Das Hortensien-Grab. Irene Dorfner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Серия: Leo Schwartz
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753190648
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die heute wieder fantastisch aussah. An diesem trüben, grauen Tag war sie durch ihr hellgelbes Kostüm und den hochhackigen Schuhen eine Augenweide.

      „Du bist hier doch nicht bei der Modenschau“, maßregelte sie Annette, die sich über die Outfits ihrer Kollegin tagtäglich wunderte, auch wenn sie sie sehr mochte. Wie viel Zeit es kostete, immer so auszusehen wie Diana, wollte sie sich nicht vorstellen. Annette war noch nicht lange bei der Kriminalpolizei in Mühldorf. Eigentlich war sie nur ein Ersatz für Hans Hiebler gewesen, aber der war längst wieder zurück. Allerdings war die Leiterin der Mordkommission Tatjana Struck gegangen, weil ihre Mutter erkrankte und ihr Vater sie bat, die Geschäfte zu übernehmen, da er sich um die Mutter kümmern wollte. Also blieb Annette, bis die Personalfrage der Mühldorfer Mordkommission endlich geklärt wurde.

      Diana überhörte die spitze Bemerkung, denn wie sie sich kleidete, war einzig und allein ihr Problem und ging niemanden etwas an – auch die Kollegin nicht. Sie liebte es, sich herauszuputzen, und gab sich viel Mühe, um vor allem sich selbst zu gefallen. Was war daran falsch? Dass Annette heute ein zerknittertes T-Shirt mit einem fetten Kaffeefleck trug, war ihr ja schließlich auch egal.

      Leo und Hans übergaben die Befragungen an die Kolleginnen, die vielleicht mehr herausbekamen. Sie gingen wieder zu Fuchs, der jetzt hoffentlich endlich etwas für sie hatte, mit dem sie etwas anfangen konnten.

      „Und? Wie sieht es aus, Kollege Fuchs? Wie lang liegt unsere Leiche hier begraben? Wer gewinnt den Jackpot? Hans oder ich?“ Leo lachte. Das Gespräch mit Frau Thomas hatte ihn gefreut und seine Laune hatte sich schlagartig verbessert.

      Fuchs verdrehte nur die Augen und stieg die Leiter nach oben.

      „Sie liegen beide falsch. Meiner Meinung nach liegt die Leiche erst seit wenigen Jahren hier. Ich vermute zwei bis maximal drei Jahre.“

      „Aha. Und wie kommen Sie darauf?“

      „Weil der Mann das hier am Handgelenk trug.“ Fuchs hielt den Kollegen einen Beutel vor die Nasen.

      „Was soll das sein?“, fragte Leo und sah Hans an, der ebenfalls die Schultern zuckte. „Ein blaues Armband?“

      „Ein Fitnessarmband, das 2018/2019 hergestellt wurde. Ich hatte dasselbe Modell. Es wurde noch im Jahr 2019 wegen gravierender Fehler vom Markt genommen.“

      „Das sagt doch noch nichts! Vielleicht hat das des Mannes funktioniert“, motzte Leo.

      „Dieses High-Tech-Fitnessarmband wurde vom Hersteller zurückgenommen und durch ein überarbeitetes Modell kostenlos ersetzt. Glauben Sie mir, dass dieses Angebot alle User angenommen haben, schließlich kostete dieses Armband damals ein Vermögen.“

      „Wieviel?“

      „Sechshundert Euro.“

      „Für ein Sportarmband? Das ist ja Wahnsinn! Wer kann sich denn so ein Späßle leisten?“

      Fuchs sagte nichts dazu. Für ihn waren solche Ausgaben sinnvoll und er musste sich vor niemandem rechtfertigen – schon gar nicht vor Kollegen, die von Sport nichts hielten.

      „Hatte der Tote Papiere bei sich?“

      „Nein, wir haben nichts gefunden.“

      „Auch kein Handy oder Schmuck?“

      „Wenn ich sage, dass wir nichts gefunden haben, dann meine ich das auch so. Ich bringe die Leiche zur Pathologie, dann sehen wir weiter.“

      „Sobald Sie etwas für uns haben, melden Sie sich, okay?“

      Fuchs nickte auch jetzt. Der Kollege Schwartz leitete momentan die Mordkommission und war noch nerviger als sonst. Es war an der Zeit, dass sich der Chef bezüglich der Nachfolge von Frau Struck entschied. In seinen Augen kam nur der Kollege Hiebler dafür infrage, aber seine Meinung war nicht gefragt.

