Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189543
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Schluck in den Tee.

      „Wenn’s schon keinen guten Tee von Martha McKenna gibt, dann wenigstens Hochprozentiges“, murmele ich vor mich hin.

      Statt einer Antwort, wackelt Dad lustig mit den buschigen Augenbrauen und bringt mich damit zum Lachen.

      „Irgendwas müssen wir uns ja gönnen, an solch einem trübsinnigen Tag.“

      Tatsächlich war der Tag recht durchwachsen. Der Friseurbesuch? Super. Der Anblick des Da Paola? Absoluter Schock. Der Besuch am Feenhügel? Motivierend. Das Gespräch mit Dad? Verwirrend. Kann es irgendwie noch verrückter werden? Ich wäre offen für alles.

      Wir verfallen in Schweigen, ziehen irgendwann gleichzeitig unsere Teebeutel aus dem Becher und legen sie auf die kleine Ablage, die Dad aus dem Schrank geholt hat. Dad ist kein Mann der großen Worte, man kann mit ihm jedoch prima schweigen, ohne sich unbehaglich zu fühlen. Mum war diejenige, die ständig geplaudert hat, sie konnte alle mit ihren lustigen Geschichten unterhalten und hatte für jeden ein offenes Ohr. Ich wünschte, ich hätte mehr von ihr. Dann wäre ich in Italien vielleicht nicht immer die Außenseiterin geblieben, die, mit der sowohl die Nachbarn, als auch Matteos Freunde nie so richtig warm wurden.

      „Weißt du, Anna, du musst mir nicht sagen, was genau mit Matteo schiefgelaufen ist“, meint Dad schließlich. „Aber ich glaube, dass du mit den Kindern darüber reden musst. Ich bin kein Experte für Kindererziehung, beileibe nicht, aber Emma redet unentwegt darüber, dass sie sich darauf freut, nach den Ferien ihre Freundinnen in Bologna wiederzusehen – und ihren Vater.“

      „Sie ist gerade mal einen Tag da und kennt kein anderes Thema?“

      „Deine Tochter spürt mehr, als du denkst. Sie hat genau mitgekriegt, dass hier etwas im Gange ist, das du ihr zu verheimlichen suchst.“

      Ich seufze und schnuppere an dem Tee. Mehr Alkohol als nötig, aber das stört mich überhaupt nicht. Er ist genau so warm, dass man ihn gut trinken kann und ich spüre, wie er mit dem Whisky gemeinsam meinen Bauch von innen wärmt. Im Tee ist Whisky sogar recht gut zu haben, vor allem mit zwei Stückchen Zucker. Das könnte man glatt als Wohlfühltee bei Touristen anpreisen. die mögen ohnehin alles, was mit Whisky zu tun hat.

      „Es ist nicht so einfach mit Emma zu sprechen“, gebe ich schließlich zu. „Sie hängt so sehr an Italien und natürlich auch an ihrem Vater.“

      Wie auf ein Stichwort klingelt das Telefon im Hausgang. Ich wechsele mit Dad einen Blick, nicke ihm zu und lasse ihn rangehen. Damit wäre das unangenehme Gespräch mit ihm erstmal aufgeschoben. Erleichtert atme ich durch.

      Meine Erleichterung währt allerdings nur kurz. Dad steht wenige Sekunden später in der Küchentür und hält mir das Telefon hin.

      „Es ist Matteo.“

      „Matteo?“ Vor Schreck stehe ich zu schnell vom Tisch auf, hebe die Tischplatte an und werfe dabei unsere Teebecher um.

      Dad sieht mich mitleidig an wie einen tollpatschigen Hundewelpen und drückt mir das Telefon in die Hand, dann macht er sich daran, den Tee aufzuwischen.

      „Ja?“, sage ich recht widerwillig in den Hörer.

      „Anna, cara mia…“

      „Sprich Englisch mit mir, wenn du schon mit mir reden willst“, blaffe ich Matteo an.

      Ich weiß, dass er perfekt Englisch sprechen kann. Das hat mich anfangs an ihm auch so fasziniert. Er hat einen Kurs für Business-Englisch besucht, da die Firma seiner Familie ins Ausland expandieren wollte. Aber er redet nur widerwillig Englisch, daher macht es mir im Moment eine diebische Freude, ihn dazu zu zwingen.

      „Anna, du weißt, mein Englisch ist nicht gut…“, versucht es Matteo und ich kann mir richtig vorstellen, wie er dabei schaut. Wie ein zu groß geratener Teddybär.

