KISHOU II. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146002
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schon setzte sich der lange Treck in Bewegung. Voran die Grabenmacher – mit etwas Abstand die Langen Schatten – und mit einem ordentlichen Abstand das Heer der Korks, wie Rahon es ihnen befohlen hatte. In der Bewegung war ihr Krächzen nicht abzustellen – aber das war sicherlich nicht der entscheidende Grund, sie auf diese Distanz zu halten.

      ~

      Unlösbares Rätsel

      Das dunkle Vlies der Nacht legte sich über das Drom, und die Fackeln loderten auf. Ihr trockener Zunder zog überall eine Spur glimmenden Goldregens hinter sich her. Wie ein leuchtender Wurm schlängelte sich das lange Band des ungleichen Trupps durch die Hügel der kargen Landschaft.

      Die Langen Schatten hatten die besten Fährtensucher. Sie waren seit Urzeiten, als man noch nach anderem jagte als nach Grabenmachern, legendär unter den Afetiten. Sie würden Tek finden – und mit ihm Kishou, daran gab es keinen Zweifel.

      Rahon versuchte sich die Macht eines einzelnen Wesens vorzustellen, das eines solchen Kampfheeres bedurfte, um vernichtet zu werden. Er erinnerte sich an die alten Legenden, die vom Kampf der Afeten gegen Suäl Graal erzählten. Auch damals waren die Korks ihre Verbündeten – sie waren zu eben jenem Zweck von den Ky erschaffen worden. Nur einer Suäl Graal stellte man ein solches Heer entgegen, und nur sie hat die Macht, einer solchen Kraft zu widerstehen ...

      Rahon konnte das Rätsel nicht lösen.

      ~*~

      Die Sechsfüßler

      „Wenn ich so drüber nachdenke, ist es mir eigentlich ein Rätsel, das bis jetzt alles gut gegangen ist!“

      „Wie entscheidet ihr?!“ Boorhs zottige Augenbrauen schoben sich verwundert nach oben, und gaben ein paar runde schwarze Knopfaugen preis.

      Sie waren mehr als die Hälfte des Tages an dem ehemaligen See entlang marschiert, dessen Ufer von dem toten Wald gesäumt wurde, den sie am Abend zuvor verlassen hatten. Der Marsch blieb ebenso ungestört, wie jener durch den Wald. Das kahle Ufer war wohl auch nicht sehr attraktiv für die Wesen dieses Droms, um sich dort häuslich niederzulassen. Irgendwann endete das Waldgebiet, und sie verließen das Ufer und drangen nun wieder ins Landesinnere vor. Die Landschaft war nun sehr flach und steppig. Unzählige Gerippe von ehemaligen niedrigen Büschen staken in dem von der Sonne und der Trockenheit zerrissenen harten Boden.

      „Na ja – ich meine, wenn ich so drüber nachdenke ... Suäl Graal hat doch so eine riesige Macht. Die kann ganze Berge durch die Gegend kullern; die Erde beben lassen, dass alles zusammenfällt. Sie kann die Zeit verrückt spielen lassen, und lässt Feuer vom Himmel fallen ... wer weiß, was sie noch alles kann!“

      „Boorhs Augenbrauen rückten noch eine Etage höher.

      „Na ja – ich meine ... wir haben bis jetzt immer großes Glück gehabt. Aber wieso?!“

      Boorh kratzte sich nachdenklich unter seinem Bart. „Boorh entscheidet: Boorh kann das Wort ,Glück’ nicht vollkommen bemessen und vom Allsein trennen. Doch Boorh entscheidet: Ihr seid Kishou, die Bezwingerin Suäl Graals und Befreierin der Großen Wasser. Suäl Graal hat keine Macht über euch!“

      „Ach Boorh ...!“, maulte Kishou „Das sagst du immer so leicht. Aber das ist doch alles eigentlich nur verrückt ... Warum lässt Suäl Graal nicht die ganze Zeit Feuer vom Himmel fallen, die Erde beben, und was weiß ich noch alles. ... wenn sie das doch kann. Wie lange würden wir das überstehen? Wieso hört es irgendwann immer wieder auf, und dann passiert wieder eine ganze Weile nichts? Wieso lässt sie mich überhaupt soweit kommen ... Das ergibt doch eigentlich gar keinen Sinn!“

      Boorh wühlte nach wie vor in seinem Bart. „Boorh entscheidet: Suäl Graal, die Hüterin der Großen Tore der Großen Wasser und Herrscherin über alles was da ist, würde eure Niederlage vom Allsein verdrängen – wenn sie es vom Allsein trennen könnte. Boorh entscheidet: Suäl Graal kann aber nicht!“

      Kishou musste lachen. „Suäl Graal kann aber nicht!“, äffte sie Boorh kichernd nach. „So einen einfachen Satz hab’ ich ja noch nie von dir gehört. Klingt gar nicht wie Boorh!“

      Boorh grinste nur und strahlte.

