Ein ganz böser Fehler?. Mike Scholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Scholz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131466
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als wenn die Erkenntnis darauf gewartet hätte, bis ich mich mit diesem Thema befas­se, um dann zu erscheinen, flüstert sie mir zu, dass ich mich im Bett der Wohnung befinde, in der ich neunzehn Jahre lang lebte. Doch warum? Vor einem Vierteljahr zog ich um. Und wer und warum hat man mich angeschnallt? Ich hasse es, in der Freiheit be­schnitten zu werden!

      Ich versuche wieder, die Gurte zu zerreißen. Ver­suche es mit aller Kraft, die mir zur Verfügung steht. Versuche es erneut und noch einmal.

      Trotz der Vereinigung des Körpers mit mir – nichts. Ich resigniere. Das Leuchten vor meinen Au­gen wird auch wieder schwächer. Doch diesmal kann ich es nicht festhalten, bin ja der Beweglichkeit mei­ner Hände beraubt.

      Die Dunkelheit nimmt mich wieder in Besitz, bet­tet mich ein in die Wogen ihrer Unendlichkeit.

      *

      Wieder das Leuchten. Erst ein Glimmen, dann die Leuchtkraft von vorhin, dann – es strahlt richtig. Sagt mir, dass ich in der Wirklichkeit sein muss. Ich fühle mich auch als Bestandteil dieses Körpers, der auf die­sem Bett liegt.

      Sind meine Hände immer noch angeschnallt? Ich hebe die linke Hand: okay; die rechte: Nanu? Was ist das? Sie lässt sich nicht bewegen! Ist sie noch ange­schnallt? Nein. Und doch ... Was ist hier los? Und was ist das für ein Zimmer? Kann mich nicht erin­nern, es irgendwann mal gesehen zu haben. Und was ist das für ein Bett, in dem ich hier liege? Kann mich auch nicht erinnern, jemals reingestiegen zu sein! Wo bin ich? Was wird hier gespielt??

      Zwei junge Frauen treten in den Raum. Beide se­hen sehr gut aus, doch – ich kenne sie nicht! Will sie auch deswegen fragen, was hier eigentlich los ist.

      "Wo bin ich hier?"

      "Können Sie uns hören?", werde ich statt einer Antwort gefragt. Und mir wird auf einmal klar: Ich habe nicht ein einziges Wort ausgesprochen. Nicht ei­nes.

      Ich schaue die beiden Frauen an, verdutzt und un­gläubig. Kann es nicht fassen, dass ich nicht sprechen kann. Und das gerade ich, wo ich doch so eine abso­lute Quasselstrippe bin.

      Die eine Schwester beugt sich besorgt über mich.

      Das kann sie ruhig öfters machen. Denn was da in ihrem Ausschnitt leuchtet, sieht nicht schlecht aus. Außerdem duftet sie verführerisch.

      "Ich kann das nicht verstehen", teilt sie der ande­ren mit. "Sein Puls ist in Ordnung, atmen tut er auch, rollt mit den Augen. Wahrscheinlich ist sein Gehör auch verletzt."

      "Nein, das ist okay!", will ich schreien, aber auch jetzt entringt sich meinen Lippen kein einziger Laut.

      Nur in meinem Kopf entstehen die Worte.

      Wütend will ich mit dem rechten Arm auf das Bett schlagen. Werde jedoch sehr schnell und schmerzlos daran erinnert, dass der Befehlsverweigerung betreibt.

      "Hörst du uns?", werde ich noch einmal von der über mir gebeugten Frau gefragt.

      "Ja!" – Scheiße, geht nicht! – Ich nicke.

      "Wie geht es dir?"

      Wie soll es mir gehen? Beschissen! Vor allem, weil ich nicht weiß, was hier abläuft! – Ich zucke mit den Schultern.

      "Schlaf ruhig weiter, du bist jetzt über den Berg." Sie lassen mich wieder allein.

      Berg? Was für ein Berg? Bin ich Bergsteigen ge­wesen? Mache ich doch normalerweise gar nicht. Aber was ist hier normal? Ich kann nicht sprechen, den rechten Arm nicht bewegen – das muss ein Traum sein, ein schrecklicher Alptraum. Und die bei­den jungen Damen sind Glücksfeen. Was haben sie gesagt? Schlafen? Aber ich schlafe doch schon. Aber vielleicht meinen sie richtig schlafen. Mmh, okay. Jetzt richtig schlafen und dann richtig erwachen. Und diesen Alptraum vergessen.

