Kaviar hier, Blödelgehopse da, Massagen, Cocktails … zum Kotzen!
Nach einer Woche hatte er den Urlaub abgebrochen und war zurück in sein Arbeitsleben geflüchtet. Der Härte der Realität gab er allemal den Vorzug gegenüber einer solchen Dekadenzscheiße.
Nevis lachte bitter in sich hinein. Diesmal ist die Realität so hart wie selten zuvor … ganz nach deinem Geschmack, was alter Junge?
Über vier Jahre Kap Rosa-Überwachung, doch weshalb häuften sich in der jüngsten Vergangenheit die Ereignisse, wie seit den Anfangstagen nicht mehr? Vor einem Monat hatte der Ärger begonnen. Zuerst in Form kleinerer Zwischenfälle.
Beispielsweise die Geschichte in der Gleiterbahn. Laut den Aussagen von zwölf Personen hatte sich ein Werbe-Hologramm vor einem Fahrgast gebildet, welches das exakte Aussehen des Mannes besaß. Der Doppelgänger stürzte sich auf den Mann und drang in ihn ein, woraufhin dieser schreiend kollabiert und von Zuckungen gepeinigt worden war. Momente später stand er auf, produzierte insektenhafte Klicklaute und begann sich in aller Seelenruhe die Augen auszudrücken. Nachdem er damit fertig war, griff er die anderen Fahrgäste an und versuchte dasselbe bei ihnen. Die Leute überwältigten den klickenden Mann und lieferten ihn bei der Sicherheit ab, wo er im Laufe der nächsten Stunden unter Qualen starb. Der Autopsie zufolge hatten sich in den Augenhöhlen des Mannes neue Sehorgane gebildet, die auf vierdimensionales Sehen ausgelegt waren, wobei die vierte Dimension eine verzerrte Zeitkomponente darstellte.
Was jedoch die Hologramm-Emitter in der Bahn projiziert hatten, blieb ein Mysterium.
Zwei Tage darauf hatte sich ein Vorfall in einem Erholungsgarten ereignet, wo urplötzlich Pflanzenranken aus den Beeten geschossen waren und faustgroße Blütenkapseln bildeten. Als sich Neugierige näherten, öffneten sich die Blüten, stießen Sporenwolken aus und verursachten bei den Personen geschwürartige Hautveränderungen und Schüttelfrost. Auf der Krankenstation diagnostizierten die Ärzte ein Absinken der Körpertemperatur der Betroffenen, das selbst durch die Zufuhr großer Hitze nicht zu stoppen war und zur Erfrierung der Menschen in ihren Regenerationskammern bei 130 °C führte. Eine Analyse der Pflanzen war nicht mehr möglich, da sie zu Staub zerfallen waren.
Und Nevis fiel die verrückte Sache mit den Nahrungsverteilern ein. In drei Restaurants spuckten die Geräte literweise Nahrungsgel in Form der Rohmasse aus, die fluoreszierende Klümpchen enthielt. Er hatte die komischen Dinger von zwei Labors untersuchen lassen, und man sagte ihm, es handele sich um Energieansammlungen auf einer noch nie da gewesenen Protein-Brymm-Basis.
Im Gegensatz zu diesen »gemäßigten« Vorfällen, von denen ein weiteres Dutzend auf seinem Schreibtisch gelandet war, wogen die Vermisstenmeldungen schwerer. Fast neunzig Bürger, die im Laufe der letzten acht Wochen verschwunden waren – an einem Tag noch da, am nächsten unauffindbar.
Vor kurzem aber hatte sich etwas ereignet, worauf die Company höchst empfindlich reagierte: abhanden gekommene Kristalltransporte. Mehrere Ladungen, die unterirdisch von den Minen durch das Transporttunnelsystem nach Luna-Space-Port hätten gelangen sollen, waren einfach weg. So, als wären sie nie abgeschickt worden. Die Nachforschungen liefen.
Und jetzt auch noch die Geschichte in Mine C! Eine tote, unbekannte Person mitten in einem Hochsicherheitsbereich – das Katastrophalste, das sich Nevis vorstellen konnte.
Wurden jene Zwischenfälle wirklich von den Aktivitäten der Crystal-Jackers ausgelöst? Er glaubte zwar an die Existenz der Kristalldiebe. Und im Gegensatz zu Benx las er in den Aktionen die Handschrift von Amateuren heraus, deren Motive man nicht unterschätzen durfte. So unpräzise und weitab vom Schürfbetrieb umgesetzt, ergaben sie jedoch kaum einen Sinn. Sie waren höchstens geeignet, um die Behörden an der Nase herumzuführen. Um … Verwirrung zu stiften. Ein Ablenkungsmanöver?
