Der schottische Lord. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754177068
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darum muss ich jetzt schon eine gefühlte Ewigkeit am Gang warten. Es wird langsam hell. Ich stehe am Fenster und verstehe die Welt nicht mehr, als endlich ein Arzt auf mich zukommt.

      „Mr. Stewart?“, meint er und lächelt freundlich.

      Scheiße, ich kann nicht lächeln.

      „Wie geht es ihnen?“, frage ich ungeduldig. „Kann ich rein?“

      Er erklärt mir die schwerwiegenden Verletzungen, die sowohl Kendra als auch Peter haben. Ich glaube nicht alles zu verstehen, mir wird kurz flau. Sie liegen im Koma und die nächsten Stunden werden zeigen wie es weiter geht. In meinem Kopf dreht sich alles.

      „Kann ich rein?“, wiederhole ich.

      „Kurz. Wirklich nur kurz. Sie brauchen jetzt Ruhe damit sich die Funktionen im Körper wieder stabilisieren können.

      „Ja. Sicher“, stammle ich und folge ihm.

      Kendra liegt ganz ruhig da. Blass. Durchsichtig. Sie hat viele Schnitte im Gesicht und an den Armen. Es zerreißt mich sie so zu sehen. Verletzt. Hilflos. An einem Haufen Schläuchen hängend. Sie darf nicht leiden. Ich sehe sie an und fühle mich fürchterlich. Dann streiche ich noch über ihre Hand und gehe zu Peter. Sein Hals ist stabilisiert, einige Wirbel sind gebrochen. Man kann noch nicht sagen, wie sich das auf seine Motorik auswirkt. Man müsse abwarten, was die nächsten Tage bringen. Ich verlasse das Krankenhaus nur ungern, aber ich verstehe auch, dass ich nichts ändern kann und die beiden Ruhe brauchen. Voller wirrer Gedanken in meinem Kopf fahre ich zurück zum Castle. Warum war sie mit Peter unten an der Küste unterwegs? Ich verstehe das einfach nicht. Mein ganzer Körper fühlt sich taub und gefühllos an. Ich halte vor dem Castle und sehe auf die grauen Gemäuer die im dämmrigen Licht mystisch aussehen. Mein Kopf ist voll und gleichzeitig leer. Ich gehe in Haus und habe ganz vergessen, dass Holly wegen Vater hiergeblieben ist. Ich bleibe mit Abstand vor ihr stehen, sie ist in Vaters Sessel eingeschlafen. Sie sieht ganz friedlich aus, irgendwie beruhigt mich das gerade, keine Ahnung warum. Ich gehe näher und streiche sanft über ihre Schulter, als sie die Augen aufreißt. Sie sieht mich an, als stünde der Allmächtige vor ihr und springt fast panisch auf.

      „Tavis…Entschuldigung…Ich bin wohl kurz eingenickt…“ Nach Luft schnappend weicht sie zurück, sinkt dann aber wieder in den Sessel. Dieses Spiel das sie treibt kann ich nicht aushalten. Es ist ein kindisches Benehmen, ich verstehe es nicht, schon gar nicht nach dieser Nacht. Zurückweichen, wegschauen, davonlaufen. Keine Ahnung was mit dieser Frau nicht stimmt.

      „Danke, dass Sie hier waren“, sage ich darum bestimmt. Mir ist lieber, wenn Sie jetzt geht, sonst rege ich mich noch mehr auf. Jetzt sieht sie mich auf einmal an. Aber schon wieder mit einem vorwurfsvollen Beigeschmack. „Das ist doch selbstverständlich. Wie geht es Peter und ihrer Frau?“, fragt sie, was wie eine Pflichtfrage klingt.

      „Nicht gut. Sie liegen beide im Koma“, entgegne ich trocken.

      Ihr Blick verändert sich. „Oh mein Gott…Das ist ja fürchterlich…“, murmelt sie und steht auf.

      „Kendra hat schwere innere Verletzungen. Peter ebenfalls, aber er hat zusätzlich noch ein paar gebrochene Wirbel.“

      Wieder sieht sie mich an. Mitleidig vielleicht. „Wenn ich etwas tun kann“, sagt sie leise.

      „Was sollten Sie denn schon tun können?“ Ich gehe zum Barwagen. Wenn sie nicht gleich geht, drehe ich durch. Ich kippe einen großen Schluck Whisky hinunter. Sie steht immer noch gleich da. Los geh schon…Ich verdrehe die Augen, aber so, dass sie es nicht sieht.

      „Auch einen?“ Ich schenke mir noch ein Glas ein, sie schüttelt den Kopf.

