Und dann kam das Wasser. Dagmar Isabell Schmidbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dagmar Isabell Schmidbauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745015102
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schon anwesend war. Tatsächlich saß sie am Schreibtisch und blätterte in einer Zeitung herum.

      „Ach, Hannes, ich hab gar nicht gesehen, dass ihr schon da seid.“ Nachlässig klappte sie die Zeitung zu und legte sie beiseite.

      „Steht was drin?“, fragte Hannes neugierig.

      „Wie immer wenig, oder suchst du was Besonderes?“

      „Na ja, vielleicht etwas über unseren gestrigen Einsatz?“ Hannes zuckte unschlüssig mit den Schultern.

      „Was für einen Einsatz?“, fragte Ramona überrascht. „Ich weiß nichts von einem Einsatz!“ „Na, nun erzähl es ihr schon“, schlug da eine Stimme hinter ihnen belustigt vor, und Hannes wunderte sich, weil er nicht gehört hatte, wie Franziska hereingekommen war.

      „Na ja“, Hannes wand sich ein wenig, denn er wollte nicht derjenige sein, der im Beisein der Kollegin über ihren Fauxpas plauderte.

      „Wir hatten gestern einen Einsatz im Hochwassergebiet an der Ortsspitze, und dabei bin ich baden gegangen“, gab Franziska unumwunden zu.

      „Um ein Haar hätte es sie erwischt“, ergänzte Hannes, und Ramona ließ einen kleinen Schrei los.

      „Hey, ich lebe noch. Siehst du?“ Franziska drehte sich im Kreis, wie um zu beweisen, dass noch alles dran war.

      „Willst du vielleicht einen Tee?“, fragte Ramona in der für sie typischen mütterlichen Sorge, sprang vom Stuhl auf und machte sich sofort am Wasserkocher zu schaffen.

      „Oh, das wäre schön“, stimmte Franziska zu und sah Hannes an. „Und wir beide machen uns sofort an die Recherche. Das soll ja nicht alles umsonst gewesen sein, oder?“ Ohne auf seine Antwort zu warten, ging sie in das gemeinsame Büro, hängte ihre Regenjacke auf und verstaute die Tasche neben dem Schreibtisch. Als sie gerade den Rechner hochfahren wollte, setzte sich Hannes auf ihre Schreibtischkante und sah sie mit schief gelegtem Kopf an.

      „Haus und Laden gehören seit Generationen der Familie Beinhuber. Emmi Beinhuber hat den Laden bis vor drei Jahren betrieben. Als sie starb, fiel das ganze Haus an eine Erbengemeinschaft, die aus ihren vier Neffen besteht. Die Tante konnte sich für keinen ihrer Neffen entscheiden und vererbte es ihnen zu gleichen Teilen. Jetzt besteht das Problem, dass drei verkaufen wollen und einer sich weigert. Christian Beinhuber möchte den Laden nämlich behalten, seine Brüder dagegen wollen Geld sehen“, berichtete Hannes ohne einmal Luft zu holen, während Franziska ihm mit offenen Mund lauschte. „Der eine ist Internist am Klinikum, der nächste Lehrer und der dritte Maschinenbauingenieur“, ergänzte Hannes, bevor Franziska etwas sagen konnte.

      „Und was hat dieser Christian Beinhuber gelernt?“

      „Irgendetwas Alternatives“, erinnerte sich Hannes.

      „Und woher weißt du das alles so genau?“ Ehrfurcht lag in Franziskas Stimme.

      „Wozu gibt es das Internet?“

      Franziska erhob sich plötzlich und legte ihrem Kollegen die Arme um die mageren Schultern. Ihr Blick bohrte sich tief in seine Augen: „Mein lieber Hannes, das glaub ich dir nicht.“

      Hannes nahm ihre Arme herunter, ließ sie aber nicht los. „Du hast recht. Das war alles reiner Zufall.“ Hannes sah sie zerknirscht an. „Als ich heute Morgen die Treppe heraufkam, hörte ich, wie sich zwei Kolleginnen von der Streife übers Wetter unterhielten. Auf einmal sagte die eine: ‚Du hast es ja noch gut getroffen in deinem Heining, aber an der Ortsspitze steht die Donau schon im ersten Stock, und das ist dann wirklich kein Spaß mehr.“

      „Lass mich raten“, frotzelte Franziska gut gelaunt.

      „Brauchst du nicht.“ Hannes ließ die Hände der Kollegin los und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Sie wohnt nur drei Häuser neben unserem Leichenhaus. Und sie weiß alles über die Nachbarn.“

      „Hast du ihr von der Leiche im Laden erzählt, oder hat sie es von der Straße mitbekommen?“ Franziska sah ihn skeptisch an.

