Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189543
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dafür, dass es für mich wie ein Schock ist, das Restaurant so zu sehen.

      Genauso, wie es bei meiner Mum früher war. Stets ordentlich und sauber und mit einem einladenden italienischen Charme, der ein wenig altmodisch wirkt mit seinen Tropfkerzen und den rot-karierten Tischdecken. Meine Mum war eine Chaotin hoch zehn, aber ihr Restaurant hatte immer etwas von einem auf Hochglanz polierten Schmuckstück – wenngleich es in meinen Augen jetzt doch ein wenig in die Jahre gekommen ist.

      „Etwas die Straße hinunter, fast direkt am Hafen, kommt ein Pub, das immer sehr gutes Essen hat“, vertröste ich die italienische Familie. „Halten Sie nach dem Fairytale Ausschau.“

      Sie verabschieden sich mit einem höflichen ‚Danke‘, murren dann aber auf Italienisch, dass das schottische Essen ungenießbar sei. Ich grinse in mich hinein und verdrehe dabei innerlich die Augen. Typisch Italiener! Matteo ist genauso, er will immer nur italienisches Essen. Er ist der festen Überzeugung, dass alles andere sowieso nicht schmeckt, obwohl er es gar nicht erst versucht.

      Als mein Handy einen lauten Ton von sich gibt, zucke ich zusammen. Ich dachte, ich hätte es auf leise gestellt, aber nun gut. Ich fische es aus meiner Handtasche und starre das Display ungläubig an. Dabei war es doch nur eine Frage der Zeit, wann er sich melden würde. Ich weiß nicht, warum es mich trotzdem dermaßen schockt.

      Cara mia, bitte melde dich bei mir. M.

      Wenn man vom Teufel spricht… Meine Hände beginnen augenblicklich zu zittern, während ich das Handy ansehe und nicht wage, etwas zurückzuschreiben.

      Ich hatte Matteo gebeten, mich für eine Weile in Ruhe zu lassen, mir keine SMS, Whatsapp-Nachrichten oder sonst irgendwas zu schicken. Und dennoch wusste ich, dass er sich nicht daran halten würde. Aber ich werde ihm nicht zurückschreiben. Das ist das Einzige, was ich tun kann. Womöglich wird er mich mit Nachrichten überfluten – ziemlich wahrscheinlich sogar -, aber ich muss sie einfach nur ignorieren. Irgendwann wird er schon merken, dass ich Abstand brauche.

      Verdammt! Es ist gerade mal ein Tag seit meiner Abreise vergangen! Das versteht er unter ‚eine Weile in Ruhe lassen‘?

      Ich lasse das Handy zurück in meine Handtasche fallen, als wäre es eine heiße Kartoffel.

      Mein Kopf ist so voll, als wolle er jeden Moment platzen, die letzten Wochen stehen mir plötzlich wieder vor Augen, als müsste ich sie erneut durchleben. Natürlich ist mir bewusst, dass ich irgendwann mit Matteo reden muss, es gibt bezüglich unserer Trennung noch viel zu regeln. Aber gerade jetzt habe ich nicht die Kraft dafür.

      Mein erster Impuls ist, gegen die Tür des Da Paola zu drücken, um zu meiner Mum zu laufen, mich an sie zu schmeißen und den ihr eigenen beruhigenden Geruch nach mediterranen Kräutern und ihrer Seife ‚English Rose‘ von Yardley einzuatmen. Doch als ich ganz automatisch nach der Türklinke greife, wird mir gleichzeitig bewusst, dass da drinnen keine Mum wartet, die ihre Arme um mich legt und mich an ihren weichen Busen drückt, um mir zu sagen, dass alles gut wird.

      Die zitternde Hand immer noch am Türgriff, ergreift mich plötzlich eine lavaartige Wut, die glühend heiß in mir aufsteigt. Auf Matteo und seine Familie, die mit der ihr typischen Arroganz das Leben meiner Kinder zerstört haben. Auf Mum, weil sie einfach ohne jede Vorwarnung aus meinem Leben verschwunden ist und mir meinen sicheren Hafen genommen hat. Und auf Dad, weil er mich wegen dem Restaurant belogen hat – und das, obwohl ich Stein und Bein hätte schwören können, dass Malcolm McDonald der ehrlichste Mensch auf Erden ist. Wie konnte er es wagen, meine Blase dermaßen platzen zu lassen? Wie konnten sie es alle wagen?

      Mit rechtschaffenem Zorn erfüllt stapfe ich los und folge der italienischen Familie die Straße hinunter, wo sie ins Fairytale eingekehrt sein dürften. Ich habe keinen großen Appetit, aber ich spüre das deutliche Verlangen nach einem großen Glas Wein – oder zwei. Dass es erst halb eins ist, ignoriere ich einfach geflissentlich. Es gibt Situationen, die nach Wein schreien – so lange es kein Barolo ist, das ist nämlich Matteos Lieblingswein. Allerdings laufe ich sicher nicht Gefahr, in einem verschlafenen Städtchen wie Sheemore im einzigen Pub weit und breit einen Barolo zu entdecken. Über einen billigen Chianti hingegen würde ich mich nicht wundern.

