Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189543
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Anna De Luca.“

      Sie ist gut. Sie lässt die Augenbraue einfach fragend nach oben gezogen. Aber ihre Augen können nicht verleugnen, dass sie mich wiedererkannt hat. Ich habe mich ja auch nicht groß verändert. Sie allerdings schon.

      „Früher hieß ich McDonald“, füge ich noch an und da gibt sie ihre Tarnung auf.

      „Ach, richtig“, antwortet sie knapp, dann deutet sie mit einem Kopfnicken auf den Stuhl vor sich. „Ist hier noch frei?“

      Ich sehe mich kurz in dem gut gefüllten Pub um, als wolle ich einen besseren Tisch für sie erspähen, dann deute ich einladend auf den freien Platz.

      „Ich kann nicht glauben, was du aus den Zimmern bei meinem Dad gemacht hast“, platzt es aus mir raus, kaum dass sie sitzt.

      Ich kann auch kaum glauben, was du aus dir gemacht hast, will ich eigentlich sagen, aber das wäre dann doch zu unhöflich. In dem Moment bin ich ein bisschen froh, dass ich beim Friseur war und wenn es nur der etwas provinzielle Laden von Eve Smithers ist und das Platinblond leicht übertrieben aussieht.

      Kayleigh stellt ihren Cider auf dem Tisch ab und mustert mich eingehend, bevor sie antwortet. Ich kann ihre Abneigung gegen mich aus jeder Pore ihres Körpers strömen sehen.

      „Dein Dad war ein wenig verunsichert, was den Kindern gefallen könnte, deswegen bat er mich um Hilfe.“

      „Ich befürchtete schon, er hätte Tapeten mit Tartanmuster irgendwo aufgetrieben, Claymores an die Wand genagelt und Highlandrinder als Kuscheltiere auf das Bett gelegt.“

      „Das hätte er auch, denke ich“, sagt Kayleigh trocken. „Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten.“

      „Meine Dankbarkeit ist dir gewiss.“

      Ich habe den Anstand ein wenig peinlich berührt zu sein. Ausgerechnet Kayleigh hat meinem Dad geholfen.

      „Ich habe das gerne gemacht.“ Sie nimmt mich scharf ins Visier und ihr Blick sagt eindeutig dass sie es nicht mir zuliebe gemacht hat. Dann fügt sie hinzu: „Dein Vater ist so ein fantastischer Mensch.“

      Ist er das? Ja, klar ist er das, aber wieso kommt das von Kayleigh? Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Dad mit ihr oder ihrer Familie jemals großartig zu tun hatte.

      Kayleigh hat eine durchgeknallte Mutter, eine ehemalige Rockerbraut. Naja, vielleicht auch nicht ganz so ehemalig. Ich habe sie ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, aber Gigi MacDuff war immer der Typ Frau mit einer wilden, rotgefärbten Mähne, dick schwarz geschminkten Augen und tausend Kettchen, Armbändern und drei Ohrlöchern – niemand, mit dem Mum oder auch Dad viel zu tun hatten. Ihren Vater kenne ich nur von sporadischen Besuchen hier in Sheemore. Und aus dem Fernsehen und von diversen Musikzeitschriften. Er ist Frontman der Wild Bastards, einer schottischen Rockband, die ihre größten Erfolge in den 80ern und 90ern gefeiert hat.

      „Die Kinder lieben ihre Zimmer“, gehe ich über ihre letzte Bemerkung hinweg. „Emma wollte schon immer so einen Style in Rosa und Weiß haben und Nathan ist komplett vernarrt in sein Dschungelzimmer.“

      „Es freut mich, dass meine Ideen so gut ankommen.“

      Verlegenes Schweigen. Betretenes Nippen am jeweiligen Getränk. Fast bin ich erleichtert, als der Wirt mit einem Teller Sandwiches kommt, den er vor Kayleigh abstellt.

      „Danke, Pete.“

      Pete! Wusste ich’s doch! Naja, fast.

      „Ich nehme nochmal ein Glas von dem Chardonnay“, ordere ich schnell, ehe Pete uns wieder verlässt.

      Wieder ein bedeutungsvoller Blick von Kayleigh auf mein Weinglas.

      Lass‘ mich doch einfach in Ruhe meinen Wein trinken. Du hast doch keine Ahnung, wie beschissen mein Leben gerade ist, würde ich sie am liebsten anschreien. Stattdessen trinke ich mein Glas in einem Zug leer und starre trotzig zurück.

