Der schottische Lord. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754177068
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nicke erleichtert. „Ok…Verstehe…Aber warum nimmt sie nicht einfach eine Tablette dagegen?“

      „Sie ist sehr erschöpft, ich konnte mich nicht wirklich mit ihr unterhalten, vielleicht eine Allergie“, lächelt er verklemmt.

      Natürlich. Arztgeheimnis. Aber es ist mir auch egal. Hauptsache es geht ihr bald besser.

      „Ich habe morgen ohnehin einen Termin für die Blutabnahme ihres Vaters, dann sehe ich sehr gerne noch einmal nach Mrs. Barnes“, schlägt er vor.

      „Ja, Danke. Kann ich noch etwas tun? Braucht sie etwas?“

      Er schüttelt den Kopf und geht zur Tür. „Nein, wie gesagt, sie schläft jetzt erst einmal. Gute Nacht Lord Stewart.“

      „Danke…Gute Nacht, Dr. Scott.“

      Ich schließe die Tür hinter ihm und lehne mich kurz mit dem Rücken daran. Eigentlich wollte ich nach dem Essen noch ins Krankenhaus, doch jetzt habe ich weder Hunger, noch Lust dorthin zu fahren. Ich gehe nach unten, Vater scheint die Gesellschaft in der Küche heute sehr zu gefallen.

      „Und?“ Eliza sieht mich besorgt an.

      „Dr. Scott hat ihr eine Spritze gegeben, sie schläft jetzt“, nicke ich und lasse mich auf einen Stuhl fallen.

      „Tut mir leid, wenn Holly das ganze Abendprogramm durcheinandergebracht hat“, stammelt sie.

      „Ach was, ich habe mich wirklich über ihren Zustand erschrocken. In diesem Haus gibt es seit Jahrhunderten dasselbe Programm, dann war es heute eben einmal anders“, schüttle ich den Kopf. „Hauptsache es geht ihr bald besser. Vielleicht ist sie überfordert, oder sie hat zu wenig Freizeit?“

      „Nein, das glaube ich nicht. Soll ich dir das Essen hochbringen?“, meint sie lächelnd.

      „Ich habe keinen Appetit…War ein anstrengender Tag“, murmle ich.

      Sie nickt seufzend. „Ich kümmere mich sehr gerne um den Lord.“

      „Das mache ich schon. Wir spielen jetzt die Schachpartie zu Ende, nicht wahr Vater?“

      Er sieht sich nachdenklich um. „Ja…Aber wo ist Lady Holly?“

      Ich ziehe die Augenbrauen hoch. James schmunzelt ohne mich anzusehen. Lady Holly. Nun ist sie also schon eine Lady. Tja…So schnell kann das gehen.

      „Sie braucht ein bisschen Ruhe“, entgegne ich selbst auch ein wenig amüsiert.

      Nach dem Schachspiel, bei dem ich schon andauernd gähnen musste, war ich froh, dass Vater schnell eingeschlafen ist. Ich nehme das Babyfon aus der Ladestation und öffne die Tür zu Hollys Zimmer einen Spalt. Das Licht aus dem Flur fällt auf ihr Gesicht. Sie schläft tief und fest. Nach einer heißen Dusche und einem Anruf im Krankenhaus wo sich nichts verändert hat, falle ich ins Bett.

      Der Degen erwischt mein Gesicht und gleitet ganz mühelos über meine Haut. Ich spüre nichts außer Wut, Hass und Rache. Ich atme ein und mit dem Ausatmen verliere ich meine Wahrnehmung. Alles tritt zurück. Da ist nur noch er. Ich bin wie von Sinnen, bis er zu Boden geht. Atemlos sehe ich auf ihn hinab. Das Blut tropft von meinem Kinn auf seinen Körper. Mir wird zuerst schwindelig, dann schlecht.

      Panisch reißt es mich auf. Ich schnappe nach Luft und sehe mich irritiert um. Nach ein paar Momenten lasse ich mich wieder in mein Kissen sinken. Schon wieder dieser Traum. Seit zwanzig Jahren immer wieder dieser Traum. Mein Herz klopft. Ich sehe auf mein Handy, kurz nach elf. Mein Nacken tut weh. Ich bin so aufgewühlt, dass ich sowieso nicht schlafen kann, darum stehe ich auf um nach Holly zu sehen. Ich mache mir Sorgen um sie, der Himmel weiß warum. Leise öffne ich ihre Tür, ihre Decke ist zurückgeschlagen, aber von ihr keine Spur. Im Salon ist sie auch nicht, ich gehe zum Küchenabgang, unten brennt Licht. Ich gehe nach unten, wo sie im rosa Pyjama und flauschiger Strickjacke steht. Sie will sich wie es aussieht gerade Tee machen, als sie erschrocken zusammenzuckt, vermutlich weil ich plötzlich hinter ihr stehe.

