Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine. Benedict Dana. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Benedict Dana
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753190730
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von Aqua City muss einen unglaublichen Aufwand bedeutet haben. Wäre es nicht effizienter gewesen, ein Forschungszentrum an Land zu einem Bruchteil der Kosten zu bauen?“

      „Das müssten Sie sich eigentlich selber beantworten können, mein Kind!“, reagierte Susan mit einem stolzen Lachen darauf. „In der kapitalistischen Weltordnung ergibt sich Effizienz nicht allein aus einem guten Produkt zu geringen Kosten, sondern zu einem großen Teil auch aus guter Werbung und Image. Fast alles, was Sie hier sehen, hat sich längst dadurch amortisiert, dass uns die Bekanntheit von Aqua City wichtige Geldgeber eingebracht hat. Das gesamte Projekt ist von Anfang an auf Besonderheit angelegt. Sie müssten durch Ihre Recherchen wissen, was uns vor vier Jahren auf einen Schlag weltberühmt machte: Es war die spektakuläre Atlantiküberquerung, die Aqua City nach seiner Fertigstellung von der Küste Virginias an die französische Atlantikküste führte.“

      „Gab es bestimmte Gründe außer Werbung, warum Sie nicht in den USA blieben?“, fragte Mary freundlich weiter, obwohl der Ausdruck „mein Kind“ in ihren Ohren etwas großspurig und herablassend klang.

      „Oh ja, die gab es allerdings! Das Verlassen der Heimat war als eine Form von Protest darüber zu verstehen, dass die amerikanische Regierung immer wieder die Ratifizierung wichtiger Klimaziele verweigerte. Diesen Protest hatten wir damals intensiv über die Medien kommuniziert. Obwohl die Überquerung des Atlantiks mit Hilfe von Schleppschiffen eine hübsche Stange Geld kostete und leider nicht klimaneutral verlaufen konnte, entschieden wir uns bewusst, die Zukunft unserer Forschung im europäischen Raum zu suchen. Hier ist man im Allgemeinen für Klimaschutz und –politik offener.“

      Susan lehnte sich an die Reling und inhalierte genießerisch die salzige Seeluft ein. Nach einer Weile setzte sie hinzu:

      „Zu dem Standort auf See ist ansonsten noch zu sagen, dass er nicht nur sehr gesund und inspirierend ist, sondern natürlich auch eine große Freiheit in sich birgt. Bringt zum Beispiel ein Land nicht genügend Interesse für unsere Forschungen auf, steht es uns jederzeit frei, unsere Anker wieder zu lichten und uns einen neuen Standort zu suchen. Die Grundidee von Aqua City war die Schaffung eines Konglomerats von mobilen, schwimmenden Forschungsmodulen, die jederzeit in einen anderen Weltteil verlegt werden können. Die Insel ist nicht nur hochseefest, sondern auch autark, weil wir durch die Solarmodule und Windgeneratoren eine eigene Stromversorgung haben.“

      Kurz nach dem Ende von Susans Erläuterungen legte die Jacht an einer großen, frei schwimmenden Holzplattform an, die durch eine Edelstahltreppe mit dem Eingang von „Alpha 1“ verbunden war. Sie wurde rechts und links von zwei langen Masten flankiert, an denen je eine Fahne mit dem bekannten Motiv von Aqua City wehte. Es zeigte ein geometrisches Gebilde in Form einer sternenförmigen Blüte, dessen Grundform exakt der Satellitenansicht der Gesamtinsel entsprach und in das in der Mitte der Name „Aqua City“ in Form eines bunten Logos eingearbeitet war.

      Susan, Mo und Mary verließen vor der Crew und dem Kapitän das Schiff und stiegen die von Algen benetzte Edelstahltreppe zu den schmalen, verglasten Eingangstüren von Alpha 1 hinauf. Sie lagen mehrere Meter hoch sicher über der Wasserlinie und waren in wasserdichte Rahmen eingebaut, deren Form an die Schotten eines Dampfers erinnerte. Nach der Eingabe eines Codes schob sich eine von ihnen automatisch zur Seite und ließ sie direkt auf einen breiten Hauptgang gelangen, der sich über den gesamten Durchmesser der Hauptinsel von einem Ende zum anderen zog.

      „Seefahrttechnisch betrachtet definiert sich Aqua City als eine Hybridform aus einem Schiff und einer Schwimminsel“, erläuterte Susan derweil. „Es ist eine Schwimminsel, weil es eine ausgedehnte Fläche hat und über keinen eigenen Antrieb verfügt, und ein Schiff, weil die Rümpfe unter der Wasserlinie stromlinienförmig sind und jeweils mit einem synchron geschalteten Ruder ausgestattet sind. Das erleichtert die Manövrierfähigkeit bei einer Verlegung unserer Position ungemein.“

      Im Kontrast zu der aufwändigen Fassade wirkte der Gang durch seinen rutschfest gummierten, schwarzen Boden und seine weißen, kunststoffverkleideten Wände simpel und schmucklos und schien überall gegen potentiell einströmendes Wasser gewappnet worden zu sein. Längliche Sichtfenster gaben den Blick in klinisch rein wirkende Forschungslabore frei, die großräumig ineinander verschachtelt waren und mit langen Arbeitstischen sowie einer verwirrenden Vielzahl von Apparaten ausgestattet waren. Während sie vor einer der Scheiben stehen blieben und einige vor Computerbildschirmen sitzende Frauen und Männer bei ihrer Arbeit beobachteten, erklärte Susan weiter:

