Die Seelen der Indianer. Nina Hutzfeldt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Hutzfeldt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738086799
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der Wartezeit auf einem der harten Plastikstühle, mit meinem Kopf auf Lukas’ Schulter, einschlief.

      Zurück im Flugzeug spürte ich, wie sich meine Muskeln entspannten. Ruhig blickte ich aus dem Fenster und war fasziniert von den Wolken, die sich wie Watte ans Flugzeug schmiegten.

      Von Detroit bis nach Oklahoma nahm der Flug kein Ende. Ich nahm meinen MP3 –Player, doch fand ich kein passendes Lied, ich startete einen Film, doch waren die alle nur auf Englisch. Zwar beherrschte ich die Sprache, jedoch nicht so gut, dass ich mir einen ganzen Film ansehen konnte.

      Irgendwann läutete die Sprechanlage, welche eine Ansage des Piloten ankündigte.

      »Meine Damen und Herren«, sagte eine raue, aber doch charmante Stimme, »wir werden in Kürze landen. Ich bitte Sie daher Ihre Plätze aufzusuchen und den Anweisungen der Stewardessen zu folgen. Ich danke Ihnen, dass sie mit uns geflogen sind. Schönen Aufenthalt in Oklahoma City.«

      Das Signal zum Anschnallen blinkte auf und das Rauschen und Klicken der Gurte übertönte das laute Triebwerk. Ich drückte mich beim Landeanflug in den Sitz und schloss die Augen.

      Endlich. Der große Albatros fuhr seine Rollen aus und schlug mit einem großen Grollen auf dem Boden auf. Als das Flugzeug zum Stillstand kam, begann erneut das Läuten der Sprechanlage.

      »Meine sehr geehrten Damen und Herren. Leider haben die Arbeiter ihre Mittagspause verlängert, so dass wir uns noch einige Minuten gedulden müssen. Für diejenigen, die in Eile sind, haben wir im Lagerraum noch einige Fallschirme liegen.« Die Reisenden lachten laut auf.

      Am liebsten hätte ich mich abgeschnallt und meine Beine ausgestreckt, doch das Zeichen zum Anschnallen leuchtete immer noch. Ich atmete einmal tief durch und blickte aus dem Fenster.

      Das Flughafengebäude war riesig und die Fensterfront glänzte in der vollen Sonne, die wie ein bulliger Schneeball am Himmel hing. Als ich mich etwas nach vorne beugte, sah ich ödes Land, wo ab und an ein Baum stand.

      Am Flughafen in Hamburg hatte ich mir noch einen Reiseplaner gekauft, den ich nun aufschlug. Ich fand aber keine Fotos um den Flughafen. »Will Rogers World Airport«, flüsterte ich. Wer war Will Rogers? Gab es den Mann wirklich? Ich schlug nach. Will Rogers war ein legendärer Cowboy und Komiker, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war.

      »Jordan. Jordan.« Meine Mutter holte mich aus meinen Gedanken, zurück ins Flugzeug.

      »Ja. Wie bitte?« Ich setzte mich gerade auf, als hätte man mir einen Stock in den Po gesteckt.

      »Es geht los.« Sie griff nach meiner Hand, denn mittlerweile hatten wir die Plätze getauscht. Nun saßen Angela und Lena neben mir und die Männer in der Reihe vor uns. So schnell konnte ich mich gar nicht abschnallen, so dass ich am Gurt hängen blieb und polternd auf den Boden aufschlug.

      »Aua.« Dabei stieß ich ein kleines Mädchen zur Seite, die wie ein Schlosshund angefangen hatte zu weinen.

      Ich schmeckte Blut auf meiner Lippe. Beim Sturz hatte ich mir die Lippe aufgeschlagen.

      »Hast du dir wehgetan?« Mein Vater half mir auf.

      »Nein, ich habe nur nicht aufgepasst.« Ich tastete meine Lippe ab. »Alles in Ordnung.«

      »Okay, komm wir müssen uns beeilen. Das Reinigungspersonal steht schon am Eingang.« Ich nahm mein Handgepäck und folgte meiner Familie, die mit dem Strom von Passagieren zum Flughafen ging.

      Im Gebäude selbst, warteten wir vor einem der vielen Förderbänder, bis unsere Koffer kamen. Menschen drängelten sich wie beim Sommerschlussverkauf vorbei, um ja die Ersten zu sein. Als würde ihr Gepäck plötzlich verschwinden. Obwohl dies ja schon des Öfteren vorgekommen war. Bei so einem langen Flug und den Zwischenstopps musste auch das Gepäck von einem Flugzeug ins nächste transportiert werden. So kam es schon mal vor, dass Gepäckstücke abhandenkamen. Dann konnte man sich nur an einen Strohhalm klammern, um es überhaupt wiederzubekommen, andernfalls fand man seine Sachen bei Ebay wieder.