      „Nein – aber trotzdem ...!“, wurde sie nun wieder ernster. „Irgendwas stimmt da nicht. Es ist alles irgendwie ... Ich weiß auch nicht. Ich meine ... es muss einen Grund geben, dass sie ihre Macht nicht ununterbrochen ausspielt. Und wenn du recht haben solltest, und sie es tatsächlich nicht kann, ... was wohl kaum vorstellbar ist – müsste es auch einen Grund dafür geben? ... aber ich kann mir beim besten Willen nix vorstellen!“ Sie seufzte laut auf. „Na ja – is’ ja auch egal. Besser so als anders!“, grinste sie etwas gequält.

      Mo hielt in diesem Moment in ihren Marsch inne. Es war ja nichts Ungewöhnliches, und Kishou erwartete mal wieder einen Schwenk nach links oder rechts – doch der kam dieses mal nicht. Mo stand einfach nur da und lauschte ins Land.

      Die anderen waren inzwischen auf ihre Höhe aufgerückt und Kishou blickte angestrengt in die Richtung, die Mo fixierte. Die streckte in diesem Augenblick ihren Arm nach vorn und wies zum Horizont vor ihnen, und endlich erkannte Kishou den Grund ihres Verharrens – und sie meinte auch im selben Augenblick etwas zu spüren. Der harte Boden unter ihren Füßen schien etwas zu zittern.

      „Oh nein ... „ fiel es aus ihr heraus. Nicht noch Mal – ich hätte nicht davon reden sollen ...!“ Am Horizont erschien eine sehr breite, langgezogene Staubwolke, die schnell näher zu kommen schien. Kishous Kopf fuhr herum. Das Land war hier sehr flach, und bot keinerlei erkennbaren Schutz, und auch ein seitliches Ausweichen war nicht sonderlich erfolgversprechend, aber doch ohne Alternative. „kommt schnell!“, rief sie, und wollte schon loslaufen, als sie von Mo aufgehalten wurde.

      „In Mo ist entschieden, es verdrängt keine Zeit der Flucht das Allsein an diesem Ort!“, sagte sie in erstaunlicher Beherrschtheit, obwohl selbst in ihrem Gesicht so etwas wie eine Spannung abzulesen war. „Es ist entschieden in ihnen, diesen Ort zu bemessen. In Mo ist entschieden, dass sie nicht sein können, wo Mo ist!“

      „Sie?!“, fragte Kishou aufgeregt „Wer ist ,Sie’?!“

      „Sechsfüßler!“, erklärte das Untere Squatsch in unaufgeregter Sachlichkeit. „Es verdrängen dort Sechsfüßler das Allsein - ,große Sechsfüßler‘. Es gibt auch ,kleine Sechsfüßler‘, aber das da sind ,große Sechsfüßler‘, Ja, ja. ,Große Sechsfüßler‘!“

      Ein klein wenig atmete Kishou innerlich auf, denn es war etwas, das ihren Gefährten offenbar nicht unbekannt war, und es klang immerhin nicht nach ein Angriff Suäl Graals. Andererseits sah es ja nun dadurch nicht gerade weniger bedrohlich aus, was da auf sie zukam ... „Hat Suäl Graal die geschickt?!“, fragte sie doch noch einmal vorsichtshalber nach.

      „Nein ... nein – nicht sehr wahrscheinlich. Nicht Suäl Graal!“, entschied das Untere Squatsch, und wiegte seinen runden Kopf hin und her. „Große Sechsfüßler! Es verdrängen dort große Sechsfüßler das Allsein. ... Nicht sehr ungewöhnlich an diesem Ort. Nicht sehr ungewöhnlich! Solche Zeiten verdrängen immer wieder mal das Allsein. Nichts ungewöhnliches!“ Er machte eine abschätzige Geste. „Es sind große Erscheinungen, aber haben nur wenig Raum – sehr, sehr wenig Raum. Aber sie trennen sich vom Allsein in großen Herden. Viele kleine Räume – sehr dicht das Allsein verdrängend – sind dann doch ein großer Raum. Ein sehr großer Raum!“ Er machte eine Handbewegung über den Horizont mit seinen kurzen Ärmchen und zuckte bedauernd mit den Schultern.

      Die Tiere waren inzwischen so nahe gekommen, dass Kishou sie erkennen konnte – und es war alles andere als beruhigend, was da auf sie zukam. Sie hatten eine stattliche Größe, waren bullige Erscheinungen auf sechs Beinen, und wohl deshalb so schnell. Es mussten Tausende sein, die da auf einer weit auseinandergezogenen Front direkt auf sie zukamen. Kishou klammerte sich an den Arm Boorhs und schaute mit großen Augen auf das nahende Unheil. „Und was machen wir jetzt?!“, rief sie ängstlich gegen das ansteigende Grollen der Hufschläge.

      Die