Traumziel Kajütboot. Thomas Stange. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Stange
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847628439
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eingefangen.

      „Aber jetzt hältst du gescheit fest!“ Schon wieder bekam ich die blöde Leine in die Hand gedrückt, während sich die Untertore der Schleuse öffneten und Vater zurück auf seinen Steuerstand flitzte. „Und denk’ diesmal daran, die Leine über die Achterklampe umzulenken. Dann hast du nur halb so viel Zug darauf“.

      „Hättest du mir das nicht vorher sagen können?“ Ich war auf Vater sauer. Erst ließ er mich dumm sterben und dann am ausgestreckten Arm verhungern, sodass ich beinahe in die Brühe gefallen wäre.

      „Erstens hab’ ich gedacht, das wüsstest du und zweitens habe ich dich wieder heraufgeholt, also stell’ dich nicht so an. Und pass’ jetzt auf. Wir kriegen Schraubenwasser von dem Musikdampfer vor uns.“

      Das war er, der blöde Anfängerfehler. Die Sache mit der Klampe ......

      Desweiteren ging dann jedoch alles gut. Wir haben während dieses Urlaubstörns noch oft geschleust. Sowohl abwärts wie aufwärts. Aber ich bin nicht mehr ‘reingefallen. Weder in eine Schleuse noch sonst wo. Zumindest nicht unfreiwillig. Denn Fehler, die begeht man an Bord meist nur einmal ......“

      Der Angeltörn auf der Nordsee oder: Manche Fehler macht man eben doch zweimal

      „Immer bin ich derjenige, der die dicken Plünnen schleppen muss.“ In meinen gerade reifenden Vollbart grummelnd hievte ich die beiden schweren Koffer aus dem Gepäckabteil unseres Golfs und setzte mich Richtung Eingangstür in Bewegung. Der Floh war zwischenzeitlich zusammen mit der kleinen Reisetasche bereits im Haus verschwunden.

      Da waren wir also wieder einmal. An der Nordsee. In Onkels Haus in Harlesiel. Der Floh und ich. Der Onkel war verreist. Es war spätes Frühjahr oder früher Sommer. Je nach Standpunkt. Das Wetter überzeugte mit kühlen Schauern, Wind bis Stärke 5, ab und an mal Sonne und abends mit Nebel in schöner Regelmäßigkeit.

      Vor uns lag für zwei Wochen ein Haus für uns alleine (wir waren zwischenzeitlich verlobt, weswegen unseren Eltern bei der Sache zwar nicht ganz wohl war, sie aber sämtliche Augen zudrückten), lag viel Faulenzen, lagen ausgedehnte Entdeckungstouren, die wir entlang der Störtebeker-Straße unternehmen wollten und abends vielleicht einmal ein Gang auf einen ‘Lütten’ in unsere Stammkneipe ‘Fischer’s Kroog’, direkt auf dem Harlesieler Abschlussdeich gelegen.

      „Spitzenprogramm“, konstatierte der Floh.

      „Bestimmt noch ausbaufähig“, beurteilte ich die Aussichten etwas skeptischer.

      Während wir dann in den darauffolgenden Tagen mit dem Auto die Störtebeker-Straße von Greetsiel bis Wilhelmshafen erkundeten, bekannte und unbekannte Häfen besuchten, die riesige Langwellen-Sendeanlage von Norddeichradio bestaunten und in so mancher verträumten Fischer-Kneipe einkehrten und die lokalen Spezialitäten verkosteten, bahnte sich draußen auf See eine Entwicklung an, die unserem Urlaub eine ganz besondere Würze hinzufügen sollte : die Makrelen standen gut !

      Waren Sie, liebe Leser, schon einmal abends bei Nebel zu Fuß in einem Hafen unterwegs? Im Yacht- und im Fischereihafen von Harlesiel werfen Straßenlaternen ihr diffuses Licht auf nasses Kopfsteinpflaster, der Leuchtturm von Wangerooge winkt matt im roten Gleichtakt über das Watt, Yachtcrews sitzen unter Deck im Schein von Petroleum-Laternen und trinken auf die christliche Seefahrt; auf dem Krabbenkutter, der vorhin mit der letzten nautischen Dämmerung eingelaufen ist, wird nun das Deck aufgeklart, ..... ich sage Ihnen, das ist Romantik pur, zumindest für zwei, die mit dem Wasserbazillus... na, Sie wissen schon.

      Voll dieser Eindrücke betraten wir also an solch einem Abend ‘Fischer’s Kroog’ und setzten uns an die Theke. Nicht dass die Kneipe gerammelt voll gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Aber hinter der Theke stand ‘Käpt’n’ Lüders, bekannt für seine spannenden Stories aus seinem äußerst wechselvollen Leben und, nicht zuletzt, für seine Angelfahrten mit der Seenixe. Zugleich war er der Wirt und allgegenwärtige ‘Master next God’ dieses Etablissements. Wie immer bestellte ich „ein großes und ein kleines ‘Jever’ und zweimal ‘n`Sööten’ Der ‘Sööte’ war ein spezielles Kräutergebräu, dem man nachsagte, dass es nach Genuss auch gröberer Dosen am nächsten Morgen ohne Nachwirkungen bliebe. Als sich dann zwei Rettungsmänner von der Max Carstensen, dem damaligen DGzRS-Rettungsboot auf Wangerooge, zu uns setzten, kam ein Gefühl von Ernst, Erhabenheit und Respekt vor der See in uns auf.

      Doch langsam füllte sich das Lokal. Unser Wirt war mit einem Gast am anderen Ende der Theke ins Gespräch vertieft. Ich weiß, der Lauscher an der Tür...

      Trotzdem kam ich nicht umhin, ein paar Fetzen mitzubekommen. „..... du machst dein Angelzeug klar. Makrelen stehen gut. Wir treffen uns dann Punkt acht am Steg. Dann haben wir ablaufend Wasser. Weißt du, wo die Seenixe liegt?“ Ich schaute den Floh an. Der hatte auch lange Ohren.

      Flüsternd „Sollen wir...?“

      „Klar, frag doch ‘mal.“

      „Warum denn immer ich ? Du kannst genauso gut fragen.“

      „Red’ nicht lange, mach’ schon!“

      „Sagen Sie mal, Käpt’n, haben Sie noch Platz für zwei Bordgäste?“

      „Klar, morgen früh um acht, drüben im Yachthafen, am Steg, Spitzgatter, grüner Rumpf, weiße Aufbauten. Aber warten tu’ ich nicht!“

      Na Klasse, da hatten wir es!

      Die Seenixe war nicht schwer zu finden gewesen. Ein schwimmendes Etwas. Dort, wo der Name stand, musste der Bug sein. Ansonsten war der Kahn vorne wie hinten, eben ein klassischer Spitzgatter. Nichts ungewöhnliches, denn Rettungsboote baute man früher immer so. Und nichts anderes war die Seenixe: ein umgebautes, siebeneinhalb Meter langes, ausgedientes Rettungsboot! Halbdeck eingezogen, Kajüte daraufgesetzt und Mast aufgestellt. Die Segel müssen ja schließlich irgendwo festgemacht werden. Und falls der Wind einmal nicht so wollte wie der Skipper, hatte man auch einen Motor vorgesehen. Mercedes 190 D, Baujahr irgendwann-vor-langer Zeit.

      Andi und ich schauten uns an. Ein Seelenverkäufer ! Wir hatten auf einem Seelenverkäufer angeheuert!

      Den Käpt’n indes schienen Bedenken solcherart nicht anzufechten. Wir hörten ihn munter unter Deck herummurksen.

      Flüsternd: „Was meinst du, wenn d e r Vertrauen zu dem Kahn hat, dann können wir doch auch, oder?“

      „Und wenn wir jetzt noch einen Rückzieher machen, was denkt der denn dann von uns?“

      Laut : „Moin, Moin, Käpt’n!“

      „Moin, na, geht’s gut? Los, an Bord. Die Segel hab’ ich schon angeschlagen. Und da kommt ja auch endlich unser Angler. Vorwärts, mach ‘mal hin. Wir haben Tidegleichstand, die Schleuse ist offen, da müssen wir schnell noch durch. Leinen los und ab dafür !“

      Während seines Monologs hatte unser Skipper den Diesel zum Leben erweckt, was dieser auch ohne Murren über sich ergehen ließ, sodass wir nun auf die zur Durchfahrt freien Schleuse zunagelten.

      „Käpt’n, kriegen wir bei dem ablaufenden Wasser nicht Probleme mit den Sanden zwischen Wangerooge und Spiekeroog?“

      „Bei ablaufend Wasser sparen wir Zeit und Diesel, weil uns der Ebbstrom mitzieht und mit den Sänden, na, keine Sorge, da kenn ich mich aus.“

      Gut, dass ich damals noch nicht wusste, dass mir dieser letzte Nebensatz, ausgesprochen von unserem Skipper mit voller Überzeugungskraft, noch einmal lautstark in den Ohren klingen sollte.

      Wir motorten also durch den Fischereihafen und orientierten uns dann an der Prickenreihe, die das Harle-Fahrwasser einlaufend an Steuerbord begrenzt. See ruhig, Wind zwar gegen die Tide, aber höchstens mit Stärke zwei, registrierte ich im Stillen. Uns schien ein gemütlicher Törn bevorzustehen. Nur kalt war es an diesem Morgen. Ich beglückwünschte uns zu unserer Entscheidung, uns mit dicken Jeans, Troyern und Öljacken auszustatten.

      So saßen der Floh und ich also, warm verpackt, auf der Backbord-Bank, der Angler an Steuerbord und Käpt’n Hauk lehnte sich gemütlich über die Ruderpinne.