KISHOU II. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146002
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      „Es ist vielleicht besser – vielleicht ist es angemessener, wenn ihr einige Schritte zurücktretet!“, vernahm sie statt dessen das Untere Squatsch an ihrer Seite. „Einige Schritte hinter Boorh und Mo ... und vor meine Wenigkeit! Es ist doch eine sehr schmutzige Sache die da das Allsein verdrängt! – eine sehr schmutzige Sache! Immer dasselbe – sehr unangenehm!“

      Er zog Kishou etwas zurück, dass sie hinter Boorh und Mo stand, und ging dann selbst noch einige watschelnde Schritte hinter sie.

      Kishous Herz schlug bis zum Hals, und sie starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die rasende Lawine aus bulligen Leibern. Sie hatte keine Ahnung, wie sie dem Unheil entkommen sollten. Einzig die Ruhe der anderen hielt ihre aufkommende Panik im Zaum.

      Mos Augen waren geschlossen, und sie erhob in diesem Moment ihren rechten Arm. In Einhalt gebietender Geste streckte sie ihre Handfläche den Tieren entgegen. Obwohl die Geste als Solche eindeutig war, erschien sie doch eher lächerlich, gemessen an dem zügellosen Ansturm der riesigen Herde. Kishou schaute nervös hinter sich, um sich zu vergewissern, dass das Untere Squatsch hinter ihr war. Sie sah in eine flirrende Kugel mit einem grell leuchtenden Kern, dass sie geblendet die Augen schießen musste. Als sie wieder vor sich sah, konnte sie im Nachbild des Lichtes, zwischen Mo und Boorh hindurch gerade noch sehen, wie die Wand aus heranstürmenden Leibern sich plötzlich teilte, als wollte sie nach links und rechts ausweichen. Sie waren vielleicht noch 500 Schritte von ihnen entfernt.

      Sie wollte gerade erleichtert aufatmen, als sich in diesem Moment die rasende Meute jedoch wieder vereinigte und erneut ungebremst auf sie zukam. Ein gellender Schrei entfuhr ihrer Kehle, der aber von dem Donnern der Hufen verschluckt wurde. Zu Tode erschrocken schlug sie die Arme vor ihr Gesicht, als die Körper schon fast über ihnen waren. Ohrenbetäubender Donner erfüllte die Luft von allen Seiten her kommend. ... Von allen Seiten?

      Kishou blinzelte an ihren schützenden Armen vorbei. Was sie sah war so unwirklich wie wunderbar. Kurz vor ihnen teilte sich die Herde erneut in zwei Teile, als würde man einen Keil in diese Wand getrieben haben. Sie stoben mit atemberaubender Geschwindigkeit vor ihnen auseinander, und an ihnen vorbei.

      Ungläubig schaute Kishou um sich. Sie trieben, wie auf einer uneinnehmbaren Scholle, in einem Meer von dickwanstigen Leibern, die sich hinter ihnen sofort wieder vereinigten.

      Mo stand unbeweglich wie eine Statue, und ihre Handfläche stand wie ein scheinbar unbezwingbares Schild den Gewalten entgegen. Nur ihr weißes Gewand bewegte sich, wie in einem Orkan. Boorh stand mit gerüsteter Axt reglos neben ihr, und das zottige Haar machte einen wilden Tanz auf seinem Haupt.

      Kishou hustete, und hielt sich wieder die Hände vor das Gesicht. Unmengen von Sand und Staub wurde aufgewirbelt und nahmen ihr den Atem. Endlich ließ sie sich auf den Boden fallen und schlug ihre Jacke über ihren Kopf ...

      Das Inferno schien von endlose Dauer, und doch war es so plötzlich vorbei, wie es hereingebrochen war. Sie lugte vorsichtig unter ihrer Jacke hervor. Eine dicke Staubwolke lag in der Luft, aber vor den Tieren war nichts mehr zu sehen. Das Donnern der Hufen war nur noch hinter ihnen – und entfernte sich mehr und mehr.

      Sie hustete und schüttelte ihr langes Haar, um den Sand wieder loszuwerden – erhob sich, und klopfte die Kleider ab. Der Staub lichtete sich schnell, und Augenblicke später war der ganze Spuk bereits wieder vorbei.

      Mo hatte ihre Hand wieder heruntergenommen, und hinter sich vernahm Kishou ein leises, aber ungehaltenes Schimpfen. Das Untere Squatsch hatte wieder seine normale Gestalt angenommen und hielt einen ungebremsten Vortrag über die immer-wieder-gleiche-Sauerei mit diesen Massenverdrängungen, während es verzweifelt versuchte, sein Sakko vom Staube zu befreien. Dem folgte dann die gewohnte erschrockene Entschuldigung, als er bemerkte, wie ihn Kishou grinsend dabei beobachtete. Sie fühlte sich befreit und erleichtert, und schaute mit Bewunderung zu Mo. „Wie hast du das gemacht? – oder besser: wie hast du denn das entschieden – ... oder vom Allsein verdrängt, oder sowas – wie ihr das so sagt!“, fragte sie in der Ausgelassenheit tiefster Erleichterung, und doch ehrlich schwärmend.