Vielleicht war es das. Simpel. Effektiv. Die Brymm-Diebe warteten auf das Weihnachtsdurcheinander, beschäftigten die Sol Guard und machten sich mithilfe eines Minensektionsleiters an die Kristalltransporte heran. Und die Leiche in der Fördereinrichtung war wahrscheinlich ein Mitglied der Bande.
Aber wie zur Hölle haben die Mistkerle die Überwachungsanlagen ausgetrickst? Schon in den Frachthafen im Zentrum Kap Rosas reinzukommen, ist unmöglich. Das Eindringen in eine Mine grenzt an Hexerei!
Und wie passten die verschwundenen Personen ins Bild? Gingen den Jackers die Leute aus, und handelte es sich infolgedessen um Entführungen? Den Kriminellen mussten Technologien zur Verfügung stehen, mit denen man Menschen nach Belieben verschwinden lassen, sprich, deren MindCell-Signale man unterbinden konnte. Ein Hacken der modernsten Sicherheitssysteme des Sonnensystems wäre dazu nötig.
Scheiß bewundernswert! Ich sollte die Truppe engagieren.
Wie auch immer die Wahrheit aussah, das alles war unglaublich schlecht für Nevis’ Geschäft.
Die Silhouette des Sol Guard-Chefs zeichnete sich vor dem sternenreichen Weltraum ab. Längst war die Erde an dem Fenster vorbeigewandert, und durch die Rotation von Skyrock-Central rückte der in Wolken gehüllte Mond in den Sichtbereich.
Das Licht des Erdtrabanten umspielte Nevis Korvalinskis Gesichtszüge, sein prägnantes Kinn und die Hakennase. Es berührte die Haut seines Schädels, bis er sich mit einer schnellen Drehung vom Fenster abwandte.
Er musste endlich handeln.
Gewächshaus-Patrouille
~5~
Der Militärgleiter zischte über die karge Landschaft, in die unzählige Seen eingebettet lagen. Ein Gewitter tobte über dem Gebiet. Sturmböen peitschen den Regen waagrecht vor sich her und bogen die spärlich gesäten Büsche bis zum Erdboden. Blitze erhellten den Himmel, an dem eine dunkelgraue Wolkenschicht wie im Zeitraffertempo dahinzog.
»Charlie-Bravo-Delta, Eins-Eins-Vier … Bodenkontrolle, setzen gleich zur Landung an. Die Sicht da draußen ist mal wieder unter fünf Prozent. Sind im Auftrag der ISGA hier: Aufklärungsflug Tango-Eagle. Ziel: Planquadrat 18A, alte Gewächshäuser bei stillgelegtem Atmosphärenwandler 37. Die Alpetragius-Senke, ihr wisst schon.«
Der Com-Bildschirm im Cockpit des Gleiters leuchtete auf. »Verstanden, Eins-Eins-Vier. Auftrag wurde bestätigt, und Genehmigung ist erteilt. Wird bei dem Sauwetter kein Spaziergang, was Jungs? Passt auf euch auf … übergebe jetzt an Dienststelle der ISGA. Bodenkontrolle Ende und Aus.«
Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht einer Frau um die dreißig, die eine Kurzhaarfrisur trug. »Aufklärungsflug Eins-Eins-Vier? Hier spricht Allison Vangristen, Leiterin der ISGA. Bin froh, Sie um die Uhrzeit und bei der Witterung für einen Ausflug gewonnen zu haben. Sind Sie bereit?«
»Jawohl, Ma’am. Ich bin Captain Harper. Wir brennen schon drauf, uns nasse Füße zu holen! Wenn ich Ihre Anfrage richtig verstanden habe, sollen mein Lieutenant und ich eines der Gewächshäuser unter die Lupe nehmen und uns dort nach einem verschollenen Geschäftsmann umschauen. Korrekt, Ms. Vangristen?«
»Positiv, Captain. Der Name des Mannes ist Shinra Juppona.«
»Ist dieser Typ nicht ein bisschen weit von Kap Rosa entfernt, um seiner Tätigkeit nachzugehen? Sieht nach einer illegalen Aktivität aus.«
Die Frau auf dem Display nickte. »Auch das ist korrekt. Deswegen, und weil sein MindCell-Signal seit gestern nicht mehr zu orten ist, sollen Sie ihn für mich wiederfinden.«
»Wie kommen Sie darauf, dass er sich hier draußen zwischen den Sehenswürdigkeiten einer ungemütlichen Touristenzone herumtreibt?«
»Ich habe eben in Jupponas Verwaltungssoftware einen Hinweis gefunden, laut dem er sich dort mit einem besonderen Kunden treffen will. Dabei