      Nein, nein, nein! Ich darf mir diese schokobraunen Augen nicht vorstellen. Auch nicht seine Grübchen. Und schon gar nicht das verwegene Lächeln, mit dem er mich schon vor vierzehn Jahren rumgekriegt hat.

      „Hör auf, mir so einen Unsinn zu erzählen“, würge ich ihn ab. „Was ist eigentlich los mit dir? Ich hatte dir doch gesagt, dass du mich erstmal in Ruhe lassen sollst.“

      „Das habe ich.“

      „Ich bin gestern hier in Schottland angekommen.“

      „Und ich habe mich erst heute gemeldet.“

      Tolle Logik! Naja, das ist eben typisch Matteo, es sollte mich nach so langer Zeit nicht mehr überraschen. Genervt verdrehe ich die Augen und Dad sieht besorgt zu mir rüber.

      „Anna, ich verstehe, dass du Abstand brauchst.“

      Oho, das sind ja ganz neue Töne. Vor drei Tagen noch wollte er mich am liebsten am Stuhl festbinden, damit ich ihn nicht verlasse. Und eben meinte er doch noch, er hätte mich lange genug in Ruhe gelassen.

      „Ich brauche nicht nur Abstand, ich komme auch nicht wieder. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du das verstanden hast.“

      „Das habe ich. Und ich gebe dir Zeit, um dich eines Besseren zu besinnen.“

      „Und genau diese Aussage zeigt mir, dass du es eben nicht verstanden hast, Matteo“, blaffe ich jetzt ins Telefon.

      Es tut mir leid, aber dieser Mann bringt mich einfach auf die Palme. Er ignoriert völlig, was ich sage oder will, und zieht ungerührt seinen Stiefel durch.

      „Aber sicher habe ich dich verstanden. Du bist wütend, weil wir die Wohnung verkaufen müssen. Das verstehe ich und ich bin nicht besonders stolz darauf, dass ich mit dem Geld ein wenig unvorsichtig war. Aber ich sagte dir ja, dass wir bei meinen Eltern einziehen können, sie haben immer noch ihre Villa in Rimini, wo wir alle gemeinsam leben können. Sie ist groß genug, cara mia.“

      „Es ist aus“, knurre ich gefährlich leise ins Telefon. Genauso wie bei Nathan und Emma sollte mein Noch-Ehemann wissen, was das bedeutet. „Du solltest dich daran gewöhnen, Matteo. Wegen der Kinder finden wir eine Lösung, aber dich und mich, das gibt es nicht mehr. Und zu deinen Eltern würde ich nicht einmal ziehen, wenn es der letzte Ort auf Erden wäre, wo ich hin könnte. Eher friert die Hölle zu!“

      Damit lege ich energisch auf und schleudere das Telefon förmlich auf die Anrichte in der Küche. Dad sieht mir schweigend dabei zu. Er nimmt seelenruhig das Telefon an sich, kontrolliert es auf etwaige Schäden und räumt es dann auf seine Basisstation. Dad weiß gerne, wo seine Sachen sind. Immer an derselben Stelle. Unordnung ist ihm ein Graus. Mir im Übrigen auch. Ich habe wirklich mehr von ihm als von Mum, die im größten Chaos stets den Überblick behielt.

      Ich merke erst, dass meine Beine schlottern, als sie unter mir nachgeben und mich Dad sanft zu einem Stuhl führt.

      „Ich werde dir Matteo nicht mehr geben, falls er nochmal anruft“, meint er entschlossen.

      Er ist so lieb, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Warum macht er mir keinen Vorwurf, dass ich so selten hier war, selbst als Mum noch lebte, besonders als sie krank wurde? Er hätte Grund dazu. Und jetzt versucht er mich vor Kummer zu bewahren, indem er mir meinen Noch-Ehemann vom Hals hält.

      „Matteo ist nicht böse, Dad. Er versteht nur manches nicht oder will es einfach nicht wahrhaben.“

      „Aber er regt dich auf und das ist sicher nicht gut für dich.“

      Meine Hände zittern, als ich die Hand nach meinem Becher ausstrecke, der leider nach meiner Aktion von vorhin leer ist.

      „Kann ich nochmal so einen Wohlfühltee haben?“, schniefe ich.

      „Wohlfühltee?“

      „Whisky mit einem Schuss Earl Grey.“

      Ich lächele Dad zu und er lächelt zurück, dann nimmt er meinen Becher und macht sich schweigend ans Werk. Vergessen wir fürs Erste das Da Paola, meine gescheiterte Ehe und meinen Vorsatz ‚patent‘ zu sein – was auch immer das bedeuten mag in Dads Augen. Manchmal braucht man einfach nur jemanden,