KISHOU II. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146002
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wären, wenn diesem Pfeil der offene Kampf folgen sollte. Brüllend schleuderte er seine Lanze einige Schritte vor sich in den Boden, stieß seine beiden Fänger zur Seite und marschierte forschen Schrittes und ohne jeden Schutz geradewegs auf die verblüfften Langen Schatten zu. „Wer von euch seine Hand gegen mich erhebt, der erhebt sie gegen Suäl Graal! Und so wie Suäl Graal diesen da eben dem Allsein zuführte, ist sie entschieden, es mit jedem tun, der die Hand gegen mich erhebt. Denn in mir ist entschieden: Rahon, die Hand Suäl Graals, der zu folgen euer Auftrag ist!“ Schäumend und grollend stand er breitbeinig und mit geöffneten Armen zwischen den Fronten. „Also wer will es noch einmal wagen!“, brüllte er in den Wald von Schildern hinein.

      Er war sich sehr bewusst, wie hoch sein Spiel war – wie sehr er bluffte. Er hatte sehr stark aufgetragen und ziemlich maßlos übertrieben. Aber es war die einzig denkbare Chance für die Grabenmacher, der Katastrophe zu entgehen. Wenn die Langen Schatten sich nicht beeindrucken ließen, war er im nächsten Moment tot – und nach kurzer, heftiger Schlacht, drei ganze Stämme der Grabenmacher mit ihm. Wenn sie aber auf seine Worte hereinfielen, bestand immer noch die Möglichkeit, dass Suäl Graal ihn für seine Anmaßung abstrafte, um ihm zu zeigen, welches ihre tatsächliche Hand ist – dann wäre es auch um ihn geschehen. Sein Kalkül war es, dass es nicht im Interesse Suäl Graals sein konnte, wenn es hier zu einer offenen Schlacht zwischen den Grabenmachern und den Langen Schatten kommen würde, und sie ihm deshalb schon gewähren lassen müsste. Seine Rechnung ging auf.

      Nach einem kurzen Moment der gespannten Stille löste sich plötzlich eines der Schilder aus der Wand, und ein bärtiger Kopf kam darüber zum Vorschein. Er hatte den langen, grauen Bart hinter seinen Hals zu einem Zopf verflochten. Stehend überragte er Rahon fast noch einmal um seine halbe Länge. Es mochte wohl der Anführer eines der Stämme sein. Er kam nun einige Schritte auf Rahon zu, und warf unwillig sein Schild in den Sand. In der Hand hielt er ein grobes Schwert. „Suäl Graal hat das Erscheinen deiner Zeit entschieden, und hier nun verdrängst du das Allsein, Grabenmacher!“, rief er ihm mit der Dunkelheit einer Stimme zu, die in keinem Verhältnis zu der dürren Schlaksigkeit seines Körperbaus stand. „Doch es ist nicht unser Wille einen Pakt mit den deinen vom Allsein zu verdrängen!“ Drohend richtete er sein Schwert in die Richtung Rahons. „Der Pakt endet mit der Bemessung dessen vom Allsein, was in Suäl Graal entschieden ist!“

      „So ist es entschieden, und verdrängt es das Allsein!“, rief Rahon, von der Geste des Langen Schatten wütend, äußerlich jedoch unbeeindruckt, zurück.

      Innerlich sah es freilich etwas anders aus. Er wusste, dass er für genau diesen zukünftigen Augenblick einen Plan haben musste, der ihm und seinen Stämmen die Möglichkeit gab, noch rechtzeitig eine ausreichende Distanz zu den Langen Schatten herzustellen. Unter diesen Kräfteverhältnissen durfte es auf keinen Fall zu einem Nahkampf kommen. Aber noch hatte er keine Vorstellung davon, wie er das bewerkstelligen sollte. Die Vernichtung jenes Wesens, das Suäl Graal Kishou nannte, war verknüpft mit dem Schicksal seiner Stämme, und musste entsprechend gut vorbereitet sein.

      „Korks!“, hallte es in diesem Moment laut aus den Reihen der Grabenmacher heraus. Alle Köpfe fuhren herum. Das rote Licht der Abendsonne brach sich in einem langen dünnen Band spiegelnder Körper, das sich in der Entfernung am Rande des Areals aus den Hügeln herausschälte. In atemloser Stille starrte alles gebannt in die Richtung der Aufmarschierenden – und die Hände krampften sich um die Waffen.

      „Es ist in Suäl Graal entschieden, dass die Entscheidungen der Korks den Bemessungen deiner Worte folgen!“, presste endlich der Anführer der Langen Schatten aus schmalen Lippen hervor. Es war nicht zu übersehen, dass ihm alles andere als wohl bei dem Anblick der metallischen Körper war, und er sich versichern wollte, dass von ihnen erst einmal keine Gefahr ausging.

      „Das solltest du nie vergessen!“, konterte Rahon, und sein Zeigefinger richtete sich wie die Spitze einer Lanze gegen den bärtigen Widersacher. Es war in diesem Moment eine wichtige Trumpfkarte für ihn – wohl wissend, dass diese Karte sich ebenso schnell gegen ihn selbst wenden würde, wenn der Auftrag erledigt war.

