Ein ganz böser Fehler?. Mike Scholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Scholz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131466
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dann würde ich schon lange wütend auf dem Boden liegen.

      "Na, es reicht wohl erst einmal", sagt eine der Schwestern. "Du kannst jetzt sowieso eine Pause ma­chen, es gibt nämlich gleich Mittag."

      "Bist du zufrieden, Mike?", will die andere wissen.

      "Für erst äh ja. Da aber ni heess, dass grad die letzt äh Tour war. Wann kommtirn heut wiede?"

      "Das musst du unserer Ablösung sagen. Wir ma­chen nach dem Mittagessen Schluss."

      "Daserd ich. Ihr könnt euch äh drauf verlass."

      Sie lachen wissend und lassen mich zurück ins Bett plumpsen.

      *

      Unfern vom Abendbrot wird mit mir endlich die nächste Laufübung gemacht. Und bei der erreichen wir gerade den Tisch, als meine Mutter erscheint.

      "Bringen Sie ihn bitte zurück ins Bett", weist sie die Schwestern an.

      Fassungslos, mich endlos aufregend, erschreckt starre ich sie an: Die spinnt wohl! Ich bin froh, dass ich aus dem Bett raus bin!

      Strohdo...

      Strohdoof? Strohdoppelgeil? Oder was war das? War es vielleicht wieder die besondere Kammer, die brauchbare Informationen über meine Mutter ent­hält?

      "Waruniin Stuhl?", grollt es konfrontationsbereit in meiner Stimme.

      "Im Bett geht es leichter, auch für dich."

      Ich bin entsetzt, entsetzt über so viel Dummheit. Doch jetzt stehen mir die Schwestern bei: "Er kann in den Stuhl, er ist schon fast den ganzen Tag dort. Und gestern war er auch."

      Meine Mutter wird rot. – Nichts mit bestimmen über mich! – "Na gut, ich wusste das nicht", lenkt sie zerknirscht ein.

      Ich aber muss erkennen, dass in Bezug auf sie wie­der eine Erinnerung gekommen ist: Erst fiel mir ein, dass sie meine Mutter ist, dann, dass ich von ihr als Kind wie das letzte Stück Dreck behandelt wurde, und heute, dass sie einen Dachschaden hat. Langsam öff­net die Kammer "Persönlichkeit meiner Mutter" ihre Pforten.

      Nach ein paar Grußübermittlungen und dem Hin­weis, dass sie morgen nicht kommt, verschwindet sie wieder. – Habe ich vielleicht an ihrer Ehre gekratzt?

      7

      Donnerstag, 13. September. Vormittag.

      Ich sitze schon eine Zeit lang im Stuhl und warte darauf, dass mit mir wieder eine Gehschule gemacht wird. Doch die Schwestern haben mich darauf hinge­wiesen, dass ich mich gedulden müsse, da ich nicht der einzige Patient wäre. Was ich auch verstehe. Doch Geduld – was ist das??

      Aber siehe da – nur wenig Zeit ist vergangen, da kommen zwei Schwestern herein und wenden sich mir zu: "Möchtest du ans Fenster?"

      Ich brauche nicht lange zu überlegen: "Nisch äh dageg." Eine willkommene Abwechslung.

      "Aer", erinnere ich sie noch, "nisch die Gehschule vergess."

      "Die lässt du uns ja gar nicht vergessen. Also, auf zum Fenster.

      Unterwegs schüttle ich meine Latschen ab, denn bei jedem halben Schritt fallen sie mir von den Füßen, sind dadurch äußerst hinderlich, blockieren mir lau­fend den Weg.

      "Hast du keine anderen, Mike?", werde ich gefragt.

      "Hier ni. Zu Hause äääh normweis ja. Ich frag ma mein Mutter."

      "Mach das. Du brauchst dringend Schuhe. Die Lat­schen hier sind für dich nicht geeignet."

      Und nachdem sie mir diese geholt haben, lassen sie mich am Fenster sitzen.