      „Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken“, lächle ich sie an und nehme ihr den Teekessel ab.

      „Macht nichts“, murmelt sie. „Hab ich dich geweckt?“

      Ich mache die Gasplatte an und schüttle den Kopf. „Nein, ich konnte nicht schlafen. Geht es dir besser?“

      Sie lächelt, etwas verlegen wie mir scheint, aber unglaublich süß. Ihre Haare sind noch feucht und sehen ganz anders aus als sonst. Lockig würde ich sagen.

      „Ja, Danke, dass du den Arzt gerufen hast. Mir ist das ziemlich unangenehm…“

      „Nein, das muss es nicht. Ich habe mich ziemlich über deinen Zustand erschrocken, gut, wenn es dir jetzt wieder besser geht.“

      „Sehr viel besser“, bestätigt sie, als sie wieder zusammenzuckt, weil der Teekessel zu pfeifen beginnt. Sie dreht sich zögerlich um und gießt den Tee auf. Ich bin immer noch geflasht von ihren Haaren, darum gehe ich ablenkend zum Kühlschrank und werfe einen Blick hinein. Das fehlende Abendessen lässt meinen Magen nun doch ein wenig rebellieren. Ich kratze mich am Kinn und drehe mich zu ihr. „Hunger?“

      „Nein…“, lächelt sie.

      Ich hole die Dose mit unserer selbstgemachten Wurst und noch so einige andere Leckereien aus dem Kühlschrank und stelle alles auf die Anrichte. An ihrem Tee nippend sieht sie mir zu. Ich setze mich auf den Hocker und öffne die Dose. Ein verführerischer Duft steigt auf.

      „Das ist unsere selbstgemachte Trockenwurst aus Wildfleisch. Sicher nicht probieren?“, frage ich sie noch einmal.

      Ich scheide ein Stück ab und reiche es ihr. Sie zuckt mit den Schultern, irgendwie ist das Schüchterne auch süß, selbst wenn mich ihre Spielchen etwas nerven. Es ist nervig, gleichzeitig aber auch heiß. Wie eine scheue Katze. Sie nimmt die Wurst und ich müsste mich sehr täuschen, wenn es ihr nicht schmeckt.

      „Komm, setz dich zu mir“, fordere ich sie auf.

      Zögerlich nimmt sie Platz, während ich alles aufschneide. Ich versuche ihre Zurückhaltung zu ignorieren, vielleicht hilft ja das um sie zum Auftauen zu bringen. Und es hilft tatsächlich wie es scheint.

      „So hat das mein Dad früher immer gemacht. Man muss einfach zugreifen, wenn es so unglaublich einladend vor einem liegt“, meint sie und beginnt zu essen, was sich wie ein kleiner Sieg anfühlt.

      „Danke noch einmal das du geblieben bist, wenn du nicht wärst, ich weiß nicht wie ich das mit Vater schaffen würde“, bedanke ich mich. Ich finde es ist an der Zeit, ihr das einmal zu sagen.

      Sie senkt ihren Blick und atmet durch. „Hier werde ich gebraucht und darüber bin ich froh.“

      Ich sehe sie nachdenklich an. Es würde mich schon interessieren was mit ihrem Ehemann los ist. „In England wirst du nicht gebraucht?“

      „Nein…Nicht mehr…“, sagt sie leise ohne aufzusehen.

      „Keiner der auf dich wartet?“

      Sie schüttelt nur wortlos den Kopf. Meine Güte…Sie lässt sich auch wirklich alles aus der Nase ziehen, also versuche ich es anders.

      „Eliza meint du hast dich in England um ein krankes Kind gekümmert? Wie es scheint kannst du ziemlich gut mit Menschen umgehen, mein Vater ist beste Beispiel dafür.“

      Sie schließt kurz ihre Augen, wie es aussieht ist ihr meine Frage unangenehm. „Hat dir Eliza auch erzählt, dass ich das Kind umgebracht habe?“

      Ich lege das Messer weg und sehe sie ungläubig an. „Rede keinen Unsinn Holly.“

      Ich weiß, was es bedeutet einen Menschen umgebracht zu haben und ich glaube kaum, dass sie weiß wovon sie gerade spricht.

      „Habe ich aber.“ Ihr Blick verändert sich, sie krallt ihre Finger in die Pyjamahose an ihren Oberschenkeln. Etwas Wahres muss an ihren Worten dran sein, sonst würde sie nicht so reagieren, auch wenn ich kaum glaube, dass sie jemanden getötet hat.

      „Erzähl es mir“,