      Ich lasse mich in die Dunkelheit zurückfallen.

      *

      Eine Stimme schlägt in mein Bewusstsein: "Heute ist Freitag, der neunzehnte August."

      Mit einem Schlag bin ich hellwach. Überlege, was ich gestern gemacht habe. Überlege und überlege, zermartere meinen Erinnerungsspeicher. Doch der hüllt sich in Schweigen. Deswegen beschließe ich weiterzuschlafen. Ich träume noch!

      *

      Wieder Stimmen. Eine davon kommt mir bekannt vor.

      "Ist es besser geworden mit ihm?"

      "Er ist heute Vormittag erwacht." Das ist die Stim­me der vorhin über mich Gebeugten.

      "Und jetzt? Ist er jetzt auch wach?"

      Woher kenne ich diese Stimme bloß? Es will mir nicht einfallen!

      Die mir Bekannte kommt herein. "Mike, bist du wach?", fragt sie mich.

      Ich nicke. Richte dann wieder erwartungsvoll mei­nen Blick in Richtung Eingang. Will endlich wissen, wem diese Stimme gehört.

      Sie holt eine Frau herein. Und auch so, wie die Frau aussieht, ist sie mir bekannt. Also: "Wer ist das?".

      Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Au­gen: Na klar, meine Mutter! Die sich jetzt mit mit­leidsvollem Blick und fast schüchtern zu mir wendet.

      "Hallo Mike. Erkennst du mich?", fragt sie mich leise, als wenn die Stasi mithören würde, und jeden Buchstaben betonend.

      Ich nicke. Und fühle mich plötzlich geborgen und mit Wärme umhüllt, obwohl sie mich nicht anfasst. Nur – ich finde es schön, ein mir bekanntes Gesicht zu sehen.

      "Ich darf dir noch nichts mitbringen, aber das wird sich bald ändern. Morgen komme ich wieder. Tschüss."

      Ich greife mit der linken Hand nach ihrer – fürch­terlich langsam bewegt sich diese –, bekomme sie zu greifen; dann fange ich an, sie zu streicheln. Ein Schleier legt sich vor meine Augen.

      Nach einer Weile geht sie mit dem Versprechen wiederzukommen. Ich aber fühle mich durch diese Begegnung zu ihr so hingezogen, von ihrer Wärme so überwältigt, dass alle Fragen nach dem wie, warum und was überschattet werden und diese Gedanken an meine Mutter die Herrschaft in mir übernehmen. Ich schlafe wieder ein.

      *

      Die Augen geöffnet schaue ich mich sofort um. Und erblicke etwas Neues.

      Es war also doch nur ein Traum!

      Ich juble innerlich.

      Dann – Rückfall ins andere Extrem. Ein schmerz­volles Stöhnen will sich mir entringen, doch findet es keinen Ausgang, lässt dafür alles in mir verkrampfen: Wie oft träume ich diesen Scheiß noch? Hört das denn niemals auf? Werde ich denn niemals wach? – Ich liege in einem anderen Zimmer, einem Mehrbett­zimmer, wo weitere sechs Menschen liegen. Und an meinem linken Arm hängt ein Schlauch.

      Was soll denn das Ganze? ist das eine Klapper und ich soll stillgelegt werden?

      Ich betrachte mir den Schlauch genauer. Stelle fest, dass er nirgendwo angeschlossen ist, einfach nur am Arm baumelt.

       Hä? Hää? Was soll denn der dort?

      Ich will ihn abreißen, denn er stört mich. Doch mit der linken Hand bekomme ich ihn nicht zu fassen. Die rechte – ich habe den linken Arm hinübergelegt – kann nicht zugreifen. Was nun?

      Mir fallen die Zähne ein. Darum führe ich den Arm zum Mund und zerre den Schlauch heraus. Was zwar ein bisschen schmerzt, trotz dessen fühle ich mich jetzt viel freier.

      Von irgendeinem Mitbewohner des Zimmers wird geklingelt, worauf eine – Ich wette hundert zu eins, dass ich mich in einem Krankenhaus befinde. Bloß – warum bin ich hier? – Krankenschwester erscheint: "Den Schlauch brauchst du aber noch."

      Ich versuche zu antworten, will andeuten, dass dies Blödsinn ist – ich schüttle den Kopf.

      Nichtsdestotrotz versucht sie aber, mir den Schlauch wieder anzulegen, hat allerdings nicht mit meiner Gegenwehr gerechnet. Sie kommt nicht an meine linke Hand