      Geschickt zwirbelt Kayleigh ihre ewig langen Haare zu einem Messy Bun, den sie mit einem Haargummi befestigt, den sie irgendwoher hervorgezaubert hat. Ihre Wangenknochen färben sich zartrosa, als ich sie dabei beobachte. Sie ist nicht schlanker als früher. Naja, gut, vielleicht ein bisschen. Aber irgendwie sitzen die Pfunde jetzt an der richtigen Stelle und sie sieht einfach fantastisch aus. Früher haben Jo und ich uns immer über ihr Übergewicht lustig gemacht.

      „Wusstest du eigentlich, dass mein Dad das Da Paola nicht verkauft hat?“, frage ich unverblümt.

      Ich meine, nicht, dass ich eine Antwort erwarte, aber schließlich hält sie meinen Vater auch für einen ‚fantastischen Menschen‘, also was weiß ich schon? Womöglich kennt sie ihn ja besser als ich. Ich bin schließlich nur seine Tochter – die seit anderthalb Jahren nicht mehr hier war. Ja, ich weiß… Aber hat er sich jetzt eine Ersatztochter gesucht? Oder, noch schlimmer, ist Kayleigh MacDuff womöglich seine Geliebte? Viele Männer ab einem gewissen Alter mögen jüngere Frauen. Aber mein Dad? Niemals! Er ist über Mums Tod noch nicht hinweg, wie ich gestern selbst sehen konnte.

      „Ich habe gesehen, dass es noch leer steht“, antwortet sie vage und stochert ein wenig verlegen in ihrem Schälchen Cole Slaw herum.

      „Hat er etwa keinen Interessenten gefunden? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Außer dem Fairytale gibt es hier in Sheemore doch nur ein paar Takeaways.“

      „Ein weiteres Restaurant würde der Stadt ganz gut tun“, gibt Kayleigh zu. „Das Da Paola war sehr beliebt und viele fanden es traurig, als es zumachte.“

      Sie stockt. Dann sieht sie mich so schuldbewusst an, als würde sie sich gerne die Zunge abbeißen.

      „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht an den Tod deiner Mutter erinnern.“

      Plötzlich scheint ihr Sandwich von größtem Interesse zu sein, so eingehend mustert sie es. Jede Scheibe wird gründlich untersucht, auseinandergezupft und einer Inspektion unterzogen, als müsse das Club Sandwich erst einen Tauglichkeitstest bestehen.

      Das zweite Glas Chardonnay landet wie von Zauberhand vor mir auf dem Tisch. Ein großes Glas ist wirklich groß, stelle ich fest. Danach habe ich vermutlich einen halben Liter Weißwein intus. Ziemlich viel für einen ganz gewöhnlichen Wochentag. Mittags. Aber das kommt mir gerade recht. Ich spüre die kühle Flüssigkeit angenehm meine Kehle hinabrinnen, als ich erneut einen Schluck nehme.

      „Eve Smithers wusste, dass Dad das Da Paola niemals verkaufen würde. Und du wusstest es anscheinend auch.“ Ich mustere Kayleigh scharf, doch die blickt nicht auf. „Die Einzige, die keine Ahnung hatte, war ich. Seine Tochter.“

      Verbittert leere ich das Glas in einem Zug. Die Schwere des Alkohols steigt mir zu Kopf. Ein wenig zu heftig knalle ich das Glas auf den Tisch, Kayleigh schrickt auf.

      Mir egal. Ich kann die Enge des Pubs plötzlich nicht mehr ertragen.

      „Schönen Tag noch“, sage ich eine Spur zu laut und als ich mich erhebe, dreht sich alles ein wenig. Ich stoße gegen den Tisch, als ich mich an Kayleigh vorbeizwängen will.

      „Es tut mir leid, Anna“, murmelt diese, doch ich frage nicht nach, was sie damit meint oder ob das nur so eine Floskel ist.

      Mir ist zwar ein wenig schwindelig, aber ich bin stolz auf mich, dass ich ziemlich gerade auf den Tresen zulaufe. Ich frage Pete nach der Rechnung, bezahle und stöckle dann auf meinen Highheels hinaus auf das Kopfsteinpflaster, wo ich erstmal schwankend stehenbleibe und zum Schutz gegen die Sonne nach Emmas Gucci-Brille suche, die sie gestern in meiner Handtasche verstaut hat. Die wird ihr bei ihrem Strandbesuch wohl fehlen. Und wen wird sie dafür verantwortlich machen? Mich. Und wer ist schuld, dass ich nichts davon weiß, dass Dad das Da Paola behalten hat und – noch schlimmer – dass es aussieht wie ein Museum für Mum? Natürlich auch ich. Wer auch sonst?

      Kapitel 3

      Ich