      „Wofür hältst du mich? Ich plaudere nicht. Aber es scheint sich tatsächlich noch nicht herumgesprochen zu haben. Zumindest wusste sie nichts davon.“

      „Sehr gut“, lobte Franziska diesen Umstand, doch Hannes fuhr lächelnd mit seinem Bericht fort.

      „Ich habe mich einfach sehr interessiert gezeigt und ihr ein bisschen zugehört. Menschen in ihrer besonderen Situation brauchen ein bisschen Aufmerksamkeit.“ Hannes grinste noch breiter und fügte dann schmunzelnd hinzu: „Ich könnte natürlich darüber berichten, dass es ihr schon jetzt davor graust, den ganzen Schlamm wieder aus dem Keller herauszuschaufeln, aber das hat ja nicht unbedingt mit unserem Fall zu tun.“

      „Nein“, antwortete Franziska abwesend, weil sie gerade die verschiedenen Möglichkeiten durchging, wie dieses erbschaftliche Besitzverhältnis zum Leichenfund passen würde.

      „Ach ja, eines ist vielleicht noch interessant“, unterbrach Hannes ihre Überlegung. „Sie meinte, mit dem Lehrer sei sie mal zusammen gewesen. Der sei ein Riesenarschloch. Na ja, muss ja nichts heißen. Alle Männer, mit denen eine Frau mal zusammen war, sind im Nachhinein Arschlöcher.“

      „Hat sie vielleicht auch etwas erzählt, was uns wirklich helfen kann?“ Die Kommissarin war aufgestanden und lief im Zimmer auf und ab. Sie war jetzt vollends in ihrem Element.

      Hannes zuckte mit den Schultern. „Nein. Aber ich weiß, wie der Anwalt heißt, der die Erbengemeinschaft vertritt und das Haus jetzt verwaltet.“

      „Und?“ Franziska blieb stehen und sah Hannes erwartungsvoll an.

      „Viktor Mooslechner.“

      „Mooslechner? Nie gehört.“

      „Ich auch nicht, aber ich habe seine Adresse.“

      „Gut. Dann würde ich sagen, bevor wir uns vier verschiedene Versionen anhören, besuchen wir Viktor Mooslechner und fragen ihn, ob er eine Idee hat, wie die Leiche des Mannes in den Laden gekommen sein könnte.“ Franziska bückte sich nach ihrer Tasche und sah Hannes auffordernd an. „Wenn er das Haus verwaltet, dann weiß der auch, wer Zugang hat.“

      Sie nahm die Regenjacke vom Haken, setzte sich eine Baseballkappe auf und hängte sich die Tasche über die Schulter. Als sie fertig war, sah sie Hannes ungeduldig an. „Ist noch was?“

      „Du hältst das mit den Brüdern für unwichtig?“

      „Nein, nein“, beeilte sich Franziska zu sagen. „Wir werden das alles noch brauchen, aber wir wollen unsere Ermittlungen doch nicht auf Hörensagen aufbauen, oder?“

      Als Hannes noch immer nicht reagierte, drehte sie sich um, nahm auch seine Jacke vom Haken und hielt sie ihm hin. „Jetzt spiel hier nicht den Beleidigten. Du hast das alles sehr gut recherchiert. Komm jetzt!“

      Dicht aneinandergedrängt standen die beiden Kommissare kurz darauf unter einem verwitterten Plastikvordach und warteten darauf, dass jemand auf ihr Klingeln reagierte. Rechtsanwalt Mooslechners Haus lag in der alten Villengegend rund um das Klinikum, jedoch weit genug vom Inn entfernt, um nicht wie die Häuser der Altstadt, wo im Übrigen auch seine Kanzlei lag, baden zu gehen. Neben dem Haus gab es eine Doppelgarage, deren Tore geschlossen waren, und dahinter erstreckte sich vermutlich ein weitläufiger Garten.

      „Immerhin kommt der Regen hier nur von oben“, versuchte Franziska die Situation mit einem Scherz aufzulockern und drückte erneut und auch etwas länger auf den in die Hauswand eingelassenen Klingelknopf.

      Die Fassade des Hauses war so grau wie das Wetter, Fenster und Türen hätten dringend einen neuen Anstrich vertragen, obwohl der Gesamteindruck nicht ungepflegt wirkte, sondern einfach nur altmodisch. Vor den Fenstern hingen dichte Spitzengardinen, die keinen Blick ins Innere des Hauses gestatteten.

      Endlich öffnete eine dunkelhaarige Frau Mitte dreißig mit einer figurbetonenden Schürze