Der schottische Lord. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754177068
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etwas nicht? Geht es Kendra schlechter?“, frage ich besorgt nach.

      „Ihr Gesamtzustand hat sich nicht verschlechtert, nein, aber ich habe leider trotzdem keine guten Nachrichten.“

      Ich sehe ihn verständnislos an.

      „Sie hat das Kind verloren, wir konnten leider nichts tun.“

      Mir bleibt die Luft im Hals stecken, alles dreht sich plötzlich. „Das Kind verloren?“, frage ich leise nach.

      Er sieht mich verwundert an. „Ja…Wussten Sie nicht, dass sie schwanger ist?“

      Schwanger. Scheiße. Sie war schwanger? „Nein.“

      „Oh. Das tut mir leid, sie war auch erst in der fünften oder sechsten Woche. Vielleicht wusste Sie es selbst noch nicht.“

      Ich nicke wortlos. Keine Ahnung was ich auch sagen sollte. Mir ist schlecht. Schwanger. Schwanger?! Von wem denn bitte? Mein Puls beginnt zu kochen und kriecht unaufhaltsam meinen Hals hoch.

      „Sind Sie sicher, dass sie sich nicht irren?“, frage ich sicherheitshalber nach.

      Er schüttelt den Kopf und klopft mir auf die Schulter.

      „Ich muss kurz raus“, stammle ich und laufe auf den Gang hinaus. Vor der Station bleibe ich stehen. Kurz schließe ich meine Augen und versuche ruhig zu atmen. Was hat sie getan und vor allem mit wem? Ich gehe wieder hinein und sehe durch die Glasscheibe zu Kendra. Sie liegt unverändert da. Heute kann ich nicht so tun als ob nichts wäre, ich belasse es bei meinem Besuch vor der Glasscheibe und gehe zu Peter. Ich stehe vor seinem Bett und sehe ihn an.

      „Bist du es? Fickst du meine Frau, du Arschloch?“, sage ich leise. „Los komm schon, beweg dich, mach deine Augen auf und sag es mir! Sei kein Scheißfeigling!“

      Nichts passiert. Natürlich nicht. Ich will Antworten. Jetzt. Immer mehr Fragen tun sich in meinem Kopf auf. Fragen ohne Antworten. Auf dem Nachhauseweg halte ich an und setze mich an die Theke vom kleinen Pub im Dorf. Hier gibt es unseren Whisky. Ich starre in mein Glas. Was ist mit meinem Leben passiert? Was zur Hölle geht hier vor? Darum war sie so blass. Ich bin mir sicher sie wusste es. Sie war so still. Still und nachdenklich. Natürlich. Sie hatte Angst. Zu gerne würde ich wissen wie sie mir das erklärt hätte. Um die Erklärung wird sie nicht herumkommen. Ich starre ins Glas und fahre meine Narbe mit dem Finger nach. Keine Ahnung warum ich dachte sie würde mich nicht betrügen. Es dauerte lange bis ich ihr verziehen habe, damals nach der Sache mit Elliot Dunn. Dass ich ihn umgebracht habe, hat mir keine Erleichterung gebracht, ich war einfach nur gekränkt betrogen worden zu sein. Nein, ich war voller Wut und Hass auf das Arschloch und enttäuscht von der Frau die ich damals mehr liebte als alles andere. Inzwischen haben sich die Dinge geändert. Kendra ist die Frau die immer an meiner Seite ist. Sie ist meine Frau. Wir sind für immer verbunden. Selbst wenn ich sie betrüge, es bedeutet mir nichts. Zwischen uns ist viel mehr als Sex, sie ist einfach alles was ich habe. Wenn sie aufwacht will ich verdammt noch einmal wissen was überhaupt los ist! Aus einem Glas werden mehrere, kurz nach Mitternacht fahre ich dann mit viel zu viel Whisky im Blut nach Hause. Aber es ist mir egal. Was habe ich schon noch zu verlieren? Im Haus ist alles ruhig. Ich nehme die angebrochene Flasche Whisky vom Barwagen und lasse mich in den Sessel meines Vaters fallen. Ich bin so müde und doch kann ich nicht schlafen. Langsam stehe ich auf und gehe zum Flügel. Ich bin ziemlich angetrunken, meine Beine machen nicht ganz was ich will, ich wackle sogar. Shit…Unmotiviert drücke ich ein paar Tasten. Dann beginne ich zu spielen. Keine Ahnung, es hilft mir meine Wut in den Griff zu bekommen. Die Musik ist wie eine Art Druckventil für mich. Ich spiele und spiele und spiele. Dann beginne ich zu singen. Zuerst leise, dann lauter. Irgendwann kann ich nicht mehr. Ich stütze meinen Kopf auf meine Hände und könnte schreien, als ich aus dem Augenwinkel etwas sehe. Ich blicke auf. Es ist Holly. Auch das noch.

      „Habe ich Sie geweckt?“, frage ich leise. Ich habe mich noch nicht richtig daran gewohnt, dass sie rund um die Uhr im Haus ist.

