KISHOU II. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146002
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      In sich tragend,

      Die Macht aller vergangenen Dompteure,

      In sich tragend,

      Die Macht des Erkennens,

      Doch auch in sich tragend,

      Die Ohnmacht der Unerfahrenheit,

      Und damit der Aufhaltsamkeit,

      Ist entschieden,

      Zu erfahren,

      Und damit unaufhaltsam zu werden!“

      Der Blick des Alten kehrte wieder zurück aus der Unendlichkeit, und bohrte sich erneut in die Augen Rahons. Auch seine Lippen bewegten sich nun wieder.

      „So höre denn, was ich dir auftrage:

      Du wirst Deinen Stamm zu einer Stätte führen, die ich dir benennen werde.

      Dort wirst du zusammentreffen mit weiteren Stämmen der Grabenmacher, als auch der Stämme der Langen Schatten. Gemeinsam und unter deiner Führung solltet ihr die Kraft haben, das Wesen, das als Kishou erkannt werden will, und sich mit Macht vom Allsein trennt, zu vernichten und dem Allsein zuzuführen!“

      Rahons Augenlider ruckten nach oben. Er sollte sich mit den Langen Schatten vereinigen ...? Der Blick Suäl Graals erstickte aber sogleich den Reflex des Widerspruchs.

      „Doch damit nicht genug!“, setzte Suäl Graal in der Erscheinung Kasids fort. Die Macht Kishous ist groß. Zu groß, als das ihr es wagen solltet, ihr zu begegnen. So wird sich auch ein großes Heer der Korks bei euch einfinden, die ich nahe genug verstreut fand, um dem Verlangen meiner Entschiedenheit zur rechten Zeit beiwohnen zu können. Sie werden sich deinen Anweisungen unterwerfen, wie auch die Stämme der Langen Schatten, bis das die Entscheidung vollendet, und vollkommen entschieden vom Allsein verdrängt sein wird! Ihr aber haltet euch in gebührenden Abstand und mit gebundenen Augen gegenüber der, die als Kishou erkannt sein will, wie ihr es entscheidet, wenn ihr auf den Rjuchhu trefft. Von dort sollt ihr eure Pfeile zum Ort des Zieles führen – während das Heer der Korks deinem lautenden Befehl folgend, vordringt. All dies, was ich in dir nun vom Allsein getrennt, trenne ebenso vom Allsein in deinem Gefolge und auch in den Stämmen der Langen Schatten, und sie werden gehorchen!“

      Die Ausführungen des Alten waren wohl zu Ende, und es entstand eine kleine Pause, bevor seine Stimme noch einmal nachfragte. „Ist da noch etwas, dass du wissen solltest?!“

      Rahon biss sich auf die Lippen. „Du verlangst viel von mir und meinem Stamm. Die Langen Schatten ... .“

      „Suäl Graal ,verlangt’ nicht, Suäl Graal ist entschieden!“, wurde er von der unheimlichen Stimme aus Kasids Körper barsch unterbrochen – sie kam wieder aus unbewegtem Munde.

      Rahon schluckte, und senkte erschrocken seinen Blick. „Wo ist der Ort der Zusammenkunft, und wo verdrängen wir das Wesen vom Allsein, das als Kishou erkannt sein will?!“, fragte er sehr kleinlaut.

      „Gut! – Das ist die Frage, die ich hören wollte, und die in mir vom Allsein trennt, dass du mich verstanden hast!“, antworteten die unbewegten Lippen Kasids. Ihr werdet euch zusammenfinden im Angesicht der verbotenen Stätte – im Schatten des vierten Winkels, welcher erscheint, wenn die Sonne die verbotene Stätte zu Gänze bemessen hat!

      „Rahons Augen weiteten sich erschrocken „Die ,Verbotene Stätte’ ...?

      „So soll es euch gestattet sein in der Zeit, die eure Tat an Raum bemisst!“, unterbrach ihn die Stimme sofort wieder. „Sucht und folgt der Fährte des Dompteurs. Dort, wo ihr seine Zeit bemisst, werdet ihr die anderen – und Kishou bemessen!“

      Die Stimme verstummte. Die durchdringenden Augen des Alten fielen wieder durch Rahon hindurch, und begannen glasig zu werden. Langsam neigte sich der alte Körper steif nach hinten über seinen Schwerpunkt hinaus, um endlich wie ein gefällter Baum nach hinten umzukippen, und auf dem Boden aufzuschlagen. In den weit geöffneten Augen war kein Leben mehr zu erkennen. Der Körper war nur noch das Nachleuchten eines einstmaligen Wesens, das sich in einer Zeit des Ausglimmens mit dem Sande vereinigen würde – wie sich alle Zeit irgendwann mit der des Sandes vereint ...

      Es dauerte noch einige Zeit, bis sich in Rahon und den Anderen wieder etwas regte.