      Das Heer der Korks, das dort schnell näher kam, hatte ein beeindruckendes Ausmaß, und Rahon war sich bei diesem Anblick seiner Sache alles andere als sicher. Noch nie hatte er eine solche Masse dieser Ungetüme gesehen, denen man normaler Weise bereits bei weit kleiner Anzahl letztlich nur mit Flucht begegnen konnte. Es war alles andere als leicht vorstellbar, dass er sie in der Hand hatte – dass sie auf ihn hören würden ...

      In den beiden Lagern der Stämme wurde es langsam unruhig. Mit jedem Schritt der Korks verringerte sich die Chance einer vielleicht noch möglichen Flucht, oder irgendwelcher Vorbereitungen für Gegenmaßnahmen.

      „Du solltest in deinen ,Freunden‘ vielleicht eine Begrüßung vom Allsein verdrängen, bevor sie so entscheiden!“, sagte der Lange Schatten mit verbissener Ironie, aber sichtlich nervös, während er sein Schild wieder vom Boden aufnahm!“ Das seltsame Krächzen der Korks war inzwischen nicht mehr zu überhören.

      Rahon durfte sich seine Unsicherheit nicht anmerken lassen. Wortlos wendete er sich ab und lief – vorbei an der Aufstellung seines Gefolges – den Korks mit langen Schritten geradewegs entgegen. Mit Hochspannung waren alle Blicke an seinen Weg geheftet, während sich der Abstand zwischen ihm und den Korks schnell verringerte.

      Sie sahen in der Entfernung, wie er vor dem endgültigen Zusammentreffen plötzlich stehen blieb – und kurz bevor die Gestalt Rahons mit dem Meer der Korks endgültig verschmolz, stoppten auch sie plötzlich ihren Aufmarsch. Es war aus der Entfernung nicht zu erkennen, was sich dort Hinten genau abspielte, aber nach einer kleinen Weile bewegte sich Rahon wieder zurück, und auch die Korks setzten sich erneut in Bewegung. Der Abstand zwischen ihm und den Eisenwesen verringerte sich aber nicht mehr. Es war augenscheinlich, dass sie ihm folgten.

      Auf beiden Seiten explodierte die Hochspannung in einem spontanen, befreienden Jubel. Bögen, Schilder und Schwerter reckten sich erleichtert in den abendroten Himmel, während Rahon an der Spitze eines gewaltigen Heeres von Korks, das ihm folgte wie eine Schafherde, mit hochaufgerichteten Gang zurückschritt.

      Auch dem Anführer der Langen Schatten war seine Entspannung durchaus anzusehen, Er beherrschte sich allerdings, seine Erleichterung im gemeinsamen Jubel vor den Grabenmachern zu entblößen. So ebbte denn auch das Erleichterungsgebaren seines Gefolges sehr schnell wieder ab. Die Ruhe ihres Anführers erinnerte sie wohl schnell wieder daran, dass es der Feind war, der dieses Heer befehligte, und es war in diesem Falle nicht einmal eine Beruhigung, dass dies nur ein Pakt auf Zeit war, und mit der Erfüllung des Auftrags endete. Suäl Graal hatte ihnen zwar Belohnung versprochen, aber es gab auch auf Seiten der Langen Schatten niemanden, der Grund hatte, ihr zu trauen.

      Mit der sich stetig verringernden Distanz der Eisenwesen zu ihnen, verstummte auch die Begeisterung der Grabenmacher. Ihre Reihen begannen sich aufzulösen, und man versuchte doch, einigen Abstand zu den Korks zu gewinnen.

      Als Rahon seinen Marsch innehielt, kam auch die eiserne Lawine der Korks zum stehen. Fast ehrfürchtig starrten alle auf die Monstren mit ihren leblosen Gesichtern. Gegen das riesige Heer der Korks erschienen die Afetiten, wie ein Häufchen verlaufener Kaninchen.

      Die Korks bildeten, in unzähligen Reihen aufgestellt, eine breite Front, und standen regungslos formiert und exakt ausgerichtet. Ihre krächzenden Laute aus dieser Nähe waren ohrenbetäubend und fast schon schmerzhaft. Rahon drehte sich um, und schrie etwas zu ihnen hinüber. Ohne einen Übergang brach das Krächzen schlagartig ab. Die nun entstandene Ruhe wirkte beim Anblick der Kampfmaschinen aber fast noch bedrohlicher. Er wendete sich nun an den Anführer der Langen Schatten: „In Suäl Graal ist entschieden, das die Spur Teks – einem Dompteur vom Stamme der Grabenmacher, der, seinen Stamm verratend, sich mit dem Feinde Suäl Graals verband – jenen Ort bemessen wird, der in Suäl Graal als ,Kishou’ entschieden ist. Wir werden ohne Verzug den Pfad nach Zargo vom Allsein verdrängen, um von dort die Spur Teks zu bemessen!“

      Er drehte sich nun im Kreise, und rief laut, dass alle ihn hören konnten: „Die Sonne verdrängt schon bald nicht mehr das Allsein. Fackeln sollen ihre Bemessungen ersetzen – und erhaltet ihr Leben mit dem, was auf dem Pfade das Allsein verdrängt!“