Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189543
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und Nathan auch.“

      Emmas Augen blitzen (ja, sie hat zum Glück die Gucci-Sonnenbrille beim Anblick ihres Großvaters abgenommen, der vermutlich nur irgendeine witzige Bemerkung darüber gemacht hätte, ob sie diese trägt, weil sein Anblick sie blendet). Es ist ein Blitzen zwischen Freude und Misstrauen.

      „Ein eigenes Zimmer? Warum?“

      „Das braucht eine junge Dame wie du doch“, erwidert Dad ungerührt und ich bin froh, dass er nichts davon erwähnt, dass ich ihm gesagt habe, dass ich vermutlich mit den Kindern bei ihm bleibe, bis ich etwas Eigenes gefunden habe. „Und ein kleiner Mann wie dieser hier natürlich auch.“

      Dad versteht seltsamerweise Emma und ihr schwieriges Verhältnis zu Schottland. Und das, obwohl er Schottland liebt und nicht einmal meiner Mutter zuliebe mit nach Italien in den Urlaub gefahren ist. Er ist gerne hier und er will auch nie weg. Selbst ein Trip nach England war für ihn schon immer wie eine Reise ins Ausland und er war lediglich in Italien zu meiner Hochzeit. Aber ich denke, genau deswegen kann er so gut verstehen, dass Emma an dem hängt, was sie als ihre Heimat ansieht.

      „Wir leben doch bereits an einem Ort, wo andere Urlaub machen“, hatte Dad stets gesagt, wenn ihn Mum zu Ferien in Italien überreden wollte. Wir flogen dann immer alleine zu meinen Großeltern und fuhren mit ihnen für eine Woche irgendwo an den Strand. Wie in dem Sommer vor vierzehn Jahren, in dem ich Matteo kennenlernte.

      „Welches Zimmer?“, dringt nun Emmas aufgeregte Stimme zu mir durch und mit halbem Ohr bekomme ich mit, dass Dad das Nähzimmer meiner Mutter ausgeräumt hat, um für Emma Platz zu schaffen.

      „Ich habe es auch tapeziert und mit einem neuen Boden ausgelegt.“ Stolz auf sich schwingt in seiner Stimme mit.

      Ich schrecke innerlich ein wenig zusammen. Zu sagen, mein Vater hätte einen grässlichen Geschmack, wäre vielleicht ein klitzekleines bisschen übertrieben. Aber er steht schon sehr auf Tartanmuster und Antiquitäten, goldverzierte Rahmen und dicke rote oder wahlweise grüne Teppiche mit schnörkeligem Muster. Ich bezweifle, dass Emma das gefallen könnte und wappne mich innerlich für eine Szene, als Emma mit Dad und Nathan im Schlepptau die Treppe hoch stürmt.

      „Wow, Grandpa! Das ist echt nice.“

      Verwirrt höre ich die Worte, kann sie aber nicht so recht glauben. Kann es sein, dass mein altmodischer Vater genau den Geschmack meiner hippen, markenverrückten Tochter getroffen hat? Das wäre zu seltsam, um wahr zu sein.

      „Mamma! Das musst du dir ansehen!“

      Ich gehe in den Hausgang, Emma hängt mit dem Kopf über dem Holzgeländer und schreit nach unten. Ihre schwarzen Locken umrahmen ihr hübsches Gesicht, blaue Augen strahlen zu mir hinunter. Obwohl ich lieber weiter von der Küche aus aufs Meer schauen würde, um meinen Gedanken nachzuhängen, mache ich mich auf den Weg nach oben in den ersten Stock, wo das erste Zimmer gleich Mums altes Nähzimmer war. Staunend betrachte ich, was mein Vater daraus gemacht hat.

      „Dad…“, stammele ich. „Das… das warst doch niemals du…“

      „Doch, natürlich. Hast du das deinem alten Vater nicht zugetraut?“ Dad sieht mich beleidigt an, dann lacht er jedoch mit seinem dröhnenden Bass. „Ich habe alles selbst gemacht. Die Idee dazu hatte allerdings Kayleigh. Du erinnerst dich an sie? Sie ist jetzt Innenarchitektin.“

      „Kayleigh MacDuff?“, frage ich ungläubig und schnaube verächtlich.

      Kayleigh ging mit mir in Kirkcaldy zur Schule, wir waren im selben Jahrgang und sie wohnte ebenfalls in Sheemore, weswegen wir immer den gleichen Bus nahmen. Mehr hatten wir aber nicht gemeinsam. Kayleigh MacDuff war diejenige, über die wir uns gerne lustig machten, denn sie war ein wenig zu dick, ein bisschen zu laut und ihre Mutter ziemlich schräg. Zudem war sie nicht besonders gut in der Schule. Zumindest war sie nicht so schlau wie ich, die Jahrgangsbeste.

