Ein ganz böser Fehler?. Mike Scholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Scholz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131466
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droht sie wütend.

      Ich tippe an meine Wange.

      Verwundert schaut sie mich an.

      "Na gut, auf deine Verantwortung", schränkt sie dann ein. "Aber wenn es nicht geht, kriegst du ihn so­fort wieder dran." Ich grinse.

      Warum soll es nicht gehen? Es hat, und dann wer­den wir weitersehen.

      *

      Essen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mit der lin­ken Hand zu löffeln. Denn auch davon bleibt die rechte unbeeindruckt.

      Ich weiß immer noch nicht, was ich hier eigentlich soll. Man scheint hier gar nicht daran zu denken, mich mal zu informieren. Könnte ich reden, würde ich einen Aufstand machen, dass der Sturm auf die Bastille als friedliche Demonstration erscheint. Aber das kann ich nicht! Träume ich vielleicht doch noch? Nee, dazu ist alles hier zu echt. Kann es der Wirklich­keit aber trotzdem nicht zuordnen! Alles konfus hier, unerklärbar, surreal! Ich hänge zwischen den Stüh­len! Eine Scheißstellung ist das. Muss sogar daran zweifeln, ob ich es wirklich selber bin.

      Das Essen schmeckt aber sehr gut; ich muss da­nach feststellen, dass der eine Teller für mich nicht reicht. Also wird noch einer verlangt.

      Die Schwester schaut mich zweifelnd an, dann holt sie mir Nachschlag. Allerdings ist der so gering, dass der ebenfalls nicht ausreicht, nicht ausreichen kann. Ich verlange noch einen.

      "Was, du willst noch einen?? Wo isst du denn das hin?"

      Ich zeige feixend auf meinen Bauch. Ich bin ein schlanker Typ – schnuppere schon am Zustand des Dürrseins –, weshalb es ihr wohl auch etwas unklar ist, wie ich das verzehren konnte und immer noch nicht genug habe.

      Sie betrachtet mich ungläubig, holt mir aber noch einen weiteren, der diesmal dick belegt ist.

      Nachdem ich den auch verspeist habe, lächle ich befriedigt. Sie jedoch kann es nicht fassen. Schaut vom Teller auf mich und wieder zurück; dann zieht sie kopfschüttelnd ab. Aber wenn es so gut schmeckt, dann ist es doch wohl normal, dass man ein bisschen mehr isst. Und genau dies habe ich heute getan.

      *

      Am Abend erzählt man mir, dass meine Mutter ges­tern dagewesen wäre. Aber ich hätte geschlafen.

      Die wollen mich wohl auf den Arm nehmen, ich war doch gestern wach!

      Kurz darauf höre ich im Radio die Datumsangabe: "Es ist Sonntag, der 2. September."

      Sonntag heute? Gestern war doch Freitag, also was soll das? Oder ist dem nicht so? Das gibt es doch aber gar nicht! Eigentlich müsste heute Sonn­abend der 1.9. sein. Was ist hier los? Wollen die mich etwa verscheißern? Es macht denen hier wohl Spaß zu sehen, wie ich meiner Freiheiten beraubt bin! Ja, jetzt habe ich es: Man hat hier bestimmt das Radio manipuliert, es irgendwo angekoppelt, um mich im Ungewissen zu lassen. Ich soll nicht hinter die Büh­nenvorhänge gucken können. Eindeutig. Ich könnte dabei ja etwas für die nicht so Angenehmes entde­cken. Ja, die wollen mich verscheißern, ist sonnen­klar!

      2

      Am nächsten Tag glaube ich, der Zeitpunkt ist ge­kommen, von hier zu verschwinden. – Ja, danke, es war wunderschön hier. Doch es ist nichts nach mei­nem Geschmack; darum winke–winke. – Ich fühle mich munter und frisch genug, misslingen also ausge­schlossen.

      Aufrichten. Muss dabei bemerken, mein Kopf zit­tert wie im Sturm befindliches Espenlaub. Doch im Moment kann ich dagegen nichts tun, also ab in den Hinterkopf damit.

      Der Fußboden vor mir scheint eben, begehbar zu sein.

      Auf einmal registriere ich, wie irgendein Blick auf mir ruht. Ich hebe den Kopf, lasse meinen eigenen umherkreisen – dann: Ein älterer Patient beobachtet mich argwöhnisch. – Spinnt der? Was hat denn der zu gucken? Der ist wohl neidisch? Na, was soll's; mich juckt es ja eh nicht. Weiter geht es.