      Während Fuchs und seine Mitarbeiter die Leiche bargen, stand Diana Nußbaumer vor Karl Braun. Der war nicht an ihrer Schönheit interessiert und wollte eigentlich nur weg, aber dafür war es zu spät. Viele Nachbarn hatten ihn erkannt und würden verraten, dass er hier gewesen war. Daher entschied er, die Fragen der blonden Frau zu beantworten, um sich nicht verdächtig zu machen. Allerdings vermied er, den Personalausweis zu zeigen, schließlich war der nicht echt. Er gab vor, ihn vergessen zu haben.

      „Sie wohnen wo?“

      „Das dort ist mein Haus.“

      „Dann darf ich Sie bitten, den Ausweis zu holen, ja?“ Diana lächelte den Mann an und ging dann zur nächsten Person.

      Karl Braun nickte eifrig und ging nach Hause. Dort nahm er seine Sporttasche und packte alles ein, was nötig war. Er musste weg von hier. Niemals hätte er gedacht, dass man die Leiche Brauns finden würde. Noch rechnete man damit, dass er irgendwann irgendwo wieder auftauchen könnte. Hektisch warf er die Wertgegenstände aus dem Tresor in die Tasche. Sein ganzer Fokus stand auf Flucht – aber wo sollte er hin? Er atmete tief durch und zwang sich, ruhig zu bleiben und nachzudenken. Er besah sich den Personalausweis, dessen Bild ihm nicht wirklich ähnlich war. Dann nahm er sein Handy.

      „Eine Leiche wurde gefunden“, sagte er ohne Gruß.

      „Was? Ich verstehe nicht...“

      „Haben Sie mich nicht verstanden? Es wurde eine männliche Leiche gefunden!“

      „Sie meinen, dass das Ihr Vorgänger sein könnte?“

      „Ja, das denke ich. Sie nicht?“ Braun war außer sich.

      „Jetzt bleiben Sie ruhig, noch ist nichts passiert.“

      „Nichts passiert? Die Polizei hat meine Daten. Was meinen Sie, wie lange sie brauchen, um die Identität des Toten herauszufinden? Sie werden sofort merken, dass da etwas nicht stimmt!“

      „Sie haben Ihre Daten? Wie konnte das passieren?“

      „Für lange Erklärungen habe ich jetzt keine Zeit! Was soll ich tun?“

      „Sie müssen sofort verschwinden!“

      „Und wohin?“

      „Meine Schwiegermutter hat in Mühldorf einen Schrebergarten. Ein kleines Häuschen ohne Komfort, aber dort wären Sie vorerst sicher. Ich melde mich, wenn ich eine Alternative gefunden habe.“

      „Was mache ich mit den Hinweisen in meinem Haus? Ich habe keine Zeit, alles einzupacken und Spuren zu beseitigen.“

      „Darum kümmere ich mich. Bringen Sie sich in Sicherheit, alles andere wird erledigt.“

      Karl Braun ging mit Bauchschmerzen. Ob er sich auf die Versprechungen verlassen konnte? Er musste, denn welche Alternative hatte er? Wie kam er unbemerkt aus Tüßling raus? Zum Glück hatte er einen Zweitwagen, den er sich vor einem halben Jahr gekauft hatte und seitdem neben einer alten Scheune nach dem Ortsschild Richtung Teising versteckte. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, da eine Übergabe kurz bevorstand und er mit dem Gedanken spielte, sich nicht an die Vorgaben zu halten. Um was es ging, wusste er bis heute immer noch nicht, man zog ihn nicht ins Vertrauen. Aber das war ihm auch egal, denn er dachte nicht daran, sich wie eine Schachfigur fremdbestimmen zu lassen. Er wollte sein eigenes Süppchen kochen und fett absahnen.

      Er fuhr aus der Garage. Die neugierige Nachbarin Kühbauch war sicher bei den anderen, was ihm jetzt zugutekam. Er wechselte unbemerkt das Fahrzeug und fühlte sich gut. Den Wagen, der ihm zur Verfügung gestellt wurde, ließ er einfach in der Nähe des Schlosses stehen. Braun war sich sicher, dass ihn niemand gesehen hatte. Noch waren die Polizisten mit dem Toten und die Nachbarn mit der Neugier beschäftigt und das war sein Vorteil.

      Als Braun in Mühldorf an der genannten Adresse ankam, war er erschrocken. Unweit der Schrebergärten war ein griechisches Lokal, das inzwischen wieder geöffnet hatte. Rund herum befanden sich einige Firmen. Was sollte der Scheiß? Hier befand er sich auf dem Präsentierteller! Wütend nahm er sein Handy.

      „Was soll das? Hier kann ich nicht bleiben!“, schrie er.

      „Ja, die Hütte ist nicht optimal, aber eine