      Noch sichtlich benommen erhob er sich endlich und atmete einige Male tief durch. „In euch ist vom Allsein getrennt, wie Suäl Graal entschieden ist, und was nunmehr das Allsein verdrängen wird!“, sagte er, und man sah ihm an, dass es ihm nicht leicht fiel, diese unerwartete Entwicklung anzunehmen. Es war nicht dieses Wesen, das Suäl Graal ,Kishou’ nannte, dass in ihm Unmut und Besorgnis auslöste – er konnte die Bedrohung nicht einschätzen, die von ihm ausgehen sollte. Es war eher zum einen der Umstand, dass sie gegen das Untere Squatsch kämpfen sollten, dessen Untertan sie immerhin alle waren, und der sich niemals in ihre Angelegenheiten eingemischt hatte – aber noch viel mehr die kaum ertragbare Vorstellung, sich mit den Langen Schatten verbünden zu müssen. Das hatte es nicht gegeben, seit die Wasser begannen zu versiegen, und der Kampf der Stämme um die verbliebenen Oasen ihren Anfang nahm. Jene Ära lag weit vor der Zeit Rahons, und inzwischen erinnerte sich niemand mehr an den ursprünglichen Anlass der Fehden unter den Stämmen, von denen nur noch diese zwei geblieben waren. Die fehlende Erinnerung war längst ersetzt durch einen allgemeinen Hass gegen ,die Fremden’, die nicht zum eigenen Stamm gehörten, und daher keinen Anspruch hatten auf die immer weniger werdenden Oasen.

      „Geht – und verdrängt das eure vom Allsein! Ich werde den Stamm zusammenrufen, um das Unvermeidliche in ihnen vom Allsein zu trennen!“, sagte Rahon knirschend. „Wir werden mit der nächsten Sonne aufbrechen, um in ihrem Untergang die verbotene Stätte zu bemessen!“

      Ohne weitere Worte ließ er die Gruppe stehen und verließ den Ort des Geschehens. Er ging in sein Revier, um das 'Lange Horn' zu blasen, dessen weitreichender Ton den Stamm aufrief, sich auf dem Versammlungsplatz Zargos einzufinden.

      ~*~

      Entdeckungen

      Mo hatte die Führung übernommen. Sie schritt voran, wie es jemand tut, der keinen Zweifel an der einzuschlagenden Richtung hat. Ab und zu verharrte sie einen Augenblick und schien in das weite Land hineinzuhorchen – machte dann zuweilen einen harten Schlenker und änderte die Richtung. Das war aber kein Ausdruck von Orientierungslosigkeit, sondern ihr Gespür für die Grenzen der Reviere, die hier die verschiedensten Wesen wohl für sich in Anspruch nahmen, und die respektiert werden wollten. Weitere böse Überraschungen, wie die mit den Knüppelhörnern, galt es möglichst zu vermeiden.

      Es war ganz im Sinne Kishous, die sehr wohl Mos Verhalten verstand – wenn sie auch selbst nichts von dem bemerkte, was Mo immer wieder zu einer Korrektur der Richtung ihres Marsches veranlasste. Um so mehr versuchte sie ihre Augen möglichst überall gleichzeitig zu haben. Der Schrecken mit den Knüppelhörnern saß ihr noch tief in den Knochen, und sie hoffte sehr, dass ihnen eine Wiederholung erspart bliebe.

      Es tauchten dennoch immer wieder einmal irgendwelche, oft seltsam anmutende Wesen auf, wie sie Kishou niemals zuvor gesehen hatte. Nur in den wenigsten Fällen schienen sie etwas mit den Tieren gemeinsam zu haben, die sie von ihrem großen Garten her kannte. Sie wäre oft gern stehengeblieben, um sie genauer zu betrachten, aber sie wagte es nicht, um nicht womöglich im gemeinsamen Marsch von der Gruppe zurückzufallen. Sie hielt sich eher möglichst in der Mitte des kleinen Trecks auf – und natürlich auch noch an der Seite Boorhs. Hinter ihnen watschelte das Untere Squatsch – hin und wieder leise vor sich hinschimpfend, wenn er mit seinen kurzen Beinen irgendein Hindernis nicht so ohne weiteres überwinden konnte.

      Irgendwelche Geräusche waren immer zu hören. Entweder kamen sie von den zuweilen recht seltsamen Lauten der unzähligen Wesen, die dieses öde Land bewohnten, oder von brechenden kleinen Ästen der kahlen Bäume, die das Gewicht irgendeines Tieres nicht mehr zu tragen vermochten. Nicht zuletzt war da immer das Rascheln des trockenen, hohen Grases, das sie selbst oder irgendwelche Tiere verursachten, die in seinem Schutz verborgen die Steppe durchstrichen.

      Die