      Die Beine stoßen die Bettdecke weg und stellen sich auf. Rechts ist das noch etwas komisch, aber egal jetzt. Eeh, wenn ich hier erst einmal raus bin, nicht mehr unter dem hiesigen Einfluss stehe, dann wird sich das schon geben.

      In dem Moment – es klingelt. Verdutzt schaue ich mich um – der Alte hat geklingelt. Mistbock. Schleu­nigst wieder ins Bett.

      Eine Schwester kommt hereingerannt. "Wer hat geklingelt?", will sie wissen.

      Der ältere Patient meldet sich: "Ich war's. Der Jun­ge da drüben war aufgestanden."

      "Ist irgendwas nicht in Ordnung?", wendet sie sich an mich.

      Ich gucke ganz unschuldig und zucke mit den Schultern.

      "Okay, aber mache das nie wieder!"

      Kaum ist sie weg, schnellt mein Körper wieder in die Höhe.

      Es klingelt.

      Ich lasse mich wieder zurückfallen und werde so wütend, dass ich ihm den Hals umdrehen könnte, wäre er in meiner Reichweite: Scheinbar will der sich als Amme aufführen. Hat der nicht mehr alle? Doch was bleibt mir anderes übrig? Ich muss nach wie vor gute Miene zum bösen Spiel machen, die Schwester ganz unschuldig anlächeln. Wird nur mit jedem Mal schwerer.

      Die gleiche Schwester wie vorhin. Der Hilfsauf­passer reckt nur seinen Finger in meine Richtung, worauf sie sofort zu mir weiterläuft.

      "Also wenn ich wegen dir noch einmal gerufen werde, passiert was!", schreit sie mich an. "Dann schnalle ich dich wieder fest!"

      Darauf zu nicken, fällt mir schwer, doch ich tue es. Muss es tun, denn sonst passiert das sofort; man kann erkennen, dass sie dazu bereit ist.

      Nach ihrem Weggang beobachte ich erst einmal meinen Aufpasser, um erfassen zu können, wann sich mir eine reelle Chance zum Aufstehen und Abhauen bietet.

      Nach einer langen Weile – einer unendlich langen Weile; kostbare Zeit geht mir dadurch verloren – hat er vom mich Anstarren genug und wendet sich ab.

      Jetzt!

      Wie auf einem schlappen Trampolin liegend kata­pultiere ich mich aus dem Bett. Ein Schritt, der zweite – plötzlich knicke ich mit dem rechten Bein um und lande unter dem Bett.

      Es klingelt. Ich mache mir nicht erst die Mühe des Aufstehens.

      Die Schwester kommt wieder hereingerannt und stürmt sofort auf mein Bett zu. Und ich kann mir vor­stellen, dass ihr Gesicht jetzt zorngerötet ist, die Blut­adern pulsierend hervortreten wie bei einem, der so­eben gehenkt wird.

      Nach einem längeren Augenblick erscheint ihr Ge­sicht in meiner Höhe. "Was soll das? Du willst dich wohl völlig umbringen?" Ihr Gesicht ist tatsächlich hochrot.

      Ich fange an zu grinsen. – Soll ja helfend sein, habe ich gehört. – Was sie dazu animiert, es mir gleichzutun. – Sieht so richtig niedlich aus. Das an­dere stand ihr nicht.

      "Und, wie kommst du jetzt wieder hoch?"

      Eh, mache dir darum mal keine Sorgen.

      Ich bedeute ihr mit einer einladenden Geste, sich neben mich zu legen; worauf sie mir aber ein Stirn­runzeln herüberschickt.

      Kann sie das Zeichen nicht richtig interpretieren oder ist es ihr unterm Bett zu unromantisch?

      Da sie die Frage nicht hört, kann sie auch nicht antworten. Bedauernd zucke ich deswegen mit den Schultern; schnappe mir danach mit links eine Bett­stütze und ziehe mich hoch, wobei sie mir hilft.

      Oben lasse ich mich erleichtert ins Bett fallen. Muss dabei erstaunt feststellen, dass das unnormal an­strengt, Höchstleistungen von mir abfordert. Was aber nicht heißt, dass ich es nie wieder machen werde. Ob­wohl sie mir eine "letzte Warnung" gegeben hat und ich angeschnallt sein als beschämend empfinde.

      Es klingelt.

      Diesmal schimmert kein Lächeln auf den rosigen Wangen der Schwester, ihr Gesicht ist eine starre Maske, durchpulst von übermächtigem