      „Und Sie sollten das besser auch lassen, Sie brauchen jetzt einen klaren Kopf.“

      Oh Gott. Eine Bestimmerin. Ich hasse Frauen die immer alles kontrollieren wollen, vor allem das, was sie nichts angeht. Kein Wunder, dass sie Probleme mit ihrem Ehemann hat. Das kostet mich nur einen Lacher. Ich leere mein Glas. Sie dreht sich um und geht. Eingeschnappt wie mir scheint.

      „Warum fährt meine Frau mitten in der Nacht mit meinem Bruder im Auto herum?“, rufe ich ihr nach. Sie bleibt stehen und dreht sich noch einmal um. Sie sieht mich zwar nachdenklich an, zuckt aber nur mit den Schultern.

      „Ihr Frauen wisst doch immer auf alles eine Antwort. Was machen die beiden zusammen unten an der Küstenstraße?“, wiederhole ich vielleicht etwas zu laut.

      Sie hebt ihr Kinn ungewohnt selbstbewusst an und verlässt ohne eine Antwort auf meine Frage das Haus.

      „WARUM?“, sage ich laut zu mir selbst. „Warum…“ Dann kann ich nicht mehr. Ich sinke zusammen und habe das Gefühl alles bricht unter mir zusammen.

      Kapitel 8

      Seit zwei Tagen habe ich das Gefühl rund um die Uhr wach zu sein. Inzwischen bin ich nicht mehr müde, aber dafür drehe ich langsam durch. Ich versuche gleichzeitig zu telefonieren, am Gut alles zu regeln und auf Vater aufzupassen, wobei mir letzteres fast den Verstand raubt. Dazu denke ich ständig über Kendra nach und ich mache mir schreckliche Vorwürfe im Streit mit Peter auseinander gegangen zu sein. Mittlerweile will ich einfach nur, dass er so schnell wie möglich die Augen aufmacht. Denn ich will endlich wissen, warum er mit meiner Ehefrau zusammen war. Gut, es ist nicht so ungewöhnlich, wir leben hier alle unter einem Dach, vielleicht hat er sie nur wo aufgelesen, aber trotzdem ergibt im Moment nichts einen Sinn für mich. Eliza tauscht die Blumen am kleinen Tisch vor dem Kamin und lächelt mich an. Das tut sie zwar immer, aber in den vergangenen Tagen ist so viel Mitleid dabei.

      „Kommt denn deine Mutter?“, fragt sie vorsichtig.

      Meine Mutter. Ich atme durch. „Wozu?“

      „Bitte verstehe mich nicht falsch Tavis, ich bin gerne da wenn du mich für deinen Vater brauchst, aber ich kann das manchmal nur schwer mit meinen anderen Arbeiten vereinbaren. Und Peter ist ihr Sohn. Sie sollte wissen, was hier los ist.“

      Ich klappe meinen Laptop zu. „Ja. Ich rufe sie an. Damit sie weiß was los ist, aber ich werde einen Teufel tun, sie zu bitten hierherzukommen.“

      Eliza senkt ihren Blick und seufzt.

      „Und ich werde eine Pflegerin einstellen, Dr. Scott hat bestimmt Kontakte“, füge ich harsch hinzu. Sie zuckt mit den Schultern und lächelt immer noch mit gesenktem Blick. Gott wie ich das hasse. „Sag schon Eliza, raus damit. Ich weiß, dass dir etwas auf der Zunge brennt.“

      „Dein Vater ist krank, die ganze Situation hier ist schon belastend genug und du weißt wie sehr er Pflegepersonal hasst. Glaubst du das ist richtig?“

      Ich springe auf und schüttle den Kopf. „Keine Ahnung! Aber ich kann das nicht allein machen, das schaffe ich einfach nicht und meine Mutter…Nein. Sie ist gegangen. Schluss damit!“ Meine Stimme ist viel zu laut, was mir schon wieder leidtut, denn sie ist die einzige die immer für mich da ist und war. Ich atme durch und gehe näher zu ihr. „Entschuldige…“, stammle ich.

      „Holly ist Krankenschwester. Dein Vater mag sie sehr gerne und sie ihn auch“, meint sie und streicht über meinen Arm.

      „Sie ist Krankenschwester?“, frage ich nach.

      Sie nickt und lächelt schon wieder. „Ja, sie war lange Intensivkrankenschwester und auch in der häuslichen Pflege tätig. Sie hat sich zuletzt aufopfernd um ein todkrankes Kind gekümmert. Sie ist perfekt würde ich sagen.“

      Ich verschränke nachdenklich meine Arme vor der Brust. Perfekt. Naja. Sie ist komisch drauf, aber Vater ist auch schräg drauf, vermutlich also doch perfekt. Sie scheinen irgendwie auf der gleichen Wellenlänge zu sein. „Aber sie wollte doch abreisen?“, meine ich nachdenklich.

      „Vielleicht sucht sie nach einer Aufgabe, ich habe nicht das Gefühl, dass sie so unbedingt nach England zurückwill. Frag sie einfach.“

      „Ja.