      Mo lächelte, als sie Kishou so sah, aber es war auch eine kleine Verwunderung in ihrem Gesicht zu lesen. „Mo entscheidet nicht, Mo ist entschieden, und Mo verdrängt nicht das Allsein, in Mo ist das Allsein verdrängt. So kann nicht sein ein Anderes, wo Mo ist – so wie nichts die Zeit und den Raum Kishous füllen kann, was nicht Kishou ist.“

      „So entscheidet Boorh!“, nickte der bestätigend.

      „Und so ist es entschieden!“, lächelte Mo sanft.

      „Und so verdrängt es das Allsein!“, setzte das Untere Squatsch fort, während er noch immer an seinem Sakko herum klopfte.

      „Und so ist es vom Allsein verdrängt!“, schloss Mo die Runde.

      Kishou schaute zweifelnd von einem zum anderen. „Habt ihr lange gebraucht, um dass zusammen einzuüben?“ Fragte sie ausgelassen. „Ich bin nur froh, dass es nicht Suäl Graal war. Ich wittere sie schon hinter jedem Baum!“ Sie schüttelte noch einmal kräftig ihre Mähne, in der Hoffnung, den Sand doch noch wenigstens einigermaßen heraus zu bekommen!“ Wie lange brauchen wir denn noch bis ... äh ... Dingsda ... zu der Oase?!“

      „Ihr meint Sahier!“, fragte Mo.

      „Nun ...!“ Das Untere Squatsch wiegte überlegend seinen Kopf hin und her. „... zweimal wird die Sonne das Allsein verdrängen – zwei Mal!“

      „Puh – dann wird es aber auch langsam Zeit!“, seufzte Kishou, und klopfte bezeichnend auf ihr abgemagertes Bündel. „Und diesen ... diesen ... na du weißt schon – was du suchst!“, wende sie sich an Boorh. „Wo werden wir es finden – vor, oder nach Sahier?“

      „Kurluk!“, erriet Boorh sofort.

      „Ach ja ...!“ Kishou verdrehte die Augen. „Wer soll sich das alles merken!“

      „Mo ist noch nicht vollkommen entschieden, wo es das Allsein verdrängt!“, meinte Mo.

      „Oh nein – oh doch ...!“, griff das untere Squatsch ein. Noch bevor wir Sahier vom Allsein verdrängen, ist die Zeit Kurluks. Bald schon ist die Zeit – bald schon!“ Er wiegte nachdenklich seinen Kopf. „... zumindest ungefähr – ungefähr bald schon!“

      Boorhs Augen blitzten auf. „Boorh entscheidet: ,bald schon‘ ist ,gut’!“

      Die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung. Kishou bemerkte, dass Mo allerdings nicht die selbe Richtung beibehielt, sondern etwas weiter nach rechts auswich. Verwundert fragte sie nach, warum sie die Richtung änderte. Das Land war flach und übersichtlich, und weit und breit war nichts zu sehen, dem es auszuweichen galt.

      Mo wies in die Richtung, aus der die Sechsfüßler kamen. „Erinnert ihr euch, als die großen Sechsfüßler sich das erste Mal trennten, und sich doch wieder vereinten?!“

      „Allerdings!“, schnaufte Kishou. „Mir ist fast das Herz stehengeblieben!“

      „Es verdrängt noch ein anderes Wesen dort das Allein, dessen Revier sie schonten!“

      „Wie ...? aber da war doch nichts – das hätten wir doch längst sehen müssen!“

      „Seine Zeit ist bemessen in der Erde – doch sehr dicht an deren Oberfläche!“, verriet Mo.

      „Unter der Erde, meinst du?!“, staunte Kishou. Aber dann muss es ganz schön groß sein, nach dem Bogen zu urteilen, den die Sechsfüßler um die Stelle gemacht haben. Was lebt denn da unten – in der Erde?!“

      „Das Rjuchhu!“, war Mos knappe Antwort.

      „Ein Rjuchhu?!“, erschrak Kishou. Alles was sie bisher von diesem Wesen gehört hatte, war geneigt, ihr gehörigen Respekt einzuflößen. Sie blickte angestrengt zu der Stelle, wo sie meinte, dass es ungefähr gewesen ist – aber es war auf diese Entfernung beim besten Willen nichts zu erkennen.

      Der Rest des Tages verging schnell, ohne das noch etwas außergewöhnliches geschehen wäre. Todmüde, wie immer nach den endlosen