erwies sich als für uns Zwei durchaus ausreichend, die Bodenbretter passten, die Alu-Verbindungs- und Stabilisationsleisten klemmten nicht, die Nähte waren solide verklebt, kurz, das ganze Boot machte einen handfesten Eindruck.

      Etwas Sorge bereitete mir einzig und allein unser Motor. Den hatte ich mir nämlich einmal genauer angesehen und mein Blick war am Typenschild hängengeblieben.

      Leistung: 4,5 kW stand da, also 6 PS. 3,68 kW hätte da stehen sollen. Wurde vergessen, das Typenschild auszutauschen? Wohl kaum. Wurde uns ein falscher Motor geliefert? Wir hatten den Mercury 6 als führerscheinfreie Version bestellt. Ich rief die Firma Scheurich an.

      „Wir bestellen immer die ungedrosselte Version“ bekam ich zur Antwort. „Die Wasserschutzpolizei macht Ihnen deswegen keine Schwierigkeiten. Aber wenn Sie unbedingt wollen, können wir Ihnen den Motor ja noch drosseln.“

      Wir hatten in zwei Wochen einen Camping-Urlaub mit Boot an der Weser geplant. Den Motor jetzt vorher noch drosseln lassen? Das würde zeitlich wohl kaum klappen. Dann fiel vielleicht alles ins Wasser. Und Scheurichs hatten ja gesagt, ich würde keine Schwierigkeiten bekommen. Aber wusste man das so genau? Letztlich war ich als Bootseigner für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich. Immerhin hatte ich schon ein ‘amtliches Kleinfahrzeugkennzeichen’, wie es offiziell heißt, beantragt und zugeteilt bekommen. Und darin hatte ich die Motorleistung mit 3,68 kW angegeben. Das 4,5 kW-Typenschild hatte ich erst danach entdeckt. Was also tun? Hmmm...

      Wir entschieden uns, alles so zu lassen, wie es war. Das Risiko war nicht zu leugnen, aber wir wollten endlich aufs Wasser. Um es gleich vorweg zu nehmen: alles ging gut, jedoch das schlechte Gewissen fuhr immer mit. Denn eigentlich bin ich ein sehr gesetzestreuer Mensch. Und im darauffolgenden Winter habe ich meinen Sportbootführerschein gemacht. Für Binnen und See. Sicher ist sicher.

      Es war also Ende April, als wir im Hof der Firma Scheurich unseren nagelneuen Kofferanhänger vom Bus abkuppelten, um ihn ein wenig näher an den Anleger zu schieben, den Scheurichs für ihre wassersportlichen Kunden auf der Fulda unterhielten. Den Kofferanhänger hatten wir uns kurzerhand zugelegt, als wir feststellten, dass Campingausrüstung u n d Boot das Ladevolumen unseres Busses doch um einiges überstiegen.

      Im Auf- und Abbauen unserer Ronja - so hatten wir das Prachtstück getauft - waren wir ja nun schon einigermaßen geübt, sodass eine Viertelstunde später unser Boot auf der Wiese oberhalb des Anlegers