Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine. Benedict Dana. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Benedict Dana
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753190730
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wusste, die der leicht untersetzte und sich manchmal absichtlich auf täuschende Art unscheinbar gebende Detektiv aus Rutherford bereits durchlebt hatte.

      „Probleme mit mangelnder Hygiene haben wir an sich nicht. Gestatten Sie mir bitte eine Frage, von deren Beantwortung meine Entscheidung abhängt, ob ich mich an Bord dieses Schiffes begeben werde oder nicht: Waren Sie es, der die Miss Mary Blue vorhin so waghalsig in den Hafen manövrierte? Ich hatte Angst, sie könnte an der Hafenmole glatt zerschellen!“

      Joshua konnte hierauf nicht anders, als abermals ein dröhnendes Seemannslachen anzustimmen, was offenbar eine typische Eigenart von ihm war.

      „Wenn Ihnen so etwas auffällt, haben Sie für einen Laien immerhin ein gutes Auge. Obwohl ich offiziell der Kapitän bin, war die Chefin dafür verantwortlich. Sie ist eine leidenschaftliche Seglerin, die gerne an die Grenzen geht. Vielleicht liegt es daran, dass es reizt aufzufallen, wenn man unter Beobachtung steht. Aqua City ist in ganz England sehr gut bekannt, weshalb wir fast schon eine Art Prominentenstatus genießen.

      Sehen Sie die beiden Leute mit den Kameras da oben an der Uferpromenade? Es wäre sehr gut möglich, dass es keine Touristen, sondern irgendwelche Zeitungsreporter sind, die sich für alles, was mit Aqua City zusammenhängt, sehr interessieren. Wir haben die Jacht schon öfters in Zeitschriften oder im TV gesehen. Uns stört es nicht, denn wenn sich die Storys über uns gut verkaufen, ist das natürlich eine willkommene Gratiswerbung für uns.“

      Der Kapitän nahm Mary galant die Einkaufstüten und die Reisetasche ab und forderte die beiden „Landratten“ auf, sich an Bord zu begeben. Als Mo von der schmalen Gangway über die Bordwand auf die nassen Holzplanken der Miss Mary Blue sprang, meinte er für einen Moment zu spüren, dass darin etwas Bedeutendes und Unumkehrbares lag. Die vielen Salzspuren an den angefressenen hölzernen Decksaufbauten zeugten von einer langen Geschichte der alten Jacht, die schon auf unzähligen Hochseefahrten von der Gischt überspült worden sein musste. Sie bekamen kaum Gelegenheit, sich auf Deck näher umzusehen, da Joshua sie wegen des Winds und Regens sofort über eine steile Stiege in den Schiffsbauch drängte. Dabei begegneten sie niemandem, da die ganze Mannschaft auf Landgang war.

      Auf dem halbdunklen Unterdeckgang schlug ihnen ein etwas muffiger und modriger Geruch entgegen und durch zwei offen stehende Türen konnten sie schmale Pritschen in engen, unaufgeräumten Kabinen sehen, deren salzverkrustete Bullaugen keinen klaren Blick nach draußen zuließen. Als McNamara im Heck die Tür der Hauptkajüte öffnete, war es, als gelangten sie mit dem Überschreiten der hoch liegenden Schwelle in ein anderes Reich. Die etwas heruntergekommene Miss Mary Blue schien sich mit einem Mal von einem abgearbeiteten „Nutzesel“ in eine Vergnügungsjacht zu verwandeln, deren Interieur mit seinen glänzenden Mahagonioberflächen und polierten Messingeinfassungen ganz im Stil einer niveauvollen Offizierskajüte gehalten war.

      Die Frau, die in einem roten, wasserdichten Segeloverall an einem zierlichen, mit der Wandverkleidung verschraubten Schreibtischchen saß, war im Schein einer kleinen Messinglampe über ein Buch mit blanken Seiten gebeugt, die sie mit einem goldenen Füllfederhalter konzentriert beschrieb. Die vielen Bücher, die über ihr in einem sturmsicheren Regal fast die Hälfte der Backbordwand bedeckten, rundeten das Bild passend und verliehen dem Ambiente eine besondere Energie. Als sie zu ihnen aufschaute, verbreitete sie eine so aufgeräumte und bedächtige Stimmung, als läge die Aufsehen erregende Einfahrt in den Hafen schon lang zurück und als hätte sie bereits seit Stunden vor ihrem Buch gesessen. Sie schlug ihre langen, brünetten Haare schwungvoll über die Schultern zurück, wobei ihr eine mit einer Kordel verbundene Lesebrille von der Nase fiel und den Blick auf ein ausdrucksvolles, schmales Gesicht mit hoher Stirn und einigen Altersfalten freigab. Erst durch die Falten verstand Mo, wer „Su“ war, weshalb er erstaunt stammelte:

      „Wenn mich nicht alles täuscht, müssen Sie Susan Donovan sein, nicht wahr? Ich hatte nicht erwartet, Sie hier anzutreffen.“

      „Ah, unser Meisterdetektiv Morton Morris ist endlich eingetroffen. Sie sind fürwahr ein schlaues Köpfchen und haben’s schnell begriffen!“, neckte sie ihn grinsend mit einer nicht ernst gemeinten Überheblichkeit, während sich Joshua unauffällig aus der Kajüte zurückzog. Sie musste etwa zehn Jahre jünger als ihr Mann Ronan sein, doch durch ihre schlanke, sportliche Figur und ihre gesunde Gesichtsfarbe wirkte es, als müssten es über zwanzig sein. Sie wies Mo und Mary den Platz auf einer schmalen Sitzbank vor einem kleinen Klapptisch zu und meinte dann:

      „Falls Sie erwartet haben, dass wir Sie mit einer schnittigen Motorjacht oder einem Helikopter abholen würden, sind Sie jetzt sicher enttäuscht. Für uns ist das Segeln eine bevorzugte Fortbewegungsart, weil es keine Emissionen erzeugt. All diejenigen, die für den Umwelt- und Klimaschutz kämpfen, werden ja besonders kritisch daraufhin geprüft, ob sie sich auch selber politisch korrekt verhalten und kein Gramm CO2 zuviel in die Atmosphäre jagen. Eine solche Haltung scheint allerdings zu tolerieren, dass jeder, der auf die Umwelt pfeift, sie auch nach Herzenslust verpesten darf.“

      „Dann werde ich Ihnen gern einen kleinen Gefallen tun und niemandem etwas über die schwarzen Abgaswolken sagen, die vorhin Ihr Manöver im Hafen verursacht hat“, stichelte Mo trocken und brachte sie damit zum Lachen. Dabei war ihr anzumerken, wie sehr ihr die Tollkühnheit ihres Segelmanövers bewusst war.

      „Tja, ein Jeder hat irgendwo ein paar kleine Fleckchen auf der weißen Weste, nicht wahr? Kommen wir mal zu Ihren Sünden. Da sollte es also eine promovierte Ermittlerin namens Dr. Mary Kelly in Ihrem Detektivbüro geben“, meinte sie mit einer eigentümlichen Mischung aus Gutmütigkeit und Schärfe, wobei sie Mary eindringlich ansah. Die sah in einem betretenen Schweigen die beste Reaktion und sandte Mo Hilfe suchende Blicke zu. „Mein Mann und meine Tochter haben es einfach geglaubt und nicht weiter nachgeforscht, weil sie zu viele andere Dinge um die Ohren haben. Dabei hat es mich nur ein paar Minuten Internetrecherche gekostet, um in der Sache klar zu sehen. Die Psychologie der Täter- und Opferbeziehung – über besondere Fälle einer extremen Bindung – hieß nicht so das Seminar, das Sie zuletzt an der kleinen Universität von Rutherford gehalten haben, liebe Dr. Kelly?

      Ich durchschaue Ihre Beweggründe, Dr. Morris. Sie haben nicht einen einzigen Mitarbeiter in Ihrer Detektei. Es war übrigens meine Idee, Sie zu engagieren. Ich hatte nämlich darüber gelesen, dass aus Ihrem letzten Fall eine Zusammenarbeit mit der UN resultiert ist, bei der es darum geht, eine Sklavenhalteroase in Südlibyen in ein Flüchtlingsauffanglager umzuwandeln. Das ist eine wirklich großartige Sache, finde ich. Der Idealismus, der dahinter steht, ist verwandt mit unserem. Aus diesem Grund werde ich Ihnen Ihre kleine Flunkerei auch nachsehen. Außerdem habe ich so meine Ahnungen, was Ihre Beziehung zu Dr. Kelly angeht. Man muss Sie beide ja nur mal ansehen. Glauben Sie, nur Sie wären ein guter Psychologe und verfügten über eine überdurchschnittliche Intuition?

      Wenn ich nicht glauben würde, dass Ihre Zusammenarbeit Sinn machen könnte, hätte ich es sicher nicht bis zur Ihrer gemeinsamen Ankunft hier auf der Miss Mary Blue kommen lassen. Da Dr. Kelly als Psychologin immerhin auch mit einem Bein in der Kriminologie tätig zu sein scheint, wird sie hier nicht ganz fehl am Platz sein.“

      „Sie ist nicht nur nicht ganz fehl am Platz, sondern wird mir eine sehr große Hilfe sein!“, verteidigte Mo selbstbewusst Marys Ehre, obwohl sie durch das Auffliegen ihrer kleinen Lüge in eine schwache Position geraten waren. „Ich nehme an, Sie sind nicht nur mit nach Ramsgate gekommen, weil Sie Spaß am Segeln haben, sondern auch, um uns in Empfang zu nehmen und zu instruieren, Mrs. Donovan, nicht wahr?“

      „Natürlich. Gewöhnen Sie sich bitte sofort an, mich Susan oder Su zu nennen, wie es die Meisten tun. Unser Kapitän Josh hat Ihnen hoffentlich bereits erklärt, dass Sie unter dem Siegel der Verschwiegenheit arbeiten werden und Ihre Namen nicht verwenden können. Wie Sie sicher bereits vermutet haben, ist dies angebracht, weil Mitarbeiter von uns in die Sabotageakte involviert sein könnten. Hoffentlich wird Sie niemand erkennen, Dr. Morris. Ihr Gesicht war ja vor zwei Jahren des Öfteren in den Medien zu sehen, als Sie mit der Aufklärung der großen Internetmanipulationen in den USA befasst waren.

      Mein Mann, meine Tochter und ich haben entschieden, Sie beide als Reporter auf Aqua City einzuführen. Reporter und Detektive haben viel gemeinsam. Sie schnüffeln überall herum und stellen viele Fragen. Es ist also die