Der schottische Lord. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754177068
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das mache ich heute nicht zum ersten Mal. Nein, ich mache es seit Jahren. Immer wieder. Jedes einzelne Mal, wenn ich eine andere gevögelt habe. Ich werde dabei weder rot, noch stockt meine Stimme. Meine Lügen sind Standard geworden. Sie gehen mir ganz einfach von den Lippen und doch fühle ich mich tief in meinem Innersten mies. Ich lächle sie an und diese Geste meine ich ganz und gar ehrlich, auch wenn sie sich schon umdreht um mein Zimmer zu verlassen.

      „Gute Nacht. Aber wir frühstücken morgen gemeinsam, ich muss erst gegen zehn weg“, rufe ich ihr noch nach, was sie nickend zur Kenntnis nimmt. Ich steige unter die Dusche und lasse das heiße Wasser über meinen Kopf hinunterlaufen. Bis vor ein paar Stunden war Jess noch reizvoll. Ziemlich reizvoll sogar. Sie ist offensiv im Bett und dabei auch noch ganz schön einfallsreich. Keine Ahnung, aber heute war plötzlich alles anders. Kurz vor dem Höhepunkt fühlte es sich nicht mehr richtig an. Meine Hände auf ihrem unechten Busen und der Blick in ihre von der üppigen Schminke verschmierten Augen. Nein. Es fühlte sich scheiße an. Falsch. Ich stemme meine Hände an die kalte Fliesenwand und atme mit geschlossenen Augen durch. Nachdem ich mir endlos lange die Zähne geputzt habe, lasse ich mich ins Bett fallen. Wieder einmal bin ich froh, dass Kendra ihr eigenes Zimmer hat. Auch wenn es mir anfänglich falsch vorkam, jetzt macht es Sinn. Als sie vor ein paar Jahren aus dem Schlafzimmer auszog war ich gekränkt, aber sie meinte es hat nichts mit mir zu tun. Sie braucht einfach Ruhe, besondere Laken und es darf nicht zu kalt oder gar zu hell im Raum sein. Mir ist es fast immer zu warm, die Laken sind mir egal, Hauptsache nicht zu dick und ich lasse Vorhänge und Fenster lieber offen. Inzwischen bin ich froh darüber. Ich kann einfach nicht neben ihr liegen und ihr etwas vorheucheln. Es ist gut so wie es ist. Ich bin für sie da, wenn sie mich braucht. Ich werde immer für sie da sein. Erschöpft schließe ich meine Augen.

      Kapitel 4

      „Du siehst müde aus Tavis. Ich glaube du solltest dir einmal ein paar freie Tage gönnen. Wir könnten nach Edinburgh fahren und meine Tante besuchen, was meinst du?“ Kendra hält mir das Körbchen mit den Toasts vor die Nase. Selbst stochert sie in ihrem veganen Breizeugs, keine Ahnung was das genau ist. Jedenfalls sieht es ungenießbar aus und riecht auch so. Ich sehe nicht nur müde aus, sondern fühle mich auch total Scheiße. Urlaub…Ein paar freie Tage…Sie hat absolut keine Ahnung was ich den ganzen Tag mache. Naja…Zum Glück nicht. Alles will und soll sie gar nicht wissen und ich bin froh, dass es so ist. Auch wenn ich außerehelichen Sex habe, es ändert nichts zwischen uns. Sie ist meine Ehefrau und das wird immer so bleiben. Alles andere ist unwichtig und bedeutet nichts. Ich nehme meine Verpflichtungen sehr ernst. Es ist nicht nötig, dass sie sich um irgendetwas Gedanken macht, oder sogar Sorgen. Ich greife nach ihrer Hand und lächle sie an. „Im Moment kann ich nicht verreisen. Du weißt doch, es ist Hochsaison. Ich habe die nächsten Wochen so viele Termine. Und ich muss auch noch für ein paar Tage nach New York, das habe ich dir doch schon erzählt.“

      Sie nickt und lächelt wieder. „Natürlich. Das Frühjahr ist immer so anstrengend.“ Ihre Worte klingen verständnisvoll, ich bin aber nicht sicher, ob sie es wirklich so meint.

      „Kendra…Habe ich nicht gleich einen wichtigen Termin?“, unterbricht Vater unser Gespräch. Ich atme genervt durch. Keine Ahnung wie sie das aushält. Immer und immer wieder die gleichen wirren Fragen. Ständig zu versuchen, seine kranke Welt zu verstehen, ich kann das nicht. Und trotzdem knie ich vor dem was sie leistet nieder. Mein Vater erträgt niemanden und hat in den letzten Jahren jegliches Pflegepersonal erfolgreich in die Flucht geschlagen. Kendra ist die einzige die er an sich heranlässt und auch akzeptiert. Seine Alzheimer Erkrankung hat sich im vergangenen Jahr rapid verschlechtert, doch sie kümmert sich mit einer liebevollen Leichtigkeit um ihn, dass ich oft ein schlechtes Gewissen habe. Ich bin eben ein Arsch. Er hat vergessen, dass sie damals der Auslöser für meinen Ausraster in der Fechthalle war. Er hat auch vergessen, dass ich ein Mörder bin. Niemand hier spricht mehr darüber, seit Jahren nicht, aber es ändert nichts. Ich werde es nie vergessen können und jeder Blick in den Spiegel erinnert mich daran. Da hilft auch der Bart den ich mir vor zwanzig Jahren wachsen lassen habe nichts, auch wenn er mittlerweile zum mir gehört. Kendra lächelt mild.

