Liebesengel küssen nicht. Ewa A.. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ewa A.
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753197180
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geht hinter seinen Schreibtisch. Für mich ist dies das Zeichen zum Aufbruch, und so steuere ich zur Tür. Kaum drücke ich jedoch die Klinke, hält mich Phileas auf.

      »Evodie – du darfst diesen Auftrag nicht verlieren.«

      Ich sehe nochmal zu dem ganz in Weiß gekleideten Mann, dessen Blick nun unnachgiebig ist, und nicke stumm, bevor ich sein Büro verlasse.

      Da stehe ich im Trubel des Großraumbüros der Operatoren und habe noch immer die Türklinke in der Hand. Ich kann mich noch immer nicht bewegen, der Schock sitzt zu tief. Es ist das erste Mal, dass Phileas sowas zu mir sagt: Du darfst diesen Auftrag nicht verlieren. Den Satz höre ich andauernd in meinem Kopf, als wäre eine Schallplatte hängen geblieben.

      Plötzlich legt sich eine große Hand auf meine Wange und rüttelt mich sacht. »Hey, Kleine, alles ok?«

      Noch immer gefangen in meiner eigenen Warteschleife, komme ich allmählich zu mir. In Artreus‘ braunen Augen spiegelt sich die Sorge um mich. Zerstreut nicke ich meinen bärenhaften Freund zu. »Ja, ja ich denke schon.«

      Zweifelnd hebt er eine Braue. »Sicher? Du siehst nämlich ganz und gar nicht gut aus. Was hat der Chef dir aufgetragen?«

      Ich versuche, mich zu erinnern, ob Phileas mir schon einmal ausdrücklich ans Herz gelegt hatte, einen Auftrag zu gewinnen. Doch mir fällt kein Fall ein. Vielleicht hat Artreus von ihm schon mal solch eine Aufforderung gehört?

      »Phileas sagte, dass ich diesen Auftrag nicht verlieren darf.« Gespannt warte ich auf die Reaktion meines Freundes.

      Überrascht kräuselt sich Artreus‘ Stirn. »Unser Chef ist ja ein richtiges Motivationstalent. Mach dich nicht verrückt, Evodie. Zieh dein Ding durch. Du hast die Aufträge bisher immer geschaukelt, und diesmal wird es nicht anders sein.« Er lässt seine Hand auf meine Schulter gleiten und schiebt mich mit sich, zu Zelos und Bellamy, während ich ihn nebenher einweihe. »Das ist nicht die einzige miese Nachricht, die ich habe. So wie es aussieht, ist der Erist, der deine Fünfundzwanziger auseinandergebracht hat, an meinem ›Mega-Wichtig-Auftrag‹ dran.«

      Plötzlich bleibt Artreus stehen und dreht mich zu sich herum. Entschieden beginnt er, auf mich einzureden: »Wenn es wirklich dieser Kerl ist, musst du dich in Acht nehmen. Er wird dich reizen bis aufs Blut. Du musst dich beherrschen, Evodie! Hörst du? Der hat schon mehrere in Rauch aufgehen lassen.«

      Na super, noch mehr gute Nachrichten. Denn ›in Rauch aufgehen lassen‹ bedeutet, einen Engel verschwinden zu lassen, weil dieser mehr oder weniger absichtlich einen Menschen verletzt hat.

      »Von wem sprecht ihr?«, mischt sich Zelos ein, vor dessen Schreibpult wir gerade stehen.

      Artreus‘ Augen schweifen kurz zu Zelos. »Von dem Vollarsch-Eristen Demian oder wie auch immer der Typ heißen mag.«

      Empört öffnet sich Zelos‘ Mund. »Oh, ja. Unbedingt, Evodie. Der Kerl ist mit größter Vorsicht zu genießen. Alles, was er tut, tut er nur, um den Auftrag zu gewinnen.«

      Bellamy taucht mit einer Tasse dampfenden Tee auf und erfasst sofort die Lage. »Wir reden über den teuflischen Eristen, oder?« Laut schlürfend lässt er sich in seinem Stuhl nieder und folgt interessiert unserer Unterhaltung.

      Zelos nickt aufgeregt. »Ja, genau über den, mein Lieber, so ist es.«

      Zwischenzeitlich zieht Artreus wieder meine Aufmerksamkeit auf sich, indem er mich leicht schüttelt. »Ich meine es todernst, Evodie. Sei auf der Hut. Kannst du dich an den Vulkanausbruch im letzten Jahr erinnern?«

      Schweigend glotze ich Artreus an. Nein, unmöglich, das kann nicht wahr sein?

      »Darin war Demian verwickelt. Der zuständige Cupida wurde liquidiert«, grollt Artreus weiter.

      »Ach, du grüne Neune!«, seufze ich. Mir wird ganz schlecht, und mein Hintern pflanzt sich, wie von selbst, auf Zelos‘ Schreibtisch. Kann es noch schlimmer kommen?