      »Jordan. Jordan.« Leise Laute drangen an mein Ohr und ließen mich erschauern.

      »Was?« Ich blickte auf. In den letzten Stunden hatte ich viele Tagträume. Vielleicht waren dies die Nachwirkungen von den Schlaftabletten oder einfach nur der Jetlag.

      »Sag mal, wo bist du bloß mit deinen Gedanken?« Meine Mutter strich mir eine Strähne hinters Ohr.

      Ich nahm meinen Koffer vom Band, der jetzt schon seine dritte Runde drehte.

      Als wir in die Eingangshalle traten, blickte uns eine Traube von Menschen entgegen. Einige winkten hysterisch, andere hielten Schilder mit Namen hoch. Sie alle warteten auf die Reisenden, die entweder zu Besuch, auf Geschäftsreise oder einfach nur nach Hause kamen.

      Da keine Großraumtaxen vor dem Flughafen standen, teilten wir uns auf.

      Ich setzte mich zu Lena auf die Rückbank, meine Mutter auf den Beifahrersitz.

      Verstohlen blickte sie in den Rückspiegel und beobachtete, wie die beiden Fahrer mit meinem Vater plauderten. Vermutlich erzählte er ihnen, in welches Hotel wir einchecken wollten.

      Wir hatten uns für ein Hotel in der mittleren Preisklasse entschieden, welches im Internet sehr gute Bewertungen bekommen hatte.

      Während der Fahrt blickte ich hinaus. Unzählige Autos brausten an uns vorbei. Hupend überholte das zweite Taxi, in welchem unser Vater, Kevin und Lukas saßen. Beide Taxen waren quietschgelb, wie im Fernsehen, nur hübscher. Warum musste ich alles mit amerikanischen Serien oder Filmen vergleichen?

      Die Fahrt dauerte ungefähr zwanzig Minuten, bis die Autos vor einem großen Gebäudekomplex hielten, welches abwechselnd in Eigelb und Bordeauxrot gestrichen worden waren.

      Unser Vater bezahlte und half dem Fahrer die schweren Koffer aus dem Auto zu hieven.

      Ich rüttelte Lena an der Schulter. Die Reise war so ermüdend, dass sie eingeschlafen war. Der Jetlag hing uns allen noch in den Knochen, doch hatte ich mir vorgenommen, wach zu bleiben, denn sonst würde ich die Nacht über nicht schlafen können.

      Nachdem wir von einer Blondine mit großen Brüsten und breiten Hüften unsere Schlüssel bekamen, folgten wir einem Flur, der uns bis zu den Fahrstühlen brachte. Dort konnte ich meinen Koffer abstellen und einmal durchatmen. Lena gähnte, meine Mutter drückte auf den Knopf, für den dritten Stock. Die Fahrstuhltüren sprangen auf und wir betraten einen weiteren Flur. Es war dunkel, die Beleuchtungen an den Wänden waren aus, doch die Zimmer waren farbenfroh und sauber, die Matratze weich und im Bad gab es sogar eine Badewanne.

      Zuhause badete ich kaum, deshalb überlegte ich, ob ich lieber ein Bad nehmen sollte, anstatt mich auf dem Bett auszuruhen. Da würde ich sowieso nur einschlafen und wie Lena in einem Traumgeflecht herumirren.

      Deshalb ließ ich genug Wasser in die Wanne und glitt hinein, ohne die Oberfläche zu kräuseln, und schloss genussvoll die Augen, als die Wärme mich wie in einem Kokon einnahm. Ich muss gestehen, dass ich eingedöst war und erst erwachte, als es an der Tür klopfte.

      »Moment.« Ich kletterte aus der Wanne, warf mir einen Bademantel über und lief in den Flur, um die Tür zu öffnen.

      Lena!

      »Hey, was machst du denn hier? Wo ist Kevin?« Ich blickte an ihr vorbei.

      »Der schläft. Kann ich reinkommen?« Sie schob sich an mir vorbei in den Wohnbereich und steuerte den großen Lehnstuhl an.

      »Setz dich doch.« Ich schloss die Tür und ging zu meinem Koffer.

      »Du hast gebadet. Das ist cool. Zuhause haben wir keine Badewanne.«

      Ich suchte mir Unterwäsche und einen Jogginganzug. »Hat euer Bad keine Wanne?« Ich ging mit den Sachen zurück ins Bad, schlüpfte in meine Kleidung und kämmte mir in Windeseile die Haare, um sie danach lufttrocknen zu lassen.

      »Ich hab mir gedacht, wir könnten zusammen in die Stadt fahren und ein paar Sehenswürdigkeiten ansehen. Kevin schläft, von Lukas weiß ich nichts und deine