      „Ja natürlich. Der Termin.“ Sie greift nach seiner Hand und streicht fürsorglich darüber. „Wie gut, dass du mich erinnerst. Zuerst machen wir aber unseren Spaziergang.“

      Ich lege seufzend meine Serviette zur Seite und stehe auf. „Ich muss dann auch los. Es wird heute spät, also bitte warte nicht auf mich.“ Heute habe ich wirklich Termine, also richtig wichtige Termine, darum fällt es mir auch nicht schwer ihr einen zarten Kuss auf die Wange zu geben.

      „Ja gut. Dann pass auf dich auch“, nickt sie und sieht mich dabei mit dem Kendra Blick an.

      „Natürlich, ich ruf dich später an.“ Ich erwische mich wieder einmal dabei froh zu sein, aus diesem Haus rauszukommen. Allem Pflichtprogramm zu entkommen. Ich bin für sie da, aber ich bin kein richtiger Ehemann. Das liegt mir einfach nicht. Familie. Heile Welt. Kendra bedeutet mir alles und doch kann ich ihr nicht geben was sie braucht. Vor ein paar Monaten habe ich sie gefragt, ob sie glücklich ist. „Natürlich bin ich glücklich. Du bist doch alles für mich. Der wichtigste Mensch in meinem Leben“, hat sie gesagt. Danach hatten wir Sex. Das ist Monate her… Scheiße…

      „Tavis!“ Peter reißt mich knapp vor meinem Wagen aus den Gedanken. „Alter…Wo warst du denn gestern? Bei Jessi Jess der Superblondine?“ Er gibt mir einen Schubs und verdreht amüsiert die Augen.

      „Sag mal spinnst du jetzt total? Kümmere dich doch um deine knapp volljährigen Flittchen und lass mich zufrieden“, keife ich ihn an.

      „Komm schon, sei nicht so launisch, oder hat sie dich abblitzen lassen?“, schmunzelt er.

      Ich schüttle genervt den Kopf. „Ich habe sie abblitzen lassen. Es reicht langsam mit den Gegenleistungen“ Ich sehe über den großen Platz. „Kann es sein, dass der Tierarzt auf dich wartet?“

      „Klar. Der Lord wird nicht abserviert“, lacht er und gibt mir noch einen Schubs. Ich bin heute so gar nicht zum Scherzen aufgelegt. Natürlich weiß er, was läuft, er ist mein Bruder und mein bester Freund, aber immer ist mir nicht danach ihm alles zu erzählen. Er übertreibt gerne und macht aus allem ein riesen Ding, das liegt mir nicht. Die Sache ist vorbei und damit auch kein Gespräch mehr wert.

      „Kümmere dich um deine Angelegenheiten“, murmle ich und steige ins Auto. Ich werde jetzt einfach nur noch an meine Geschäfte denken. Von allem anderen habe ich wirklich genug im Moment.

      Kapitel 5

      „Hallo James“, sage ich zu unserem Verwalter und bin froh bald zu Hause zu sein. Es war eine unglaublich lange Woche in New York. Ich bin hundemüde und die Zeitverschiebung setzt mir wie immer zu. Die Amerikaner sind zwar gute Kunden, aber es kostet mich jedes Mal unglaubliche Anstrengung. Elendslange Meetings mit anschließenden Abendessen und nächtelangen Barbesuchen. Ich hasse es. Doch wenn es für einen guten Geschäftsabschluss nötig ist, beiße ich die Zähne zusammen. „Danke fürs Abholen“, füge ich noch hinzu.

      „Kein Problem. Mach ich doch gerne. Alles gut verlaufen?“, meint er meine Tasche in den Kofferraum stellend. Er ist die Seele des Castles, ohne ihn würde nichts funktionieren. Er weiß einfach alles und kennt jeden Winkel und unlösbare Probleme gibt es für ihn nicht. Ich schätze ihn und seine Arbeit, er ist einfach immer da. Genau wie seine Frau Eliza. Auch wenn ich das nicht immer so zeigen kann, sie sind wie eine Art Familie für mich.

      „Ja…Ich bin nur scheißmüde“, schnaufe ich und ziehe mein Handy aus der Sakkotasche. Ich lese die eingegangenen Mails und Nachrichten durch und checke die Anrufe. James erzählt mir währenddessen im Schnelldurchlauf was die vergangene Woche so los war. Von einer Stute die eine Kolik hatte, von den Feldern die heuer viel zu feucht sind, von einer Nichte die zu Besuch ist und dem irren Pferdemörder, der wieder eine Stute erwischt hat, diesmal zwar nicht bei uns, aber ich könnte beim Gedanken an dieses Schwein explodieren.

      „Wenn