      Artreus lässt mich los und richtet sich auf. »Jetzt bist du auf jeden Fall vorbereitet, wenn es sich bei dem Erist wirklich um Demian handeln sollte.«

      Ich stimme ihm gedankenverloren zu und gebe mich einer Hoffnung hin. »Ja. Vielleicht habe ich aber auch Glück, und es ist ein ganz anderer Erist.«

      »Vielleicht, Kleines, möglich ist alles«, meint Artreus und grinst mir aufmunternd zu.

      Es ist Zeit, meinen Job anzutreten, und mit nicht mehr ganz so viel Elan wie zuvor, lande ich in Jonas‘ Vorgarten. Ich krame aus meiner Handtasche das Handy hervor und suche Jonas‘ Mail, in der Max‘ Stundenplan und die Adresse der Schule vermerkt sind. Nachdem ich, dank Internet, herausgefunden habe, wie ich am besten zur Schule gelange, marschiere ich in Jeans und Shirt los, um zur vereinbarten Zeit dort anzukommen.

      Das Schulhaus ist ein älteres Gebäude, dessen Renovierung schon ein paar Jahre zurückliegt. Die vorbeiführende Straße ist nicht stark befahren, sodass ich mich getrost in den Schatten der Sträucher, auf der gegenüberliegenden Seite der Schule, stellen und dennoch den Ausgang im Auge behalten kann. Ein paar Meter von mir entfernt, bemerke ich Susan, die in ihren hohen Sandalen auf und ab läuft. Sie trägt noch immer ihr schickes Kostüm von heute Morgen im Büro. Unschuldig schlendere ich näher an sie heran und lehne mich an den Stamm einer Linde, deren Krone alles überschattet. Wir lächeln uns grüßend zu und ich nehme es als Anlass, sie anzusprechen.

      »Schöne Schuhe haben Sie da. Wenn Sie mir jetzt noch sagen, dass sie bequem sind, bin ich hoffnungslos verliebt.«

      Sie hat ein herrlich heiseres Lachen und schüttelt dabei ihre blonden Locken. Mit ihrem Leberfleck, der neben ihrem Auge prangt, erinnert sie mich an Marilyn Monroe zu ihren besten Zeiten.

      »Danke. Ich finde Ihre Jeans total gut. So eine suche ich schon eine Weile. Vielleicht sollten wir mal gemeinsam shoppen gehen.«

      Jetzt lache ich und strecke ihr meine Hand entgegen. »Hi, ich bin Evodie. Ich warte auf Max Kinz, den ich hier abholen soll, allerdings muss ich so tun, als würde ich ihn nicht kennen.«

      »Was?«, kichert Susan verblüfft und reicht mir die Hand. »Ich bin Susan Hunz, die Mutter von Leon. Sie sind die Mutter von dem Max, der neu in Leons Klasse ist?«

      Ich entschließe mich, so viel Info wie möglich in die Antwort zu packen, die Susan gleich den richtigen Eindruck vermitteln soll. »Ja, Max ist mit seinem Vater vor Kurzem hierhergezogen. Herr Kinz ist seit drei Jahren Witwer. Ich bin lediglich die Tagesmutter von Max, und heute ist mein erster Arbeitstag.«

      Wie zu erwarten, taucht in Susans Augen Mitgefühl auf, und ich lobe mich im Geiste, die Begriffe Tagesmutter und Witwer verwendet zu haben.

      »Oh!«, haucht sie betroffen. »Das ist traurig, also das mit Max‘ Mutter, nicht dass Sie seine Tagesmutter sind. Also doch schon irgendwie, aber …« Zerknirscht winkt sie ab. »Ach, entschuldigen Sie, ich halt jetzt einfach den Mund, sonst mache ich es mit meinem Geplapper nur noch schlimmer.«

      Um sie zu beruhigen, grinse ich sie freundlich an. Sie ist mir wirklich sympathisch.

      »Nein, ist doch ok. Ich hätte vielleicht nicht auf einmal so viel offenbaren sollen.«

      »Ach was, ich bin etwas durch den Wind. Ich hatte gerade ein Gespräch mit dem Schulleiter, wegen Leon. Zum zweiten Mal schon.« Sie seufzt enttäuscht und wirkt dabei peinlich berührt, weil sie die Geschichte erzählt hat.

      Der Morgen war, wie ich weiß, ganz schön hart für Susan, weswegen ich versuche, sie aufzumuntern.

      »Mmh – und? Sieht der Rektor wenigstens gut aus, sodass es sich gelohnt hat?«

      Im ersten Moment starrt sie mich verdattert an, doch dann lächelt sie. »Nur, wenn Sie auf ältere Herren mit Schnauzer und Hosenträgern stehen.«

      Wir kichern beide, und ich japse: »Nein, nicht wirklich.«

      Darauf stöhnt sie befreit auf. »Dachte ich mir. Danke, das hat mir gerade den Tag gerettet. Ich war kurz vorm Verzweifeln.«

      Sie schluckt, und schon purzeln ihr