KISHOU II. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146002
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nicht enden wollendes Labyrinth. Unweit zur linken war die Landschaft hügeliger, und man konnte ausgedehnte Wälder erkennen, wenn man genau hinsah. Bald würden sie einen dieser Berge erreichen, die unaufhörlich dicke Rauchsäulen aus ihren Gipfeln schoben. Er lag fast in ihrer Marschrichtung, und sie würden wohl an seinen Ausläufern vorbeikommen.

      „Wieso gibt es hier eigentlich keinen Wind?!“, fragte Kishou laut nach Vorn zu Mo und Boorh. Sie beobachtete schon die ganze Zeit diese Rauchsäulen, bis ihr endlich auffiel, dass sie immerzu den direktesten Weg in den Himmel nahmen. „Ich hab’ eigentlich noch nie einen richtigen Wind verspürt, seit wir unterwegs sind – im ersten Drom auch schon nicht!?“

      „Der Wind ist verdrängt vom Allsein im Dritten Drom!“, antwortete Mo.

      „Im Dritten Drom?“

      „So ist es entschieden!“, war wieder Mos knappe Antwort.

      „Wieso erst im Dritten Drom?“, fragte Kishou verwundert. „Was hat denn das Drom mit dem Wind zu tun?“

      „Madame KA sagt, der Wind ist der Atem dem Großen Belfellands.“

      „Na schön ...!“, meinte Kishou schulterzuckend, aber wieso ist dann hier kein Wind. Wir sind doch hier auch im Großen Belfelland – oder wo?!“

      „Es ist entschieden, dass Große Belfelland atmet, wenn die Grenze des Zweiten Droms überschritten, und das Dritte Drom das Allsein verdrängt!“

      Kishous Stirn zog sich in Falten, und sie schüttelte verständnislos den Kopf. „Das soll nun wieder einer verstehen ... Manchmal hab’ ich das Gefühl, das Große Belfelland gibt’s gar nicht wirklich. Es ist einfach nur alles ein einziges großes Rätsel!“

      Mo schaute sich zu ihr um, und ein kleines Lächeln lag in ihrem Gesicht. Sie wartete, bis Kishou zu ihr aufgeschlossen hatte. "Seid ihr nicht gekommen, es zu lösen?", sagte sie, und legte ihr weißes Gewand um die Schulter Kishous. So gingen sie gemeinsam weiter. Kishou spürte einen warmen Schauer durch ihren Körper gleiten. Sie erinnerte sich an Trautel Melanchful, an ihren bunten, großen Garten ... und an ihr kleines Bäuchlein, das sich gerade sehr wohl fühlte. „Wir bleiben doch immer zusammen – oder?!“, fragte sie leise, und reckte ihren schwarzen Schopf fragend nach oben zu Mo.

      „So ist es entschieden!“, lächelte sie.

      ~*~

      Gebotene Distanz

      Tek warf seinen Spaten hinunter, und sprang dann selbst von dem letzten Ast des alten Baumes, der sich als stark genug erwies, sein Gewicht zu tragen. Er war glücklicherweise recht klein und nicht besonders schwer, so das er einen Baum fand, den er ein Stück weit erklimmen konnte. Von dort oben hatte er die weite, kahle Steppe einigermaßen gut übersehen können.

      Seit dieses wunderliche Wesen mit ihren Gefährten das Ufer des ehemaligen Sees dort, wo der Wald endete, verlassen hatte, und nun mit ihnen Land einwärts lief, konnte er nicht mehr folgen, ohne Gefahr zu laufen, bemerkt zu werden. Es gab in dieser öden Weite keine Deckungsmöglichkeiten So musste er ausharren, bis sie sich weit genug entfernt hatten. Er hatte aus sicherer Entfernung mit angesehen, wie die Sechsfüßler über das Land brachen, und die seltsamen Wesen direkt in sie hineingerieten. Es verging eine ganze Weile, bis sich die Staubwolke wieder gelegt hatte. Ungläubig erkannte er vier kleine Punkte, die sich noch immer in der selben Richtung bewegten. Was mochten das für Wesen sein, die den Ansturm tausender großer Sechsfüßler widerstanden?

      Tek war ein Dompteur – und er spürte immer deutlicher, dass er der Ursache seines Seins begegnet war. So, wie alles im Großen Belfelland nicht ohne Ursache war, so konnte auch sein Erscheinen in dieser Welt nicht ohne Ursache sein – er verstand sie nur noch nicht. Er verstand noch nicht, was dieses Wesen von ihm forderte, ... und ob er sich zu erkennen geben durfte.

      Er nahm seinen Bogen auf, den er vor dem Baum abgelegt hatte, und begab sich hinaus in die Steppe. Von hier unten konnte er sie nicht mehr sehen, aber er wusste in welche Richtung er zu gehen hatte – und er wusste, dass er sie nicht verlieren durfte. Etwas geduckt lief er durch die offene Ebene, und folgte gradlinig den Weg, den auch die anderen genommen hatten.