      „Das hier ist sozusagen das Gehirn und die Schaltzentrale von Aqua City. Hier findet in 16 kleinen Abteilungen eine zentrale Auswertung aller Daten statt, die auf den einzelnen Forschungsinseln auflaufen. Am Ende des Gangs befindet sich ein größerer Technikbereich, der mit der Stromsversorgung und den Computeranlagen zusammenhängt. Im ersten Geschoss gibt es neben ein paar weiteren Technikräumen diverse Büros, in denen unter anderem auch zwei Mitarbeiter des Internetblogs arbeiten, den meine Tochter Una von New York aus leitet. Im obersten Geschoß befinden sich dann noch die Unterkünfte und eine Kantine für alle Mitarbeiter. Zurzeit arbeiten bei uns 33 Wissenschaftler sowie 30 weitere Leute - die englischen Ökologie-Studenten einmal nicht mitgezählt.

      So, und bevor Sie später mehr erfahren, wird Sie jetzt sicherlich erst einmal Ihre Unterkunft interessieren. Wir haben uns da etwas ganz Besonderes ausgedacht!“

      Als sie ihre Gäste bei dieser Ankündigung plötzlich nach links in einen schmalen Gang führte und eine unscheinbare Eisenluke öffnete, spuckte sie Alpha 1 nach wenigen Minuten bereits wieder aus. Ihnen pfiff eine steife Seebrise um die Ohren und sie betraten einen der Stege aus Eisenrosten, die zu den kleineren Inseln hinüberführten. Dabei verursachte der Wind in den Stahllamellen der Außenverkleidung von Alpha 1 eine so interessante Melodie aus ungewöhnlichen Pfeif- und Zischlauten, als ob es Absicht der Konstrukteure gewesen wäre.

      Die erneute Eingabe eines Codes öffnete die automatische Schiebetür des Moduls Beta 8, wonach sich sofort ein modriger Algen- und Meerwassergeruch um sie verbreitete. Der Geruch verriet aus sich selbst, dass hier der Forschungsbereich untergebracht sein musste, der sich mit der Aufzucht von Meeresalgen durch CO2 beschäftigte.

      „Wir können da nicht ohne Sauerstoffmaske rein, weil die CO2-Konzentration sehr hoch ist. Deshalb gehen wir hier außen entlang“, verriet die „Chefin“ – wie Joshua sie ironisch genannt hatte - als sie in einen verglasten, am rechten Rand der Insel entlang führenden Durchgang abbog. Der gesamte Boden von Beta 8 bestand aus einem einzigen Algenbecken mit Ausnahme einer glänzenden Edelstahlapparatur in der Mitte, die mit dem großen, an der Spitze der Kuppel eintretenden Luftschlot verbunden war. Als sie das andere Ende des unbemannten, lediglich von Kameras überwachten Moduls erreichten, hatten sie die Wahl zwischen zwei Ausgängen, da die Plattformen des außen liegenden Gamma-Rings durch je zwei Stege mit zwei Plattformen des innen liegenden Beta-Rings verbunden waren. Die daraus resultierenden Dreiecksformen ergaben in der Vogelperspektive einen sternenförmigen Umriss, der nicht nur an eine Blüte, sondern durch die Stegverbindungen auch an eine Molekularstruktur erinnerte. Susan wählte den weiter links liegenden Ausgang und meinte beim Verlassen des Moduls mit einem etwas anzüglichen Grinsen zu Mo:

      „Ich hoffe, Sie werden die Situation nicht ausnutzen, Larry. Wenn wir Sie beide ganz allein hier draußen unterbringen, dann nicht, weil wir sie etwa verkuppeln wollten. Auf Alpha 1 ist zurzeit kein Quartier mehr frei, weshalb Sie mit einer kleinen Wohneinheit auf Gamma 7 Vorlieb nehmen müssen.“

      Da die Abstände zu den rechten und linken Nachbarinseln im äußeren Ring naturgemäß größer wurden, schien ihre Einquartierung auf Gamma 7 einer Verbannung an einen der einsamsten und am weitesten draußen liegenden Orte von Aqua City gleichzukommen. Der diagonal verlaufende Steg war länger als die Stege, die zwischen Alpha 1 und den Beta-Inseln lagen, und wurde an einigen Stellen von der spritzenden Gischt der heftig bewegten See überspült. Die Ächz- und Knarrgeräusche der unter Wasser liegenden Stahlverbindungen der Inseln klangen so bedrohlich bis zu ihnen hinauf, als drohten sie jederzeit auseinander zu brechen.

      Als sie es in einem günstigen Augenblick schafften, samt ihres Gepäcks trockenen Fußes hinüberzugelangen, wurden sie beim Betreten des Moduls von einer gespenstischen Stille umfangen. An dem Rumpf und der dicken Außenhülle von Gamma 7 war nur noch ein leichtes Klatschen