      Sie schüttelt lächelnd den Kopf. „Sie spielen richtig gut.“

      Mit den Schultern zuckend greife ich nach der Whiskyflasche und trinke einen großen Schluck daraus.

      „Eigentlich können wir doch du sagen?“, schlage ich vor. „Wir kennen uns ja ewig, oder nicht?“ Sie war als Mädchen oft hier, auch wenn meine Erinnerung an damals ziemlich verblasst ist. Früher haben wir mit Sicherheit du zueinander gesagt. Sie verschränkt die Arme vor der Brust. Abwehrhaltung. Fängt das schon wieder an?

      „Doch, aber Sie sind der Lord und ich ihre Angestellte. Ich denke darum bleiben wir beim Sie“, erklärt sie sachlich.

      Ich verdrehe genervt die Augen. „Ich scheiße aufs Lord sein…“

      Sie dreht sich am Absatz um und will wieder gehen, aber das soll sie nicht, ich hasse es, wenn Leute davonlaufen und mich einfach so sitzen lassen.

      „Warte…Warte…“, sage ich. „Komm, setz dich her.“ Ich zeige auf den Klavierhocker. Zögerlich hält sie inne, doch dann kommt sie näher und setzt sich mit Abstand zu mir. Das war einfach. Ich atme mit geschlossenen Augen durch. Klar. Ich bin der Lord. „Weißt du was…Sie war schwanger und hat das Kind durch den Unfall verloren.“

      Sie sieht mich entsetzt an. Sagt aber nichts.

      „Sie war schwanger“, wiederhole ich darum eindringlicher.

      „Das tut mir leid“ murmelt sie verlegen und sieht mich dabei nicht an.

      Ich schüttle den Kopf. „Nein…Nein…Das muss es nicht. Es war nicht von mir.“

      Jetzt sieht sie noch entsetzter aus. „Ich verstehe nicht…“, stammelt sie immer noch ohne mich anzusehen.

      Ein Lacher kommt mir aus, sie zuckt ein wenig zusammen. „Von mir kann es nicht sein. Ich hatte keinen Sex mehr mit ihr seid…“ Wieder muss ich lachen. „Keine Ahnung, vielleicht zu Weihnachten.“ Ich reibe mir die Stirn. „Also von wem zur Hölle lässt sich meine ach so unfehlbare und perfekte Ehefrau ficken?“ Jetzt zuckt sie richtig zusammen, darauf kann ich aber leider gerade keine Rücksicht nehmen. „Vielleicht ist es der Stallbursche, oder der Gärtner? Womöglich auch der Tierarzt? Was meinst du, sollte ich die Männer auf diesem Gut zusammentrommeln und fragen wer meine Frau vögelt?“ Ich werde richtiggehend wütend und springe auf. „Wer verdammt noch einmal vögelt meine Frau?“

      Sie sieht mich geschockt über meinen Ausbruch an. Schützend zieht sie ihre Strickjacke vor ihrem Körper zusammen. „Tavis…Ich glaube Sie reagieren über“, sagt sie beruhigend, was aber nicht wirkt. Ich beuge mich zu ihr.

      „Überreagieren?“ Keine Ahnung warum, aber ich muss grinsen. „Es ist mein Bruder dieses Arschloch. Mein Bruder fickt meine Ehefrau.“ Das sage ich leise, bedacht und mit geschlossenen Augen. Ich bin gespannt, wie sie darauf reagiert. Sie sagt länger nichts, doch dann schüttelt sie fast bedrohlich den Kopf.

      „Sie sollten nicht so viel trinken. Ihre Frau liegt schwerverletzt im Krankenaus, genau wie ihr Bruder. Lassen Sie solche Anschuldigungen!“

      Dann steht sie auf. Sie scheint wütend über meine Worte zu sein. Ja, sie hat recht, wie kann ich so eine Anschuldigung machen? Ich weiß gar nichts. Null. Scheiße. Ich bin mit ihr verheiratet und weiß absolut nichts über sie. Ich sinke wieder auf den Klavierhocker. Unmotiviert drücke ich ein paar Tasten. Sie steht noch immer da uns sieht mich an.

      „Spielst du Klavier?“, frage ich als sie schon wieder gehen will.

      Sie schüttelt den Kopf. „Ich habe ewig nicht mehr gespielt, aber Sie haben viel Talent und eine tolle Stimme“, sagt sie schmeichelnd um von sich selbst abzulenken, doch ich lasse nicht locker.

      „Komm her. Ich will sehen was du noch kannst.“ Ich liebe die Musik und speziell das Klavier, Menschen die musikalisch sind finde ich interessant. Sie schüttelt erneut den Kopf und wird ein bisschen rot. Das gefällt mir irgendwie, diese mädchenhafte Verlegenheit.

      „Ich kann das nicht“, sagt sie leise, aber der Unterton in ihrer Stimme gibt mir zu verstehen,