      *

      Draußen ist es sonnig. – Das wäre die richtige Zeit, um etwas zu unternehmen. Was habe ich an solchen Tagen immer gemacht? – Ach, darüber sich jetzt ei­nen Kopf zu machen, ist eh affig, denn man kommt ja hier doch nicht raus, zumindest nicht ohne Schwierigk­eiten. Was ist das eigentlich für eine Ge­gend hier? Ich glaube, die habe ich schonmal gese­hen, aber wo? Im Krankenhaus kann es nicht gewe­sen sein; denn als ich mal Steffen besuchte, da sah es an­ders aus. Also wo bin ich? Laut Pia im Kranken­haus. Laut meiner Mutter nirgendwo. Laut den Frau­en (Schwestern?) im Krankenhaus. Und ich selber glau­be auch fast daran. Nur – wie komme ich hier­her? Warum bin ich im Krankenhaus? Was ist ge­schehen? Was Pia mir erzählt hat, das ergibt keinen Sinn (Wirklich nicht?), wirft nur mehr Fragen auf, als es Antworten gibt. Doch ich kann machen, was ich will, meinen Erinnerungsspeicher durchforsten, so lange es mir Spaß macht; ohne die Andern habe ich keine Chance, bleibe der Trottel, der sich an reich­lich einen Monat nicht erinnern kann!

      Plötzlich fällt mir auf, dass mein Blick verschwomm­en ist. Gaukele mir aber die Ausrede vor, dass es sicher an meiner lückenhaften Erinnerung liegt. – Warum? – Doch selbst mir kommt dieser Grund schleierhaft vor. – Okay, meine Mutter hat es bisher nicht für nötig gehalten, mir mal meine Brille vorbeizu­bringen. – Blödsinn, ich brauche doch meine Brille nicht ständig. Aber warum ist dann alles so un­deutlich hier? Vielleicht liegt es an der Atmosphäre hier drin?

      Was sehe ich denn da – Trabis? Ich denke, die sind aus dem Verkehr gezogen? Na ja, irren ist menschlich, sprach der Igel und stieg von der Klo­bürste.

      Ich sehe auch ein paar Leute herumlaufen, einer raucht dabei. – Ich rauche doch auch! Oder habe ich mal geraucht? Egal. Fakt ist, ich hätte jetzt übelst Lust drauf. Doch da ich keine Zigaretten habe, hat sich das Thema von ganz allein erledigt.

      Nachdem ich einer – zu ihrem Leidwesen? – er­scheinenden Schwester wieder mit der Gehschule auf den Geist gegangen bin, überlege ich, was ich jetzt tue. – Eeh das da kann mich absolut nicht zu wilden Ovationsgelagen hinreißen. Aber irgendwas muss ich gegen diese Scheiß Langeweile unternehmen. Darum: Wieder Gymnastik? Nee, dazu müsste ich ja ins Bett zurück, und dazu habe ich keine Lust. Was dann??

      Als ich mitbekomme, dass mein Kopf unerwartet auf die Brust gesackt ist, schraube ich ihn zwar sofort wieder hoch, muss mir aber die Frage gefallen lassen, was er da unten zu suchen hat. – Ich bin doch gar nicht eingepennt!

      Plötzlich fühle ich mich müde, unendlich müde, schlapp, saft– und kraftlos. Dazu fällt mein Kopf im­mer wieder herunter.

      Erneut werde ich vom Gefühl der Wut gepackt, ei­ner ohnmächtigen Wut, die mich hier fast ständig an­greift, animiert wird von immerfort neuen Sachen, die merkwürdigerweise nicht mehr in Ordnung sind: lau­fen, sprechen, richtig essen, trinken ohne Schnabel­tasse, urinieren, rasieren ...

      Deshalb lasse ich mich von einer Schwester zurück ins Bett bringen. Auch wenn ich weiß, dass ich dort nicht schlafen werde können. Denn im Bett bin ich dann wieder munter, als wenn man mir einen Eimer mit kaltem Wasser übergekippt hätte.

      8

      Freitag, 14. September. Vormittag.

      Diesmal wurde ich von einer Schwester, nachdem ich erst am Fenster sitzen durfte, zum Tisch gebracht, habe Zettel und Stift vor mir liegen, übe das Schrei­ben meines Namens. Und das mit rechts; denn ich habe keine Lust, mich umzugewöhnen. Zwar muss die rechte erst wieder lernen, den Stift zu halten, doch die linke müsste erst lernen, lesbar zu schreiben, wo­mit zwischen den Schwierigkeiten ein Patt herrschen dürfte. Und außerdem will ich beide Seiten gebrau­chen können.

      Bei den ersten Versuchen kann ich den Stift aber wieder nicht festhalten. Worauf irgendetwas in mir ausrastet und ich der rechten eine klatsche.

      Kurz summt es ganz leicht in ihr, mehr aber kei­neswegs. Darum versuche ich mit links den Stift fest­zuhalten und mit rechts zu führen, will dabei langsam das Festhalten verringern, bis ich es ganz lasse.

      Als es soweit ist, darf ich beobachten, wie mir der Stift erneut aus den Fingern rutscht.

      Ich werde zur Abwechslung mal knurrig auf das Pa­pier: Scheiß-holprig ist das, bringt den