      Als er schon eine Weile den Ort überschritten hatte, an dem die Gruppe von den Sechsfüßlern überrollt wurde, stockte er. Es war das Gespür des Dompteurs, der ihm Einhalt gebot.

      Seine Augen musterten konzentriert den Boden in seiner näheren Umgebung. Sein Körper fror ein und seine Muskeln spannten sich. Langsam zog er seinen Spinschuh von der Schulter und streifte ihn über die rechte Hand. Er wusste, dass er in das Revier eines Rjuchhu eingedrungen war. Tek war noch sehr jung, aber der Instinkt eines Dompteurs ist keine Frage des Alters.

      Das Rjuchhu würde auch ihn in diesem Moment spüren. Sie wussten beide voneinander in dem selben Moment, als ihre Reviere aufeinandertrafen. Er hatte den Ort bereits ausgemacht, unter dessen Boden sich, knapp unter der Oberfläche, das Rjuchhu verbarg. Er musste schon sehr lange dort lauern, denn die Erde unterschied sich kaum noch von seinem Umfeld. Nur das Gespür eines Dompteurs sah noch den feinen Unterschied.

      Etwas in Tek schreckte plötzlich auf, und riss ihn aus jener konzentrierten Trance, mit der sich der Dompteur auf den Kampf vorbereitet. Wie von einem unsichtbarem Seil gezogen, bewegte er sich langsam Rückwärts.

      Er hatte das Revier des Rjuchhu wieder verlassen und blickte zum Horizont, der in der Entfernung von einem Feuerberg unterbrochen wurde. Er durfte keine Zeit verlieren, und er durfte vor allem nicht Gefahr laufen, auf sich aufmerksam zu machen. Es war nicht die Zeit für einen Kampf mit dem Rjuchhu. Langsam entspannte sich sein Körper wieder. Er zog den Spinschuh von seiner Hand und wendete sich entschlossen ab. Er umging das Revier des Rjuchhu, wie es zuvor auch Mo getan hatte. Geduckt nahm er die Verfolgung wieder auf.

      ~*~

      Kurluk

      Kishou, Mo, Boorh und das Untere Squatsch hatten die ersten Ausläufer des Feuerbergs erreicht. Der Weg wurde steiniger und stieg langsam an. Vereinzelt standen verkrüppelte Baumskelette herum, und kündeten von dem zur Linken, in der Entfernung sichtbar beginnenden Wald. Die Erde war über und über bedeckt mit großen und kleinen Felsbrocken. Sie waren zum Teil sehr zerklüftet, porös und von dunkler Farbe. Viele von ihnen waren stark abgerundet und regelrecht zu Kugeln geformt. Sie mochten einst vom Berg heruntergerollt, und sich abgeschliffen haben.

      Kishou starrte fasziniert zum Gipfel des Berges, der ihr erschien, wie ein überdimensionaler Schornstein. Sie betrachtete die schwarze, säulenförmige Rauchwolke, wie sie die Strahlen der Sonne zerschnitt, und einen langen Schatten über das Land warf – als ihr Mos Arm, in dem sie noch immer eingehakt neben ihr lief, entglitt.

      Mo war plötzlich stehengeblieben, und schien auf irgend etwas konzentriert. Kishou schaute um sich. Sie erwartete, dass Mo wieder einmal die Richtung wechseln würde, was immerhin seit ihrem Zusammentreffen mit dem Rjuchhu nicht mehr geschehen war. Doch Mo machte keine Anstalten, den Marsch in irgendeiner Richtung fortzusetzen. Ihr Kopf wendete sich langsam nach links, und ihre Augen bestrichen aufmerksam das grobe Umland.

      „Was ist denn?“, fragte Kishou etwas besorgt.

      „Es ist eine Grenze überschritten!“, antwortete Mo abwesend, während ihre Augen weiter die Umgebung zu ihrer Linken abtasteten.

      „Eine Grenze?!“, erschrak Kishou, „Suäl Graal? ... ich seh’ nix – auch keine Pyramiden ...!“ Sie drehte sich aufgeregt im Kreise und suchte nach den möglichen Boten des Unheils. In dem Schreck vergaß sie ganz und gar, dass auch jedes Revier sich in einer Grenze bemaß – wie sie es bei den Knüppelhörnern ja bereits erfahren hatte.

      „Es ist ein Sein, dessen Raum eine große Zeit bemisst. Wir haben bereits die Grenzen seines Reviers überschritten!“, sagte Mo ohne von ihrer Konzentration abzulassen.

      „Aber ich seh’ nichts!“, stellte Kishou nervös fest, und begab sich vorsichtshalber in die Nähe Boorhs. „Vielleicht wieder unter der Erde ... Ein Rjuchhu!“, kam es ihr in den Sinn.

      Mo