      Aber was hat dir das gebracht?, fragt eine hämische Stimme in meinem Kopf. Kayleigh ist jetzt Innenarchitektin. Und was bist du?

      „Sie ist ein wirklich patentes Mädchen geworden. Wer hätte das gedacht?“

      Dad bringt es tatsächlich fertig, eine Frau in meinem Alter ein Mädchen zu nennen. Ich lächele ihn schief an und schiebe einen Anflug von Eifersucht beiseite. Ich könnte mich nicht erinnern, dass er mich jemals als ‚patent‘ bezeichnet hätte.

      Das Zimmer ist wunderschön mit dem plüschigen Teppich, den rosa-weiß gestreiften Tapeten und den dazu passenden weißen Möbeln, die nicht kitschig, sondern sehr stylish wirken. Und das trotz der vorherrschenden Farbe Bonbonrosa. Der Traum eines jungen Mädchens, genauso, wie Emma sich ihr Zimmer in Bologna gewünscht hat. Es ist ihr Wunsch zum vierzehnten Geburtstag im Februar, aber das ist ja nun hinfällig. Selbst die Accessoires hat Kayleigh sorgfältig und mit viel Geschmack ausgewählt und sie scheinen dem zu entsprechen, was sich Emma vorgestellt hat.

      Kayleigh MacDuff ist also Innenarchitektin.

      Tja, und was bin ich? Ich bin Hausfrau und Mutter und bald bin ich nicht mal mehr die Ehefrau von jemandem. Ich habe nie einen Beruf erlernt und ich habe noch keinen Tag in meinem Leben woanders gearbeitet, als in meinem eigenen Haushalt. Und plötzlich komme ich mir gegen Kayleigh MacDuff und selbst meine ehemals beste Freundin Josephine Graham verschwindend klein vor.

      „Was hast du jetzt vor?“

      Dad klopft neben sich auf das viktorianische Ledersofa, das die Farbe von gut gereiftem Whisky hat. Ich lasse mich bedächtig neben ihn sinken.

      Die Kinder sind im Bett und tatsächlich beide sofort eingeschlafen. Emma ist eigentlich eine Nachteule. Normalerweise bekomme ich sie zu Hause abends kaum ins Bett und morgens nicht wieder raus. Ihre Klassenlehrerin hat mir sogar schon einen Vortrag darüber gehalten, wie wichtig Schlaf für eine Heranwachsende ist. Ich wäre ihr gerne ins Gesicht gesprungen. Den Vortrag hätte sie lieber mal Matteo halten sollen, der abends gerne mit der ganzen Familie ausgeht. In irgendwelche Restaurants seiner tausend Freunde, mit denen er sich dann festquatscht, während die Kinder um die Tische jagen.

      „Ich weiß es nicht“, gebe ich zu. „Ich habe keinen Mann und keine Wohnung mehr, zwei Kinder, die keine Ahnung haben, dass wir quasi obdachlos sind und ich zermartere mir die ganze Zeit schon den Kopf, wer eine ungelernte Kraft wie mich einstellen soll. Und als was überhaupt?“

      „Na, na“, tadelt Dad und fährt sich über das stoppelige Kinn. „Obdachlos seid ihr schon mal nicht, denn immerhin könnt ihr so lange bei mir wohnen, wie ihr wollt. Oder meinst du, ich habe die Zimmer für die Kinder für einen kurzen Aufenthalt von zwei Wochen so aufwändig hergerichtet?“

      „Das hättest du nicht tun müssen.“

      „Habe ich aber.“

      „Du wusstest, dass ich nur vorübergehend bei dir bleibe.“

      „Und du sagtest gerade, dass niemand dir einen Job geben würde, weswegen du dir auch keine eigene Wohnung leisten kannst. Also habe ich vorgesorgt.“

      „Na toll, du glaubst ja wirklich an mich“, fahre ich Dad an.

      „Ich wiederhole nur deine eigenen Worte.“

      Für einen Moment starren wir uns an, zwei schottische Sturschädel, wie sie im Buche stehen, dann fangen wir gleichzeitig an zu prusten.

      „Wenn deine Mum uns jetzt sehen könnte, würde sie schimpfen, dass wir uns benehmen wie ihr Esel, den sie als Kind hatte. Wie hieß er noch gleich?“

      Dad denkt angestrengt nach, aber er kann sich italienische Namen sowieso nicht merken.

      „Cocciuto“, helfe ich ihm. „Dickkopf.“

      „Genau. Wusste ich’s doch!“

      „Ja, natürlich, Dad.“ Ich zwinkere ihm zu und schon wieder müssen wir losprusten.

      „Ich vermisse sie immer noch“, gesteht mein Vater und sein Blick wird ein bisschen trüb.

      „Lass uns auf Mum anstoßen“, versuche ich ihn aufzumuntern, dabei deute