      Die italienische Familie winkt mir fröhlich zu, als sie mich entdeckt. Ich erhebe ein wenig schlaff die Hand, drehe ihnen dann aber den Rücken zu und stelle mich an den Tresen.

      „Was kann ich bringen?“

      Der Wirt, ein älterer Herr mit schlohweißem Haar und einem Gesicht, das an einen freundlich lächelnden Kobold erinnert, sieht mich an, als würde er überlegen, woher er mich kennt.

      „Ein Glas Chardonnay“, antworte ich, weil ich schon aus Trotz lieber Weißwein trinke, laut Matteo ein absolutes Unding.

      „Klein, mittel, groß?“

      „Groß, definitiv.“

      Mir ist entfallen, wieviel Milliliter ein großes Glas Wein in britischen Pubs hat, aber das ist gerade auch völlig unerheblich.

      „Bitte.“ Der Wirt schiebt mir das Glas mit der hellgoldenen Flüssigkeit zu, die besser aussieht als erwartet.

      Wieder sieht er mir prüfend ins Gesicht. Ich versuche mich an seinen Namen zu erinnern. Pat? Pete? Aber mir will im Moment einfach nichts einfallen. Mein Kopf ist voll und ich sehe immer wieder das verlassene Restaurant vor Augen.

      Ich zahle gleich am Tresen und verziehe mich in die hinterste Ecke des Pubs, weit entfernt von der italienischen Familie, die mich sonst womöglich noch in ein Gespräch verwickelt. Von meinem Sitzplatz aus habe ich einen guten Blick zum Fenster hinaus, obwohl die Butzen ein wenig trüb und staubig sind.

      Durch die enge Gasse kann man ein Stück vom Hafen sehen und ich nehme einen tiefen Schluck und beobachte ein kleines Schiff, das einfach so vor sich hin dümpelt. Wie mein bisheriges Leben. Es dümpelte dahin und ich überließ das Steuer bereitwillig meinem Ehemann. Ein fataler Fehler, wie ich jetzt weiß. Aber mir ist auch noch nicht so recht klar, wie ich das Steuer selbst in Griff kriegen soll.

      „Ich war doch noch nie Steuermann“, grummele ich vor mich hin, weil ich mich in meiner Ecke alleine wähne.

      „Bitte?“

      Erschrocken zucke ich zusammen und blicke auf.

      Ich erkenne die Frau nicht sofort, die vor mir steht, mit einem Pint bewaffnet – ich vermute Cider und nicht Ale, da es so hell und prickelnd aussieht. Ich habe seit Ewigkeiten keinen Cider mehr getrunken. Früher haben Jo und ich das prickelnde, leicht alkoholisierte Getränk geliebt, jetzt muss es schon mindestens Wein sein, um meine Stimmung zu heben.

      Aber es ist nicht Jo, die da vor mir steht und verwundert auf mich hinunterblickt, als wäre ich ein Alien. Diese Frau ist groß, hat wallendes schwarzes Haar bis zum Hintern, ein hübsches herzförmiges Gesicht mit hohen Wangenknochen und eine verdammt ausladende Oberweite. Sie trägt eng anliegende schwarze Jeans, die ihre Kurven nicht verhüllen können, eine weiße Bluse und – trotz der sommerlichen Temperaturen – eine schwarze Bikerjacke. Ihre Haut hat diese vornehme britische Blässe, ganz im Gegensatz zu meinem olivfarbenen Teint – und ich bemerke viel zu spät, dass ich sie verwundert anstarre und der Mund offensteht, als wolle ich damit Fliegen fangen.

      „Kayleigh MacDuff?“, frage ich schließlich vorsichtig.

      „Ähm…ja?“

      Sie mustert mich, ihr Blick bleibt an dem halbleeren Weinglas hängen. Ich sehe ihr an, dass sie genau weiß, wer ich bin. Aber kann ich Kayleigh wirklich verdenken, dass sie das gerne verdrängen würde? Ich war nicht nett zu ihr während unserer Schulzeit. Und das trifft es nicht mal annähernd.

      „Kennen wir uns?“, fragt sie schließlich mit erhobener Augenbraue.

      Ich wüsste wirklich zu gerne, wie man nur eine Augenbraue hebt, denke ich.

      Ich weiß, das ist total unerheblich, aber es hat mich schon immer fasziniert, wenn jemand das konnte. So wie diese Hexe in ‚Sabrina – total verhext‘. Josephine und ich haben diese Serie rauf und runter geschaut. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass